Deutsche Frage, die Auseinandersetzung um die territoriale, politische, wirtschaftliche und kulturelle Einheit deutscher Staatsgebiete (deutsche Einheit).
Die Entstehung des deutschen Nationalstaats
Die deutsche Frage stellte sich nach der Auflösung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation 1806 und dem Wunsch nach einem deutschen Nationalstaat, die sich in der Deutschen Revolution 1848/1849 ausdrückte. Der Versuch der Frankfurter Nationalversammlung 1848, ein demokratisches Deutsches Reich zu begründen, scheiterte am Widerstand der im Deutschen Bund zusammengeschlossenen souveränen Fürsten und an der Gegensätzlichkeit zwischen Preußen und Österreich, der sich auch in der Auseinandersetzung um eine großdeutsche (unter Einschluss Österreichs) oder kleindeutsche (unter Ausschluss Österreichs) Lösung zeigte. Otto von Bismarck löste die deutsche Frage mit der Gründung des Deutsche Kaiserreichs 1871 im kleindeutschen Sinne.
Die deutsche Frage nach den Weltkriegen
Nach dem Ersten Weltkrieg stellte sich die deutsche Frage als Problem der Angliederung Österreichs und der Revision des Versailler Vertrags. Der Anschluss Österreichs und des Sudetenlands 1938 in der Zeit des Nationalsozialismus beantwortete die deutsche Frage im Sinne eines Dritten Reiches oder von „Großdeutschland“. Der Zweite Weltkrieg führte nach dem Zusammenbruch der NS-Diktatur 1945 zu einem Ende der staatlichen Einheit Deutschlands.
Die deutsche Frage im Ost-West-Konflikt
Nach dem Zweiten Weltkrieg, den Regelungen der Potsdamer Konferenz der Siegermächte und der Schaffung von vier Besatzungszonen auf dem Restgebiet des Deutschen Reichs entwickelte sich der Gegensatz zwischen Sowjetunion und USA und die Konfrontation zweier gegensätzlicher politischer, wirtschaftlicher und später auch militärischer Systeme.
Die deutsche Frage wurde Teil des heraufziehenden Kalten Krieges mit der Trennung der drei Westzonen von der Sowjetischen Besatzungszone, den Währungsreformen 1948 und der Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 23.5.1949 und der Deutschen Demokratischen Republik am 7.10.1949.
Im Ost-West-Konflikt vertiefte sich die deutsche Spaltung, besonders auch durch den Bau der Berliner Mauer 1961. Mit der neuen Ostpolitik unter Bundeskanzler Willy Brandt (*1913, †1992, Bundeskanzler von 1969 bis 1974) kam wieder Bewegung in die deutsche Frage. So verzichtete die Bundesrepublik Deutschland mit dem Grundlagenvertrag von 1972 auf ihren Anspruch, ganz Deutschland zu vertreten (Alleinvertretungsrecht). Zudem akzeptierten beide deutsche Staaten ihre beiderseitige Unabhängigkeit und Selbstständigkeit in inneren und äußeren Angelegenheiten. Dies dokumentierte z.B. die Aufnahme beider Staaten in die Vereinten Nationen 1973. Offen dagegen blieben die Fragen der Wiedervereinigung (wegen des Wiedervereinigungsgebot im Grundgesetz) und der deutschen Staatsangehörigkeit (nach westdeutscher Auffassung eine gesamtdeutsche).
Die Beantwortung der deutschen Frage 1989/1990
Die Entspannungspolitik zwischen den Weltmächten USA und Sowjetunion mit dem Ende des Ost-West-Konflikts, der Verzicht der Sowjetunion unter Michail Gorbatschow (*1931, Generalsekretär der KPdSU von 1985 bis 1991 und Staatspräsident der Sowjetunion 1990/91) auf ihre beherrschende Rolle in den Ostblockstaaten sowie die Demokratisierung vor allem in Polen und Ungarn führten 1989 mit der friedlichen Revolution auch zum Sturz der SED-Herrschaft in der DDR.
Im Zuge des Prozesses der Wiedervereinigung traten neu gebildeten Länder der DDR 1990 dem Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 23 bei. Mit Zustimmung der vier Siegermächte im Zwei-plus-vier-Vertrag konnte sich der neue gesamtdeutsche Staat mit vollständiger Souveränität am 3.10.1990 konstituieren und die deutsche Frage beantworten.