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Andere Bezeichnung:  Wenfall

 

Über das Wort „Akkusativ“

Genus, Betonung:  der Akkusativ
Plural:  die Akkusative
Abkürzung:  Akk.
Herkunft:  von lat. cāsus accūsātīvus Anklagefall  (zu accūsāre anklagen. Zwar steht im Lateinischen der Angeklagte als Objekt tatsächlich im Akkusativ, doch hat die Benennung einen anderen Ursprung: Der Name ist eine falsche Übersetzung aus dem Griechischen. Die Römer bezogen den griechischen Namen dieses Kasus, ptôsis aitiātikḗ, auf das Verb aitiâsthai anklagen, obwohl es in Wirklichkeit abgeleitet ist von aitiātón Verursachtes, einem Fachbegriff des Aristoteles; also ptôsis aitiātikḗ = Fall des Verursachten.)

 

Definition

Unter „Akkusativ“ versteht man den Kasus, der den behandelten Gegenstand, oder genauer: den vom Vorgang betroffenen nicht-handelnden Gegenstand (= Patiens), kennzeichnet.

Beachte:  Die Definition gibt nur die Funktion an, die den Akkusativ zum Akkusativ macht! Eine Zusammenstellung aller seiner Funktionen findest du unten.

 

FUNKTIONEN

 

(A)  Objekt (= ein Verbkomplement)

In seiner häufigsten Funktion kennzeichnet der Akkusativ ein Objekt des Verbs, das nicht-handelnd an dem Inhalt des Satzes beteiligt ist. Wenn das Verb mehrere Objekte hat, bezeichnet der Akkusativ meist das wichtigste. Dieses Objekt kann zahlreiche Rollen erfüllen, vor allem folgende:

(1)  behandeltes Objekt (= affiziertes Objekt)
Das Objekt wird durch den Verbvorgang in irgendeiner Weise verändert oder bewegt, z.B.:
     ÷ Mārcus portam aperit. Marcus öffnet die Tür.
     ÷ Medicus Mārcum cūrat. Der Arzt behandelt Marcus.
     ÷ Mārcus Lūcium vocat. Marcus ruft Lucius herbei.
     ÷ Mārcus equum vēndit. Marcus verkauft ein Pferd.

(2)  erzeugtes Objekt (= effiziertes Objekt)
Das Objekt wird durch den Verbvorgang erzeugt, z.B.:
     ÷ Mārcus mūrum aedificat. Marcus baut eine Mauer.
     ÷ Mārcus circulum pingit. Marcus zeichnet einen Kreis.

(3)  einbezogenes Objekt
Der Handelnde setzt sich in eine körperliche oder geistige Beziehung zum Objekt, setzt sich der Wirkung des Objekts aus; z.B.:
     ÷ Mārcus domum intrat. Marcus betritt das Haus.
     ÷ Mārcus flōrēs spectat. Marcus betrachtet die Blumen.
     ÷ Mārcus Iūliam amat. Marcus liebt Julia.

(4)  doppeltes Akkusativobjekt
Einige wenige Verben können mit zwei Akkusativobjekten stehen, wovon das eine ein behandeltes Objekt (wie in (1)) darstellt, das andere ein Objekt in verschiedenen anderen Rollen; z.B.:
     ÷ Magister discipulum linguam Graecam docet.
        Der Lehrer lehrt den Schüler die griechische Sprache.
Hier ist das behandelte Objekt eine Person. Die vermittelte Fähigkeit ist ursprünglich ein Akkusativ des Ziels, der zum Objekt geworden ist und meist nicht durch ein Substantiv, sondern durch einen Infinitiv vertreten ist: Magister discipulum Graecē loquī docet. Der Lehrer lehrt den Schüler, griechisch (Adv.) zu sprechen. (IC als zugewiesene Eigenschaft.)
Beachte: Dies ist einer von wenigen Fällen, in denen auch ein deutsches Verb mit zwei Akkusativ-Objekten steht! Der Satz „Der Lehrer lehrt dem Schüler die griechische Sprache“ ist grammatisch falsch, da hier kein Dativ stehen darf.
     ÷ Imperātor cōpiās Rhēnum trādūcit.
        Der Feldherr führt die Truppen über den Rhein.
Hier steht ein behandeltes Objekt (cōpiās Truppen) neben einem einbezogenen Objekt (Rhenum). Das einbezogene Objekt muss im Deutschen als Präpositionalobjekt wiedergegeben werden (über den Rhein).

