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Andere Bezeichnungen:  Verbflexion, Beugung des Verbs, Verbformenbildung

 

Über das Wort „Konjugation“

Genus, Betonung:  die Konjugation
Plural:  die Konjugationen
Abkürzung:  Kjg., Konj.
   (Beachte:  Die Abkürzung „Konj.“ ist missverständlich, da sie auch für „Konjunktiv“ und „Konjunktion“ verwendet wird.)
Herkunft:  von lat. coniugātiō Zusammenjochung, verwandtschaftliche Verbindung (bezieht sich in der Grammatik auf die listenartige Zusammenstellung aller zu einem Verb gehörigen Formen oder auf die Vereinigung aller gleich flektierten Verben zu einem Flexionstyp; von coniugāre (nicht coniungere!) zusammenjochen, zusammenpaaren, verwandtschaftlich verbinden; von iugum Joch)

 

Definition

Die „Konjugation“ ist eine Art der Flexion. Unter „Konjugation“ versteht man eine Veränderung der Form eines Wortes, die (im Gegensatz zur Deklination) vor allem dazu dient, grammatische Person, Modus, Tempus und Diathese (= Genus verbi) auszudrücken. Meist wird als „Konjugation“ die gesamte Flexion des Verbs bezeichnet, einschließlich der Bildung der Infinitive und Partizipien (Partizipien und der Infinitiv „Gerundium“ wiederum haben Deklinationsendungen).

Wenn nicht von Konjugation allgemein, sondern von einer bestimmten Konjugation (im Gegensatz zu anderen) die Rede ist, ist damit ein Konjugationstyp gemeint. Der Plural „Konjugationen“ ist immer eine abkürzende Bezeichnung für „Konjugationstypen“.

 

Die drei Verbformtypen und was sie ausdrücken können

Im Lateinischen wie im Deutschen bildet ein Verb drei Typen von Konjugationsformen:
1. finite Verbformen (= Personalformen); z.B.: laudat (er/sie/es) lobt, laudāvistī (du) lobtest.
2. Partizipien (= Verbaladjektive); z.B.: laudāns lobend, laudātus gelobt.
3. Infinitive (= Verbalsubstantive); z.B. laudāre loben, laudārī gelobt werden.
Partizipien und Infinitive werden unter der Bezeichnung „Verbalnomen“ oder „infinite Verbformen“ zusammengefasst.

Die drei Verbformtypen unterscheiden sich voneinander in zwei Punkten:

1. Sie unterscheiden sich in ihren Verwendungsmöglichkeiten im Satz; das nennen wir „syntaktischen Wert“ oder kurz „Satzwert“. Genaueres dazu findest du unter Verbformtypen.

2. Sie unterscheiden sich in ihrer Formenbildung, d.h. in den grammatischen Kategorien, die sie durch ihre Endungen ausdrücken können. Die folgende Tabelle zeigt in vier Spalten alle grammatischen Kategorien an, welche die finiten Verbformen, die Partizipien, die unveränderlichen Infinitive und die deklinierbaren Infinitive ausdrücken können.
 

 

 

Bestimmung von Verbformen

 

Welche Angaben musst du bei der Bestimmung einer Verbform machen?

1.  Zähle alle Kategorien auf, die die Verbform ausdrückt. Wähle dafür aus der Tabelle oben die richtige Spalte aus und nenne aus jedem Feld der Spalte immer diejenige Kategorie, die zu der Verbform passt.
2.  Füge die Nennform des Verbs hinzu. Als Nennform verwendet man im Lateinunterricht den Aktiv-Infinitiv des Präsensstamms. Bei Deponentien (= Verben, die keine Aktiv-Formen haben) gibt man stattdessen den Passiv-Infinitiv des Präsensstamms an.
3.  Füge die Bedeutung des Verbs hinzu.
4.  Füge eine wörtliche Übersetzung der Verbform hinzu. Diese kann im ersten Schritt natürlich nur ungefähr sein, da es meistens mehrere mögliche Bedeutungen des Verbs und Funktionen der Verbform gibt und die genaue Bedeutung vom Textzusammenhang abhängig ist, der oft noch erschlossen werden muss.

