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Definition

„Verbalstamm“ ist der Wortteil, der in allen Konjugationsformen eines Verbs enthalten ist.

Erläuterung:  Der Verbalstamm kann in einigen oder allen Verbformen durch die Wirkung von Lautregeln oder lautverändernden Konjugationsregeln oder durch besondere Unregelmäßigkeiten mehr oder weniger stark verändert sein (siehe auch unten unter „Besonderheiten… > (1) Unterstämme“). 

 

Beispiele

÷ monēre mahnen, moneō, monēs, monet, ... monuī, monuistī, ... monitus, ... monitūrus, ... haben den gemeinsamen Wortteil mon-, dies ist der Verbalstamm.

÷ capere fangen, capiō, capis, capit, ... cēpī, cēpistī, ... captus, captūrus, ... haben den gemeinsamen Wortteil cap-, dies ist der Verbalstamm. Grund: cēp- lässt sich von cap- durch eine Vokaldehnungsregel zur Bildung des Perfektstamms ableiten.

÷ scrībere schreiben, scrībō, scrībis, scrībit, ... scrīpsī, scrīpsistī, ... scrīptus, ... scrīptūrus, ... haben den gemeinsamen Wortteil scrīb-, dies ist der Verbalstamm. Grund: scrīp- lässt sich von scrīb- durch eine Assimiliationsregel ableiten (b wird vor den stimmlosen s und t selber stimmlos, also zu p).

 

Besonderheiten bei der Feststellung des Verbalstamms

(1)  Unterstämme
Das Verb bildet vom Verbalstamm zunächst drei Unterstämme, an die dann erst die eigentlichen Konjugationsendungen antreten. Die Unterstämme werden gebildet durch zahlreiche verschiedenartige Erweiterungen und Lautveränderungen des Verbalstamms, sodass der Verbalstamm als gemeinsamer Anteil aller Unterstämme oft nicht ganz eindeutig bestimmt werden kann. 

(2)  Aus praktischen Gründen der Analyse setzen wir den Verbalstamm vieler Verben kürzer an als möglich.
Z.B. sagen wir, dass der Verbalstamm von audīre hören nur aud- ist, obwohl in allen Konjugationsformen audī enthalten ist (teils durch Lautregel zu audĭ verändert). Es ergäbe sich sonst ein Widerspruch zu Verben wie venīre verbieten, wo der Verbalstamm ven- lauten muss, da Formen des Perfektstamms wie vēnēruntvēneram, vēnerō und der Supinstamm ventum kein ī enthalten.
Noch naheliegender ist dieses Vorgehen bei Verben wie vocāre rufen, wo zwar alle Formen des Perfektstamms (vocāvī usw.) und des Supinstamms (vocātum usw.) vocā enthalten, aber einigen Formen des Präsensstamms das ā fehlt: vocō, Konjunktiv Präsens vocem, vocēs, vocet usw. Wir setzen also den Verbalstamm als voc- an. Auch hier gibt es Verben wie vetāre verbieten, wo der Verbalstamm ohnehin vet- lauten muss, da der Perfektstamm vetuī und der Supinstamm vetitum das ā nicht enthalten.

(3)  Bei einigen wenigen Verben lässt sich kein gemeinsamer Anteil aller Konjugationsformen finden, da sich offenbar zwei oder drei verschiedene Verbalstämme zusammengefunden haben, um die Formen eines einzigen Verbs zu bilden, z.B.:  fer-re tragen, tul, lāt-um. In solchen Fällen sprechen wir von Suppletion (wörtlich: „Ergänzung“) und nennen die betroffenen Verben suppletive Verben.