Umwandlung ins Passiv: Wenn ein Satz mit zwei Akkusativobjekten ins Passiv umgewandelt wird, wird das behandelte Objekt zum Subjekt (im Nominativ), das andere Objekt bleibt im Akkusativ stehen, z.B.:
     ÷ Cōpiae ab imperātōre Rhēnum trādūcuntur.
        Die Truppen werden von dem Feldherrn über den Rhein geführt.
Eine Konstruktion mit zwei Akkusativobjekten darf jedoch bei den meisten Verben (z.B. docēre) nicht ins Passiv gesetzt werden.

 

(B)  Zugewiesene Eigenschaft (= ein Verbkomplement)

Viele Verben stehen mit zwei Akkusativ-Ergänzungen, von denen nur die eine ein Akkusativobjekt ist. Die zweite Ergänzung ist kein Gegenstand, sondern eine Eigenschaft, die das Verb dem Akkusativobjekt zuweist, z.B.:
     ÷ Hominēs Sōcratem vocābant sapientissimum / doctōrem sapientiae.
        Die Leute nannten (den) Sokrates sehr weise / einen Lehrer der Weisheit.
Hier weist das Verb vocābant nannten dem Akkusativobjekt Sōcratem den Sokrates die Akkusativ-Eigenschaft sapientissimum sehr weise oder doctōrem einen Lehrer zu.
Das zweite Akkusativwort steht also nur deshalb im Akkusativ, weil es zur Eigenschaft des Akkusativobjekts gemacht wird und daher mit ihm kongruent sein muss. Im Deutschen steht für die zugewiesene Eigenschaft selten auch ein bloßer Akkusativ wie im Beispiel oben, meist steht „als“ + Akkusativ oder „als“ + Nominativ oder ein Präpositionalausdruck mit „zu“ oder „für“. Z.B.:
     ÷ Hostēs victōrem dominum agnōscunt.
        Die Feinde erkennen den Sieger als Herrn an.
        (Im Deutschen ein Akkusativobjekt und „als“ + Akkusativ.)
     ÷ Mīles sē fortem praebet.
        Der Soldat erweist sich als tapfer (= als tapferer Mann).
        (Im Deutschen das Pronomen „sich“ als Akkusativobjekt und „als“ + Nominativ.)
     ÷ Rōmānī Cicerōnem cōnsulem creant.
        Die Römer wählen (wörtlich: erschaffen) Cicero zum Konsul.
        (Im Deutschen ein Akkusativobjekt und ein Präpositionalausdruck mit „zu“.)
     ÷ Rōmānī deōs aeternōs habēbant.
        Die Römer hielten die Götter für ewig.
        (Im Deutschen ein Akkusativobjekt und ein Präpositionalausdruck mit „für“.)

Beachte: In den meisten Grammatiken wird der zweite Akkusativ als Prädikatsnomen bezeichnet, was jedoch falsch ist:
Ein Prädikatsnomen ist laut Definition ein Nomen (oder andere Eigenschaftsbezeichnung), das die Funktion eines Prädikats hat, es bildet also den Kern eines Haupt- oder Nebensatzes. Dabei wird die Prädikatsfunktion meist mithilfe eines Hilfsverbs (meist esse sein) angezeigt. Dieses Hilfsverb kann im Lateinischen zwar meist fortgelassen werden, kann aber in allen Fällen auch stehen. Zu dem zweiten Akkusativ dürfte zwar bei einigen Verben der Infinitiv esse sein zur Bildung eines ACI hinzutreten, bei den meisten Verben wäre dies jedoch grammatisch falsch. Eine nebensatzbildende Funktion kann für den zweiten Akkusativ nicht nachgewiesen werden.