Hinweise zur Tabelle:
Die schwarzen Punkte in der Tabelle stehen vor Kategorien, die immer genannt werden müssen, wenn sie auf die Verbform zutreffen.
Die hellen Punkte stehen vor Kategorien, die nicht unbedingt erwähnt werden müssen.
Die grauen Felder zu Tempus und Diathese kannst du bei der Formangabe von nd-Formen (Gerundiv, Gerundium) und Supina auslassen, aber nicht, wenn du andere Partizipien oder Infinitive bestimmst. Die Supina gelten als hinreichend bestimmt, wenn man ihren Namen angibt (um-Supinum, u-Supinum).

Beispiel für eine vollständige Bestimmung einer Verbform mit Übersetzung (siehe Abbildung unten):
÷ terrēbantur ist eine finite Verbform, erkennbar an seiner Personalendung -ntur. Wenn aus der Spalte „Finite Verbform“ die richtigen Kategorien ausgewählt werden, ergibt sich:
     terrēbantur ist
     — 3.Person Plural Indikativ Imperfekt Passiv
     — von terrēre (jemanden) erschrecken;
     — Übersetzung: sie wurden erschreckt.
(Dass es eine finite Verbform ist, braucht nicht besonders erwähnt zu werden, da die Angabe des Modus Indikativ, Konjunktiv oder Imperativ oder die Angabe einer grammatischen Person immer bedeutet, dass es sich um eine finite Verbform handelt.)
Im folgenden Abschnitt wird dir mit mehreren Beispielen gezeigt, wie du an einer Verbform richtig erkennst, welche Kategorien sie ausdrückt.

 

Analyse von Verbformen

Wenn du eine Verbform richtig bestimmen und übersetzen willst, musst du zunächst erkennen, welche grammatischen Kategorien die Verbform ausdrückt. Dafür ist es nötig, die Verbform zu analysieren. „Analysieren“ bedeutet: in Bestandteile zerlegen, die eine bestimmte Bedeutung oder Funktion besitzen. Die Abbildungen zeigen dir acht Beispiele für Verbform-Analysen.

 

 

 

Bestandteile

Bei jeder Verbform kannst du bis zu vier Bestandteile erkennen:

1. (braun) VERBALSTAMM, der die Verbbedeutung angibt;

2. (lila) Unterstamm-Kennzeichen, d.h. ein Kennzeichen des vom Verbalstamm abgeleiteten Unterstamms (d.h. des Präsensstamms, Perfektstamms oder Supinstamms); am Unterstamm-Kennzeichen lässt sich auch der Konjugationstyp (= „die Konjugation“) ablesen;

3. (dunkelblau) Formtyp-Modus-Tempus-Kennzeichen, d.h. ein Kennzeichen, das dir den Formtyp, den Modus und das Tempus (manchmal auch die Diathese) der Form anzeigt;

4. ENTWEDER  4.a (hellblau) Personalendung, die grammatische Person, Numerus und Diathese (manchmal auch den Modus) anzeigt; eine Personalendung haben nur finite Verbformen (siehe Analysebeispiele „terrēbantur“, „capimus“, „ferrētis“);
ODER  4.b (rot) Deklinationsendung, die Kasus, Numerus und Genus anzeigt; eine Deklinationsendung haben nur Verbalnomen, also Infinitive und Partizipien (siehe Analysebeispiele „monuisse“, „vetandī“, „cōnsulentium“, „factūrōs“, „factam“).

 

Verbindungen von Bestandteilen

VERBALSTAMM + Unterstammkennzeichen = UNTERSTAMM.

Formtyp-Modus-Tempus-Kennzeichen + Personalendung = KONJUGATIONSENDUNG.

