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Deutsches Reich (Neuzeit), amtliche Bezeichnung des deutschen Staates von 1871 bis 1945.

Die Gründung des Deutschen Kaiserreichs

Die Gründung des Deutschen Reichs vollzog sich in mehreren Etappen: die Revolution von 1848/49, der Deutschen Krieg von 1866, die Gründung des Norddeutschen Bundes 1867 und der Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Höhepunkt war dann die Ausrufung Wilhelms I. (*1797, †1888, deutscher Kaiser seit 1871 und König von Preußen seit 1861) zum Deutschen Kaiser im Spiegelsaal von Versailles bei Paris am 18.1.1871 sowie die Reichsverfassung des Deutschen Kaiserreichs von 1871.

Das Deutsche Reich war eine konstitutionell-monarchischer Bundesstaat auf der Grundlage eines Fürstenbundes, um den Gedanken der deutschen Einheit mit den Verfassungen der Einzelstaaten in Übereinstimmung zu bringen und die historische Entwicklung nach dem Wiener Kongress einzubeziehen.

Das Deutsche Reich als parlamentarische Demokratie

Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg, nach der Novemberrevolution 1918/19, die zum Ende der Monarchie in Deutschland führte, nach dem Verlust großer Teile des Staatsgebiets aufgrund des Versailler Vertrags und unter dem Druck der durch diesen Friedensvertrag auferlegten Beschränkungen formulierte 1919/20 die Weimarer Nationalversammlung die Grundlagen des Deutschen Reichs mit der Weimarer Reichsverfassung neu.

Das Deutsche Reich wurde mit der Weimarer Republik eine parlamentarische Demokratie mit einem vom Volk gewählten Staatsoberhaupt, dem Reichspräsidenten. Regierungschef war der vom Reichstag gewählte Reichskanzler. Als Ländervertretung fungierte der Reichsrat. Die Gesetzgebungskompetenz lag beim Reichstag.

Die innenpolitischen Wirren und der Parteienstreit spitzten sich immer weiter zu, sodass der Reichstag ab 1930 unfähig zur Bildung von Regierungskoalitionen war und weitgehend durch die Anwendung der Machtbefugnisse des Reichspräsidenten im Bereich der Gesetzgebung (Notverordnungen) ausgeschaltet wurde. Die nationalsozialistische NSDAP wurde zur bestimmenden politischen Kraft. Mit der Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz 1933 durch die Mehrheit des Reichstags im Zuge der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde die Weimarer Reichsverfassung faktisch ausgeschaltet.

Das Deutsche Reich während der nationalsozialistischen Herrschaft

Das Jahr 1933 markiert zugleich das Ende der Weimarer Republik und den Beginn der Herrschaft des Nationalsozialismus. Das Deutsche Reich entwickelte sich zu einer Diktatur. Staat und Gesellschaft wurden in kurzer Zeit »gleichgeschaltet«. Zur Gleichschaltung gehörte auch die Aufhebung der Grundrechte, die schonungslose Verfolgung politischer Gegner, die gnadenlose Judenverfolgung, die im Holocaust endete. Letztlich verwandelte sich auch mit der Errichtung von Konzentrationslagern das Deutsche Reich in einen Unrechtsstaat.

Außenpolitisch erreichte Hitler bis 1939 die stufenweise Revision des Versailler Vertrags und eine territoriale Ausdehnung (z.B. Eingliederung des Saargebiets 1935, Besetzung der entmilitarisierten Zone des Rheinlandes 1936, „Anschluss“ Österreichs sowie Teile Böhmens und Mährens 1938). Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde das Deutsche Reich um Danzig, das Generalgouvernement Polen, Elsass-Lothringen sowie durch die Besetzung weitere Gebiete Europas bis 1941 vergrößert.

1942 begann der militärische Niedergang an verschiedenen Fronten. Als Wendepunkt des Zweiten Weltkriegs galt die Niederlage der 6. Armee in Stalingrad und deren Kapitulation Anfang 1943. 1944 begann die Invasion der Alliierten in der Normandie. Nach der Besetzung fast des gesamten Reichsgebiets durch die Truppen der Anti-Hitler-Koalition (bei Torgau an der Elbe trafen am 25.4.1945 amerikanische und sowjetische Truppen zusammen, am 2.5.1945 erreichte die Rote Armee der Sowjetunion Berlin) bedeutete die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht (7./8.5.1945) das faktische Ende des Deutschen Reichs.

Rechtslage nach 1945

Auf der Potsdamer Konferenz der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs wurde die Nachkriegsordnung auch für Deutschland festgelegt. Die vier Besatzungsmächte USA, Großbritannien, Sowjetunion und Frankreich übernahmen die Hoheitsgewalt über das Deutsche Reich und teilten es in vier Besatzungszonen auf. Die Gebiete des Deutschen Reichs östlich der Oder-Neiße-Linie wurden der Verwaltung Polens und der Sowjetunion unterstellt.

In den Besatzungszonen entstanden 1949 die Bundesrepublik Deutschland (Gebiet der drei Westzonen) und die Deutsche Demokratische Republik (Sowjetische Besatzungszone, Ostzone). Während nach Ansicht DDR-Staatsführung das Deutsche Reich 1945 untergegangen war, war nach Auffassung der Bundesregierung die Bundesrepublik Deutschland Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs. Seit dem Inkrafttreten des Zwei-plus-Vier-Vertrags und der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten 1990 gilt dies im Rechtssinn für das wiedervereinigte Deutschland.


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