Definition
Das „Lautsystem“ einer Sprache ist
(a) die Gesamtheit aller Sprachlaute, die eine Sprache zu Bau und Unterscheidung von Wörtern verwendet. (Fachbegriff: Phoneme.)
Im weiteren Sinne umfasst das „Lautsystem“ zusätzlich
(b) die erlaubten Lautverbindungen in Silben, Wörtern und Sätzen,
(c) die Lautregeln, nach denen die Laute in Wörtern und Sätzen verändernd aufeinander wirken und unerlaubte Lautverbindungen in erlaubte umgewandelt werden,
(d) die Intonation von Silben, Wörtern und Sätzen einschließlich des Akzents.
Hinweis: (a) beschreiben wir auf dieser Seite unten; (b) berücksichtigen wir teilweise unter (c) Lautregeln; von (d) beschreiben wir nur den Akzent; auf eine genauere Darstellung von (b) und (d) müssen wir im Rahmen dieses Lateinlexikons verzichten.
Bestand an Sprachlauten
Erläuterung zur Tabelle:
• Die „Artikulationsstelle“ ist die Stelle im Mund oder in der Kehle, wo der Laut gebildet wird.
• Die „Artikulationsart“ gibt an, wie die aktiven Artikulationsorgane (Lippen, Zunge, Gaumensegel = Velum, Stimmbänder) sich bewegen und wie viel Freiraum sie zwischen sich und der Artikulationsstelle lassen, um den jeweiligen Laut hervorzubringen.
• In der Tabelle sind die Buchstaben eingetragen, mit denen im Lateinischen die Laute geschrieben werden.
• Stimmhafte Laute sind durch dunkelbraune Buchstaben dargestellt, stimmlose durch hellbraune.
• In eckigen Klammern [ ] ist eine Ausspracheangabe in Lautschrift hinzugefügt, wo sich der Lautwert nicht direkt aus den Buchstaben ergibt.
• Das Kreuzzeichen † steht vor veralteten Bezeichnungen, die dir in Schulbüchern immer noch begegnen können.
• Der Buchstabe k ist im Lateinischen extrem selten und ist gleichwertig mit c.
• Der Buchstabe x kommt in der Tabelle nicht vor, da er nur eine abkürzende Schreibweise für cs ist.
• Die Buchstaben y und z kommen nur in griechischen Fremdwörtern vor und sind daher nicht in die Tabelle eingetragen.
Mehr Informationen zu den Buchstaben findest du unter Alphabet.
Aussprache bestimmter Laute
(1) Konsonanten
• c wurde im klassischen Latein (= Latein von Cicero und Cäsar) in allen Fällen wie k ausgesprochen; z.B.:
÷ Cicerō ['kikɛro:], wie „Kickero“
÷ Caesar ['kae̯sar], wie „Kaißar“
÷ circā (um… herum) ['kirka:], wie „kirka“
• g wurde in den meisten Fällen ähnlich wie deutsches g (aber sehr stimmhaft) gesprochen. Vor Nasalkonsonanten (m, n) war es jedoch ein velares n, Lautschrift: [ŋ], gesprochen wie ng in lang. Z.B.:
÷ magnus (groß) ['maŋnus], wie „mang-nus“
÷ agmen (Marsch) ['aŋmɛn], wie „ang-men“
• qu und gu bestehen aus k und g mit gleichzeitig gesprochenem englischem w. Im Schulunterricht machen wir es uns heute einfach, indem wir qu und gu wie im Deutschen aussprechen.
• s war immer stimmlos, wie deutsches ß; z.B.:
÷ sunt (sie sind) [sunt], wie „ßunt“
÷ causa (Grund) ['kau̯sa], wie „kaußa“
• h wurde nur schwach gesprochen und im Metrum der Gedichte gar nicht berücksichtigt.
