Andere Bezeichnung: Umstandswort
Über das Wort „Adverb“
Genus, Betonung: das Adverb
Plural: die Adverbien (nicht „Adverben“!)
Abkürzung: Adv.
Herkunft: von lat. adverbium zum Verb Gehöriges
Definition
„Adverb“ ist eine der Wortarten und gehört zur Wortartengruppe der Partikeln. Unter „Adverb“ versteht man ein Wort, das folgende Bedingungen erfüllt:
• Es ist eine Partikel, d.h. es ist im Unterschied zu Nomen und Verben nicht flektierbar (= deklinierbar/konjugierbar).
• Im Unterschied zu Funktionspartikeln hat es einen Bedeutungsgehalt, der über eine abstrakte logisch-grammatische Funktion hinausgeht.
• Im Unterschied zu Präpositionen, Konjunktionen und Subjunktionen verlangt das Adverb keine Ergänzung (= Komplement).
• Es bezeichnet
— entweder eine Eigenschaft einer Eigenschaft, d.h. es dient als nähere Bestimmung von Wörtern, die eine Eigenschaft (im weitesten Sinn des Wortes) bezeichnen, nämlich von Verben, Adjektiven und anderen Adverbien, jedoch nicht von Substantiven;
— oder eine Eigenschaft einer Aussage.
Bildungstypen
(1) von Adjektiven abgeleitete Adverbien
(a) Viele Adjektive bilden eine regelmäßige Adverbialform mit einer besonderen Adverbialendung, die je nach Deklinationstyp verschieden ist.
• Adjektive der ō/ā-Deklination haben die Adverbialendung -ē; einschließlich fast aller Superlative; z.B.:
÷ long-us lang, weit > Adverbialform: long-ē
÷ longissim-us (Superlativ) längster, weitester > Adverbialform: longissim-ē
• Adjektive der ī-Deklination haben die Adverbialendung -iter. Bei mehrsilbigen Stämmen auf t ist diese zu -er verkürzt. Z.B.:
÷ lev-is leicht, sanft > Adverbialform: lev-iter
÷ soller-s (Gen. sollert-is) geschickt > Adverbialform: sollert-er
(b) Manche Adjektive verwenden als Adverbialform den Akk.Sg. Neutrum: in der ō/ā-Deklination auf -um, in der ī-Deklination auf -e, in der kons./gem. Deklination auf -_ (leere Endung).
• einige Positive; z.B.:
÷ mult-us viel > Adverbialform: mult-um sehr
÷ cēter-us der sonstige, übrige > Adverbialform cēter-um übrigens
÷ facil-is einfach, leicht > Adverbialform: facil-e
• alle Komparative (kons./gem. Dekl.); z.B.:
÷ longior länger, weiter > Adverbialform: longius-_ (leere Endung)
• wenige Superlative; z.B.:
÷ plūrim-us der meiste > Adverbialform: plūrim-um sehr viel, am meisten
÷ prīm-us der erste > Adverbialform: prīm-um zuerst
(c) Manche Adjektive der ō/ā-Deklination verwenden als Adverbialform den Abl.Sg. Neutrum auf -ō; z.B.:
• einige Positive; z.B.:
÷ crēber (f. crēbr-a, n. crēbr-um) häufig > Adverbialform: crēbr-ō
÷ subit-us plötzlich, unerwartet > Adverbialform: subit-ō
• wenige Superlative; z.B.:
÷ prīm-us der erste > Adverbialform: prīm-ō zuerst
÷ postrēm-us der letzte > Adverbialform: postrēm-ō zuletzt
(2) von Zahlwörtern abgeleitete Adverbien; z.B.:
÷ quīnquiēns (= quīnquiēs) fünfmal (von quīnque fünf)
÷ quotiēns (= quotiēs) wievielmal? (von quot wie viele?)
(3) von Substantiven oder Adjektiv/Pronomen + Substantiv abgeleitete Adverbien
• ursprüngliche Ablative oder Lokative; z.B.:
÷ diū lange (ursprünglich: einen Tag lang, von diēs Tag)
÷ modo nur, eben erst (< modō, ursprünglich: mit Maßen, begrenzt)
÷ grātīs unentgeltlich, kostenlos (< grātiīs, Abl.Pl. von grātia, ursprünglich:
für (bloßen) Dank)
÷ magnopere sehr (< magnō opere, ursprünglich: mit großer Bemühung)
÷ hodiē heute (< hō(c) diē an diesem Tag)
÷ postrīdiē am folgenden Tag, tags darauf (< posterī (Lokativ) diē)
• ursprüngliche Akkusative; z.B.:
÷ forās vor die Tür, hinaus (ursprünglich Richtungs-Akk.Pl. von *fora Tür)
÷ partim teils, teilweise (älterer Akk.Sg. von pars Teil)
(4) von Pronomen abgeleitete Adverbien
Diese nennt man auch Pronominaladverbien; zu ihren Funktionen siehe weiter unten.
