Neuzeit, Bezeichnung für die an das Mittelalter anschließende geschichtliche Epoche.
Frühe Neuzeit
Lange Zeit galten die Entdeckung Amerikas 1492 und der Beginn der Reformation durch Martin Luther 1517 als Anfang der Neuzeit. Inzwischen werden jedoch die Jahre zwischen 1450 und 1500 als »Schwellenzeit«, als Übergangszeit vom Mittelalter zur Neuzeit, angesehen. Kennzeichen dieser frühen Neuzeit sind das Ende der Einheit der christlichen Kirche, die Säkularisierung des politischen und kulturellen Lebens, die Gedanken des Humanismus und der Aufklärung.
Die mittelalterlichen universalen Vorstellungen, gekennzeichnet durch die Ordnungsmacht des religiösen Alleingeltungsanspruch des Papsttums und die Herrschaft des römisch-deutschen Kaisertums, wurden endgültig durch den Westfälischen Frieden 1648 am Ende des Dreißigjährigen Kriegs aufgehoben.
An ihre Stelle traten in Europa Nationalstaaten bildeten, auch wenn die Verwirklichung des Nationalstaats in England und Frankreich bereits im 14. Jahrhundert, in Deutschland und Italien erst im 19.Jahrhundert erreicht wurde. Der Begriff der Nation ist eng mit dem Begriff der Souveränität verbunden. Träger dieser staatlichen Souveränität war zunächst weiterhin das Königtum.
Neben dem Absolutismus des 16. bis 18. Jahrhunderts, der die Herrschaft von Monarchien festigte, entwickelten sich die Gedanken der Volkssouveränität und der Gewaltenteilung im Liberalismus, die die Grundlagen für den modernen demokratischen Verfassungsstaat bildete. Diese Entwicklung war verbunden mit der Emanzipation des Bürgertums gegenüber dem Adel. Das Bürgertum war in der Stadt und in der schnell wachsenden modernen Wirtschaft zu Reichtum und Macht gelangt. Dennoch bedeutete die Wirtschaftsmacht des Bürgertums noch nicht das Ende der seit dem Mittelalter bestehenden Vorherrschaft von Adels und Klerus.
Das lange 19. Jahrhundert
Einen wichtigen Einschnitt markierten die politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen der Französischen Revolution von 1789. Mit ihr gelangten Entwicklungen zum Durchbruch, die schon seit der Mitte des 15. Jahrhunderts angelegt waren und bereits in der Amerikanischen Revolution zum Ausdruck kamen. Durch den Rationalismus und die Aufklärung begann die Aufhebung der Privilegien des Absolutismus in Frankreich zugunsten der bürgerlichen Gleichheit und Freiheit und damit ein »bürgerliches« Zeitalter.
Die allgemeine Verwirklichung der bürgerlichen Revolutionsideen von 1789 erlitt jedoch zwei Rückschläge. Nach den Befreiungskriegen von der Herrschaft Napoleons und dem Wiener Kongress wurden demokratische Ideen bekämpft und versucht, die alte Ordnung im Zuge der Restauration wiederherzustellen. Revolutionäre Bestrebungen Mitte des 19. Jahrhunderts wie die Deutsche Revolution von 1848/49 scheiterten. Hinzu kamen die Umwälzungen im Zuge der industriellen Revolution und des entstehenden Wirtschaftssystems des Kapitalismus. Gute Arbeits- und Lebensbedingungen, Freiheit und Gleichheit waren für die während der Industrialisierung entstandene Arbeiterklasse (Proletariat) kaum zu erreichen. Die Arbeiterschaft musste sich erst in der Arbeiterbewegung und in Gewerkschaften organisieren, um ihre soziale Situation verbessern zu können.
In dieser Zeit entwickelte Karl Marx den wissenschaftlichen Sozialismus. Die von Marx erwartete klassenlose Gesellschaft sollte dadurch entstehen, dass der Kapitalismus an seinen inneren Widersprüchen zugrunde geht. Diese gesetzmäßige Entwicklung wurde durch Wladimir ljitsch Lenin zum Programm der proletarischen Weltrevolution verändert (Marxismus-Leninismus), deren Anfang die russische Oktoberrevolution von 1917 sein sollte.
Die Oktoberrevolution veränderte grundsätzlich die Machtverhältnisse zwischen den Großmächten und war der Beginn einer ideologischen Blockbildung zwischen Ost und West, sodass das Jahr 1917 für die Untergliederung der Neuzeit einen weiteren wichtigen Einschnitt bildet.
Diese Zäsur kommt auch darin zum Ausdruck, dass die USA als Großmacht in den Ersten Weltkrieg eintraten. Das Schwergewicht der weltpolitischen Macht lag nun nicht mehr in Europa oder nicht mehr in Europa allein. Die jüngste Phase der Neuzeit, die mit dem Jahr 1917 beginnt, wird als Zeitgeschichte bezeichnet.