• n hat wie im Deutschen zwei Aussprachevarianten: Außer dem gewöhnlichen n gibt es vor velaren und labiovelaren Verschlusslauten (c, g, qu, gu) ein velares n, Lautschrift: [ŋ], gesprochen wie ng in lang. Das g in ng muss im Lateinischen aber immer als Verschlusslaut hörbar bleiben. Z.B.:
÷ concurrere (zusammenlaufen) , wie „kong-kurrere“
÷ ingrātus (undankbar) , wie „ing-gratus“
÷ inquiētus (unruhig) , wie „ing-kui-eh-tus“
÷ unguis (Nagel) ['uŋgwis], wie „ung-guis“
• r wurde mit vibrierender Zungenspitze gesprochen, wie im Italienischen und Spanischen.
(2) Halbvokale (= konsonantische Vokale)
• i wird am Wortanfang, wenn einer der Vokale a, e, o, u (alle lang oder kurz) folgt, wie j ausgesprochen (und in manchen Büchern auch so geschrieben); z.B.:
÷ iam (schon) [i̯am], wie „jamm“
÷ iēcit (er warf) , wie „jehkit“
÷ iocus (Scherz) ['i̯ɔkus], wie „jockus“
÷ iūs (Recht) , wie „juhs“
Ausnahme: In den Formen von īre gehen (mit Perfektstamm iī) ist i- immer Vokal und bildet eine eigenständige Silbe; z.B.:
÷ iēns (gehend) , ähnlich wie „i-ehns“ (Betonung auf dem i)
÷ iērunt (sie gingen) , wie „i-ehrunt“ (Betonung auf dem ē)
÷ ierat (er war gegangen) ['iɛrat], wie „i-erat“ (Betonung auf dem i)
• v wurde gesprochen wie englisches w, war also ein konsonantischer u-ähnlicher Laut. Im Schulunterricht wird er meist zu deutschem w vereinfacht. Z.B.:
÷ vel (oder) [wɛl], ähnlich wie englisch „well“
Beachte: Die Römer selber machten in ihrer Rechtschreibung keinen Unterschied zwischen u und v. In Schönschrift schrieb man nur Großbuchstaben und statt U immer V. In der alltäglichen Schreibschrift wurden die Buchstaben abgerundet, sodass sie ähnlich wie unsere Kleinbuchstaben aussahen. Dabei sahen alle v wie u aus. Heutige wissenschaftliche Ausgaben lateinischer Texte sind oft so geschrieben. Genaueres erfährst du unter Alphabet.
(3) Monophthonge (= einfache Vokale)
Wie im Deutschen gibt es kurze und lange Vokale. Im Lateinischen sind es fünf kurze und fünf lange Vokale:
• Die kurzen werden in der Schrift meistens nicht besonders gekennzeichnet, also:
a, e, i, o, u.
Wenn man sie doch einmal kennzeichnen will, bekommen sie einen Bogen:
ă, ĕ, ĭ, ŏ, ŭ.
• Die langen werden in gewöhnlichen Texten nicht von den kurzen unterschieden:
a, e, i, o, u.
In Wörterbüchern, Grammatiken und Lehrbüchern aber werden sie mit einem
Strich gekennzeichnet:
ā, ē, ī, ō, ū.
Nicht in die Tabelle aufgenommen ist der Vokal y, der wie deutsches ü gesprochen wurde und nur in griechischen Fremdwörtern vorkam. Wenn er kurz ist, kann er einen Bogen bekommen, wenn er lang ist, einen Strich. (Für das y müsste man die Tabelle um eine Spalte erweitern, da es sich um einen Labiopalatal handelt.)
Genaueres und Beispiele findest du unter Monophthong.
(4) Diphthonge (= Zwievokale)
In der klassischen Zeit (= Zeit von Cicero und Cäsar) galten folgende Aussprachen:
• ae: nicht wie ä, sondern a+e, ähnlich wie ai
• oe: nicht wie ö, sondern o+e, ähnlich wie oi
• ei: nicht wie ai, sondern ähnlich wie äi
• eu: nicht wie oi, sondern ähnlich wie ä+u in Matthäus
Genaueres und Beispiele findest du unter Diphthong.