• von bekannten Kasus abgeleitet; z.B.:
÷ quā wo, wie (verkürzt < Abl. quā viā auf welchem Weg)
÷ quō wo, wohin (verkürzt < Abl. quō locō an welchem Ort)
÷ illīc dort (< illī + c (wie in hi-c), ursprünglich: bei jenem, Lokativ von ille jener)
• mit speziellen Adverbendungen; z.B.:
÷ ibī dort (= i-bī, vom selben Stamm wie i-s dieser)
÷ inde von dort (< *i-m (alter Akk. von i-s dieser) + de (Adv.), verwandt mit
Präposition dē von)
÷ cūr warum? (enthält Fragestamm cu- wie in cu-ius wessen?, Variante von qu-)
÷ utī wie? (enthält Fragestamm u- wie in u-bī wo?, u-n-de woher?, Variante von qu-)
(5) von Präposition + Adverb/Substantiv/Adjektiv abgeleitete Adverbien; z.B.:
÷ anteā vorher (< ante eā „vor dort“, zeitlich uminterpretiert: vor dieser Zeit)
÷ obviam entgegen (< ob viam gegen den Weg)
÷ īlicō sofort, auf der Stelle (< in locō)
÷ dēnuō von Neuem (< dē novō)
(6) scheinbar ursprüngliche Adverbien (d.h. nicht mit anderen lat. Wörtern verwandt); z.B.:
÷ herī gestern
÷ nam denn
÷ vix kaum
Syntaktische Funktionen
(1) Pronominaladverbien
Die von Pronomen abgeleiteten Adverbien erfüllen die gleichen syntaktischen Funktionen wie die unpersönlichen Pronomen (Demonstrativ-, Relativ-, Interrogativ-, Indefinit-, Universal-, Negativ-Pronomen). Demonstrativ- und Relativadverbien verweisen (wie Demonstrativ- und Relativpronomen) auf etwas im vorhergehenden Satz Genanntes, haben also satzverknüpfende Funktion (sogenannte Konjunktionaladverbien).
(a) Demonstrativadverbien, z.B.:
÷ ibī dort (= i-bī, vom selben Stamm wie i-s dieser)
÷ hinc von hier (vom selben Stamm wie hic dieser)
÷ illūc dorthin (vom selben Stamm wie ille jener)
÷ ibīdem ebendort, an demselben Ort (Bildung wie īdem derselbe)
(b) Relativadverbien leiten Relativsätze ein, meist formgleich mit Interrogativadverbien; z.B.:
÷ quandō als (vom Relativstamm qu-, wie quī der, welcher)
÷ ubī wo (u- ist Variante des Relativstamms qu-)
÷ quam wie sehr (vom Relativstamm qu-)
(c) Interrogativadverbien (= Frageadverbien) leiten Fragesätze ein, meist formgleich mit Relativadverbien; z.B.:
÷ quandō? wann? (vom Interrogativstamm qu-, wie quī welcher?)
÷ ubī? wo? (u- ist Variante des Interrogativstamms qu-)
÷ quam? wie sehr? (vom Interrogativstamm qu-)
(d) Indefinitadverbien, z.B.:
÷ aliquandō irgendwann (vom Indefinitstamm aliqu-, wie aliquī irgendein)
÷ alicubī irgendwo (alicu- ist Variante des Indefinitstamms aliqu-)
÷ aliquam (irgendwie sehr =) ziemlich (vom Indefinitstamm aliqu-)
(e) Universaladverbien, z.B.:
÷ ubīque überall (Bildung wie quisque jeder)
÷ quōque überallhin (Bildung wie quisque jeder)
(f) Negativadverbien, z.B.:
÷ numquam niemals (zu umquam irgendwann, wie nūllus kein zu ūllus irgendein)
(2) Abhängigkeit
Sowohl Pronominaladverbien als auch andere Adverbien hängen von etwas anderem ab bzw. bestimmen etwas anderes näher. Dabei gibt es folgende Möglichkeiten:
(a) Abhängigkeit von einem Verb
Adverbien stehen meist als nähere Bestimmung zu einem Verb (daher der Name Adverb). Dabei können sie zwei Funktionen haben:
• Meist haben sie die Funktion eines Adverbials (= Verbsupplement); z.B.:
÷ Hostēs exercitum Rōmānum valdē timent.