 

Lexikalische und grammatische Bestandteile

• Den Bestandteil Nummer 1., also den Verbalstamm, nennen wir „lexikalischen Bestandteil“, weil es Aufgabe eines Lateinwörterbuchs, also eines Lexikons ist, die Verbalstämme zu sammeln und ihre Bedeutung zu erklären. Als Stichwort, unter dem man im Wörterbuch nachschlägt, dient jedoch nicht der bloße Verbalstamm, sondern die Nennform des Verbs.

• Die Bestandteile Nummer 2., 3. und 4. nennen wir „grammatische Bestandteile“, weil sie in der Grammatik gesammelt und erklärt werden. Über sie findest du Genaueres unter Unterstamm, Formtyp-Modus-Tempus-Kennzeichen, Personalendung, Konjugationen des Präsensstamms, des Perfektstamms und des Supinstamms und Deklination.

 

Analysebeispiel 1:  terrēbantur

(vergleiche die Abbildung oben)

Formbestimmung:  3.Person Plural Indikativ Imperfekt Passiv von terrēre (jemanden) erschrecken;
Übersetzung:  sie wurden erschreckt.

 

 


Analysebeispiel 2:  capimus

Formbestimmung:  1.Person Plural Indikativ Präsens Aktiv von capere fangen;
Übersetzung:  wir fangen.

Beachte:  Wenn wie hier die Verbform ein leeres Formtyp-Modus-Tempus-Kennzeichen hat, besteht die sichtbare Konjugationsendung allein aus der Personalendung.

 

 


Analysebeispiel 3:  ferrētis

Formbestimmung:  2.Person Plural Konjunktiv Imperfekt Aktiv von ferre tragen;
Übersetzung:  ihr trüget.

Beachte:  Einige wenige Verben haben wie hier im Präsensstamm (oder im Perfektstamm) ein leeres Unterstammkennzeichen. Dann dient der unveränderte Verbalstamm als Präsensstamm (bzw. Perfektstamm).

 

 


Analysebeispiel 4:  monuisse

Formbestimmung:  vorzeitiger Aktiv-Infinitiv (= „Infinitiv Perfekt Aktiv“) von monēre mahnen;
Übersetzung: gemahnt haben.

Beachte: 
• Wenn wie hier eine Verbform keine Personalendung hat, ist das Formtyp-Modus-Tempus-Kennzeichen allein die Konjugationsendung.
• An den unveränderlichen Infinitiven ist keine Deklinationsendung zu erkennen. Trotzdem stehen sie im Satz für einen Kasus (Nominativ oder Akkusativ), einen Numerus (Singular) und ein Genus (Neutrum). Daher sagen wir: Ihre Deklinationsendung ist leer (d.h. unsichtbar).

 

 


Analysebeispiel 5:  vetandī

Formbestimmung:  Genitiv des Gerundiums von vetāre verbieten;
Übersetzung:  des Verbietens.

Beachte:
• Dass es ein Infinitiv ist, ist schon durch den Namen „Gerundium“ gesagt. Auf die Angaben „Singular“, „Neutrum“, „gleichzeitig“ und „Aktiv“ kannst du verzichten, weil dies sowieso die normalen Merkmale eines Gerundiums sind.
• Die Form vetandī ist nicht eindeutig, da sie statt Infinitiv (also Gerundium) auch Partizip (also Gerundiv) sein kann. Dann lautet die Formbestimmung:
     Genitiv Singular Maskulin (Übersetzung: dessen, der verboten wird oder werden soll),
     ODER Genitiv Singular Neutrum (Übersetzung: dessen, was verboten wird oder werden soll),
     ODER Nominativ Plural Maskulin (Übersetzung: die, welche verboten werden oder werden sollen),
     des Gerundivs von vetāre verbieten.
Das Tempus und die Diathese des Partizips werden für die Formbestimmung nicht benötigt; die Diathese eines Gerundivs ist sowieso immer Passiv.
Wenn dir die Form im Text begegnet, kannst du aus dem Satzzusammenhang erkennen, ob es sich um einen Infinitiv (Gerundium) oder ein Partizip (Gerundivum) handelt und welche der möglichen Formbestimmungen die richtige ist.