Umwandlung ins Passiv: Wenn ein Satz mit einem Akkusativobjekt und einer zugewiesenen Eigenschaft ins Passiv umgewandelt wird, erscheint das Akkusativobjekt als Subjekt, also im Nominativ, und die zugewiesene Eigenschaft ebenfalls im Nominativ, da sie ja immer mit dem Gegenstand, dem sie zugewiesen ist, kongruent sein muss; z.B.:
     ÷ Sōcratēs ab hominibus sapiēns vocābātur.
        Sokrates wurde von den Leuten ein Weiser genannt.
     ÷ Ā Rōmānīs deī aeternī habentur.
        Von den Römern werden die Götter für ewig gehalten.

 

(C)  Subjekt (= ein Verbkomplement)

(1)  Akkusativ-Subjekt eines ACI
Das Subjekt eines ACI steht immer im Akkusativ.
Genaueres findest du unter ACI.

(2)  Akkusativ-Subjekt eines Infinitivs mit übernommenem Subjekt
Das Subjekt eines IC steht im Akkusativ, wenn es eine Akkusativ-Funktion im übergeordneten Satz hat.
Genaueres findest du unter Infinitiv mit übernommenem Subjekt.

(3)  Akkusativ-Subjekt eines PC
Das Subjekt eines PC steht im Akkusativ, wenn es eine Akkusativ-Funktion im übergeordneten Satz hat.
Genaueres findest du unter PC.

(4)  Akkusativ-Subjekt einer AUC (einschließlich ACP und Gerundivkonstruktion)
Das Subjekt einer AUC steht im Akkusativ, wenn die AUC im übergeordneten Satz eine Akkusativ-Funktion hat.
Genaueres findest du unter AUC.
 

(D)  Prädikat

Wegen der Prädikat-Subjekt-Kongruenz steht das Prädikat eines Infinitivsatzes oder Partizipialsatzes in den unter (C) genannten Fällen im Akkusativ, soweit das Prädikat kongruenzfähig ist.

 

(E)  Adverbial (= Verbsupplement)

(1)  Akkusativ des sachidentischen Adverbials (= „Akkusativ des Inhalts“)
Diese Angabe bezeichnet denselben Vorgang, der schon im Verb genannt ist, der also sachlich identisch ist mit dem Verbvorgang. Dabei wird aber durch das sachidentische Adverbial der Vorgang genauer beschrieben, indem entweder ein spezielleres Wort verwendet oder ein Adjektiv hinzugefügt ist. Eine solches Angabe steht auch bei Verben, die ihrer Bedeutung nach eigentlich kein Objekt haben können. Z.B.:
     ÷ Mīlitēs ācerrimam pūgnam pūgnant (= ācerrimē pūgnant).
        Die Soldaten kämpfen einen erbitterten Kampf (= kämpfen erbittert).
     ÷ Mārcus vītam iūcundam vīvit (= iūcundē vīvit).
        Marcus lebt ein angenehmes Leben (= lebt angenehm).
     ÷ Puerī stadium currunt.
        Die Jungen laufen einen Stadionlauf.
Beachte: 
• Das sachidentische Adverbial wird meist als „inneres Objekt“ bezeichnet. Diese Bezeichnung ist falsch, da es sich eindeutig nicht um ein Objekt (= Verbkomplement) handelt, sondern um ein Adverbial (= Verbsupplement), also eine freie Angabe, die nur selten zum Verb hinzugesetzt wird und – im Gegensatz zum Objekt – vonseiten des Verbs weder gefordert noch vorgesehen ist.
• Das sachidentische Adverbial ist eine bestimmte syntaktische Funktion und darf nicht, wie es oft geschieht, mit der Figūra etymologica verwechselt werden. Die Figūra etymologica ist eine Stilfigur und kann durch Wörter mit verschiedenen syntaktischen Funktionen gebildet werden, die etymologisch (= der Wortherkunft nach) verwandt sind, unter anderem natürlich auch durch viele Beispiele des sachidentischen Adverbials. Das sachidentische Adverbial ist aber nicht immer mit dem Verb verwandt (siehe das letzte Beispiel oben).
• Verben, die ein Akkusativobjekt fordern, verbinden sich mit einem sachidentischen Adverbial im Ablativ. Bei Verben, die typischerweise einen Sachverhalt als Subjekt haben, erfüllt das sachidentische Subjekt eine ähnliche Funktion wie das sachidentische Adverbial (siehe unter Nominativ). 