Die Feinde fürchten das römische Heer sehr.
(Valdē sehr steigert das Fürchten (Verb).)
÷ Ibī exercitus Rōmānus contrā hostēs pūgnāvit.
Dort kämpfte das römische Heer gegen die Feinde.
(Ibī dort bestimmt den Ort, wo das Kämpfen stattfand. Es ist jedoch nur eine
freie Ergänzung (= Supplement), d.h. wenn man ibī weglässt, bleibt ein
grammatisch vollständiger Satz übrig.)
• Bei manchen Verben kann ein Adverb auch als notwendige Ergänzung (= Verbkomplement) stehen; z.B.:
÷ Ibī Mārcus habitat.
Dort wohnt Marcus.
(Ibī dort bestimmt den Ort, wo das Wohnen stattfindet. Dieser Satz wird
unvollständig, wenn man ibī weglässt („Mārcus habitat. Marcus wohnt.“),
d.h. ibī ist notwendige Ergänzung (= Komplement).)
(b) Abhängigkeit von einem Adjektiv; z.B.:
÷ Exercitus Rōmānus valdē fortis est.
Das römische Heer ist sehr tapfer.
(Valdē sehr steigert die Tapferkeit (Adjektiv).)
(c) Abhängigkeit von einem anderen Adverb; z.B.:
÷ Exercitus Rōmānus valdē fortiter pūgnat.
Das römische Heer kämpft sehr tapfer.
(Valdē sehr steigert die Tapferkeit (Adverb).)
(d) Abhängigkeit von einem Satz
÷ Exercitus Rōmānus certē hostēs vincet.
Das römische Heer wird die Feinde gewiss besiegen.
(Certē gewiss macht eine Angabe über die Zuverlässigkeit der Satzaussage
im Sinne von: „Es ist gewiss, dass das römische Heer die Feinde besiegen
wird“. Also ist certē eine Eigenschaft der Satzaussage.)
Semantische Funktionen
In der Funktion als Adverbiale erfüllen Adverbien die gleichen semantischen Funktionen (Semantik = Bedeutung, Sinngehalt) wie andere Adverbiale – vergleiche die „Sinnverhältnisse“ der präpositionalen Ausdrücke, der Subjunktionalsätze und der Partizipialsätze (siehe PC und Abl.abs.). Viele haben eine verknüpfende Funktion zwischen zwei Aussagen bzw. Sätzen (sogenannte Konjunktionaladverbien). Es lassen sich vor allem für Adverbien prinzipiell fast beliebig viele „Sinnverhältnisse“ definieren. Wir geben hier Beispiele nur für einige besonders wichtige.
(1) Zeitangabe (= temporal); z.B.:
÷ nunc nun, jetzt
÷ diū lange
÷ iam schon
÷ statim sofort
(2) ermöglichende Umstände; z.B.:
÷ hīc hier, unter diesen Umständen
(3) Grund (= kausal); z.B.:
÷ proptereā deswegen
÷ cūr? warum?
(4) Gegengrund (= Einräumung, konzessiv); z.B.:
÷ tamen dennoch
(5) Bedingung (= konditional); z.B.:
÷ ita so, in diesem Fall, dann (nach sī-Satz)
÷ utique unter allen Umständen
(6) Art und Weise (= modal); z.B.:
÷ ita so, auf diese Weise
÷ utī? wie?
÷ aliter anders
÷ clam heimlich
Fast alle von Adjektiven (und Partizipien) abgeleiteten Adverbien bezeichnen die Art und Weise, z.B.:
÷ fortiter tapfer = in tapferer Weise (von fortis stark, tapfer)
÷ bene gut = in guter Weise (von bonus gut)
÷ libenter gern (von libēns willig)
÷ ūnā gemeinsam (von ūnus ein)
(7) Mittel (= instrumental); z.B.:
÷ eō dadurch
(8) Gegensatz (= adversativ); z.B.:
÷ contrā hingegen
(9) Zweck (= final); z.B.:
÷ quōrsum? wozu?, zu welchem Zweck?
(10) Folge (= konsekutiv); z.B.:
÷ itaque daher, infolgedessen, deshalb
(11) Schlussfolgerung; z.B.:
÷ ergō folglich, also
(12) Ort; z.B.:
÷ ibī dort
÷ quō? wohin?
÷ procul fern
(13) Maß, Grad; z.B.:
÷ valdē sehr
÷ paene fast
÷ satis genug