 

 


Analysebeispiel 6:  cōnsulentium

Formbestimmung:  Genitiv Plural aller Genera vom gleichzeitigen Aktiv-Partizip (= Partizip Präsens Aktiv = PPA) von cōnsulere beschließen;
Übersetzung:  der beschließenden.

 

 


Analysebeispiel 7:  factūrōs

Formbestimmung:  Akkusativ Plural Maskulin vom nachzeitigen Aktiv-Partizip (= Partizip Futur Aktiv = PFA) von facere machen;
Übersetzung:  machen werdende = Leute, die machen werden/würden.

 

 


Analysebeispiel 8:  factam

Formbestimmung:  Akkusativ Singular Feminin des vorzeitigen Passiv-Partizips (= Partizip Perfekt Passiv = PPP) von facere machen;
Übersetzung:  eine gemachte.

Beachte:  Das vorzeitige Passiv-Partizip (PPP) hat leeres Formtyp-Modus-Tempus-Kennzeichen; die Deklinationsendungen treten unmittelbar an den Unterstamm (nämlich den Supinstamm).

 

Varianten der grammatischen Bestandteile von Verben

Fast jedes Unterstamm-Kennzeichen, Satzwert-Modus-Tempus-Kennzeichen, fast jede Personalendung und Deklinationsendung tritt in verschiedenen Varianten auf, die trotz verschiedenen Aussehens dieselbe Bedeutung haben. Das kommt unter anderem daher, dass Wörter und Unterstämme verschiedenen Konjugations- und Deklinationsmustern folgen. Diese Vielfalt hat keinen besonderen Sinn und Zweck, sie ist durch die Zufälle eines jahrtausendelangen Sprachwandels aus wenigen einfacheren, regelmäßigeren Mustern entstanden.

Beispiele:
÷ Das Unterstamm-Kennzeichen, das den Perfektstamm bildet, kann -v- oder -u- oder -s- lauten (es gibt noch mehr Möglichkeiten), z.B.:  cognō-v-imus, mon-u-imus, carp-s-imus.
÷ Das Formtyp-Modus-Tempus-Kennzeichen, das die Bedeutung Konjunktiv Präsens hat, kann entweder -ā- oder -ē- oder -ī- lauten, z.B.:  iung-ā-mus, voc-ē-mus, vel-ī-mus.
÷ Die Personalendung, die 1.Person Singular Aktiv bedeutet, kann oder -m oder lauten, z.B.:  audi-ō, laude-m, terru-ī.
÷ Die Deklinationsendung, die Nominativ Plural Maskulin bedeutet, kann oder -ēs lauten (bei Substantiven ist auch noch -ūs möglich), z.B.:  fact-ī, facient-ēs.

Um Verbformen sicher bestimmen zu können, ist es sehr wichtig, zu wissen, welche Varianten jedes einzelne Kennzeichen hat und wo sie verwendet werden.
Genauere Informationen dazu findest du hier:
Unterstamm
Formtyp-Modus-Tempus-Kennzeichen
Personalendung
• Die an aus den Formtyp-Modus-Tempus-Kennzeichen und den Personalendungen aufgebauten Konjugationen findest du unter Konjugationen des Präsensstamms, des Perfektstamms und des Supinstamms.
• Die Deklination der nt-Partizipien (= PPA) findest du unter Adjektive der ī-Deklination.
• Die Deklination der übrigen Partizipien einschließlich des Gerundivs findest du unter Adjektive der ō/ā-Deklination.
• Die Deklination des Gerundiums (das ein Infinitiv ist!) erklären wir zusammen mit der Deklination des Gerundivs unter Adjektive der ō/ā-Deklination, da das Gerundium aus dem Gerundiv entstanden ist.


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