(2)  Akkusativ der Richtung oder des Ziels
Er steht auf die Frage „wohin?“. Diese Akkusativfunktion nehmen nur Eigennamen von Städten, Inseln oder Ländern an, außerdem das Wort domus Haus. Z.B.:
     ÷ Hodiē Rōmam vēnī. Heute bin ich nach Rom gekommen.
     ÷ Pater fīlium domum mittit. Der Vater schickt den Sohn nach Hause.

(3)  Akkusativ der räumlichen oder zeitlichen Ausdehnung (= Accūsātīvus spatiī, Accūsātīvus dūrātīvus)
Er steht räumlich auf die Frage „wie lang/hoch/tief/breit/weit?“ bzw. zeitlich auf die Frage „wie lange?“; z.B.:
     ÷ Mūrus quīnque pedēs altus est. Die Mauer ist fünf Fuß hoch.
     ÷ Vīximus in urbe ūnum annum. Wir haben ein Jahr (lang) in der Stadt gelebt.

 

(F)  Präpositions-Ergänzung (= Präpositionskomplement)

Der Akkusativ steht als einzige mögliche Ergänzung vieler Präpositionen. Im Deutschen erfordert die entsprechende Präposition oft einen anderen Kasus. Z.B.:
     ÷ Caesar apud exercitum est, iter per prōvinciam facit,
        ad Rhēnum properat, contrā hostēs pūgnat,
        propter clādem sē refert.

        Cäsar ist beim Heer (Dat.), marschiert durch die Provinz (Akk.),
        eilt zum Rhein
(Dat.), kämpft gegen die Feinde (Akk.),
        zieht sich wegen einer Niederlage 
(Gen.) zurück.

Die räumlichen Präpositionen in in und sub unter können sowohl mit Akkusativ als auch mit Ablativ stehen. Dabei steht der Akkusativ auf die Frage „wohin?“ (Akkusativ der Richtung oder des Ziels, siehe oben (D)(2)), der Ablativ auf die Frage „wo?“ (Ablativ der Ortsposition); z.B.:
     ÷ Caesar in prōvinciam properat.
        Caesar eilt in die Provinz. (Wohin?)
     ÷ Caesar in prōvinciā versātur.
        Caesar hält sich in der Provinz auf. (Wo?)

Die übrigen räumlichen Präpositionen können unabhängig von ihrem Kasus auf die Frage „wohin?“ oder „wo?“ gebraucht werden, z.B.:
     ÷ Caesar trāns Rhēnum properat.
        Caesar eilt (nach jenseits des Rheins =) über den Rhein. (Wohin?)
     ÷ Caesar trāns Rhēnum versātur.
        Caesar hält sich jenseits des Rheins auf. (Wo?)

 

(G)  Adjektiv-Ergänzung (= Adjektivkomplement)

Nur sehr wenige Adjektive können mit Akkusativ-Ergänzung stehen; z.B.:
÷ proximus hostēs (= hostibusDAT, ab hostibusden Feinden am nächsten befindlich
   (in Analogie zur Präposition prope + Akk., wie z.B.:  prope hostēs  den Feinden nah)

 

(H)  Syntaktisch isoliert

Akkusativ des Ausrufs (= Accūsātīvus exclāmātiōnis)
Er drückt in einem emotionalen Ausruf den Grund der Empfindung aus (in gleicher Funktion auch Nominativ des Ausrufs). Z.B.:
÷ Ō virum stultum!  Oh was für ein dummer Mann!


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