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Andere Bezeichnung:  Betonung

 

Über das Wort „Akzent“

Genus, Betonung:  der Akzent
Plural:  die Akzente
Abkürzung:  Akz.
Herkunft:  von lat. accentus Zugesang, Beiklang  (aus ad zu, beicanere singen)

 

Definition

Unter „Akzent“ (= „Betonung“) versteht man die Hervorhebung einer Silbe durch Verstärkung der Aussprache (= Stärkeakzent) oder Dehnung der Silbe (= Dehnungsakzent) oder durch Veränderung der Tonhöhe (= Intonationsakzent) oder durch eine Kombination aus diesen Mitteln.

 

Funktionen

(1)  Wortakzent
In den meisten Sprachen haben alle Wörter mit Ausnahme kleinerer grammatischer Wörter (Artikel, Präpositionen, Konjunktionen und Ähnliches) einen Wortakzent. Dieser hebt bei jedem Wort eine festgelegte Silbe hervor, um dem Hörer der Sprachäußerung die Erkennung der einzelnen Wörter im Satz zu erleichtern.

(2)  Sinnakzent
Der Sinnakzent dient dazu, Wörter hervorzuheben, die für den Sinn des Satzes besonders wichtig sind. Er besteht in der Verstärkung des Wortakzents der Wörter, die hervorgehoben werden sollen.

(3)  Versakzent
Der Versakzent hebt bestimmte Silben von Versen hervor, um einen spürbaren Rhythmus zu erzeugen.

 

Lateinischer Wortakzent

 

(1)  Wesen des lat. Wortakzents

Der lateinische Wortakzent in der klassischen Zeit kann nicht wie im Italienischen in einer Dehnung der Akzentsilbe oder ihres Vokals bestanden haben, da dann die im Lateinischen wichtige Unterscheidung zwischen langen und kurzen Vokalen gestört worden wäre. Auch eine erhebliche Verstärkung der Silbenaussprache wie im Deutschen kann es nicht gegeben haben, da dies den Rhythmus der lateinischen Verse zerstört hätte, der vom Wortakzent unabhängig ist. Sehr wahrscheinlich also bestand der Wortakzent ähnlich wie im Altgriechischen in einer deutlichen Erhöhung des Silbentons (Intonationsakzent), verbunden mit einer nur geringen Verstärkung der Aussprache. Der Versakzent hingegen wurde als deutlicher Stärkeakzent realisiert, sodass Wortakzent und Versakzent problemlos miteinander ausgesprochen werden konnten, auch dort, wo sie auf verschiedene Silben fielen.

Im Lateinunterricht sprechen wir den lateinischen Wortakzent nach deutscher Weise als Stärkeakzent, der mit leichter Tonerhöhung verbunden ist.

 

(2)  Akzentregeln für den lat. Wortakzent

Wir haben in diesem Abschnitt die betonten Silben unterstrichen.

(a)  Zweisilbige Wörter werden auf der vorletzten (d.h. der ersten) Silbe betont. Z.B.:

÷ caput  Kopf
÷ labor  Arbeit
÷ pāstor  Hirte
÷ cōnsul  Konsul
÷ iūdex  Richter

(b) Wörter mit mehr als zwei Silben werden auf der vorletzten Silbe betont, wenn diese lang ist, ansonsten auf der drittletzten Silbe.
Eine Silbe ist kurz, wenn sie auf einen Kurzvokal endet.
Eine Silbe ist lang, wenn sie auf einen Langvokal (auch Diphthong) oder einen Konsonanten endet.
(Um zu erkennen, ob eine Silbe auf Konsonant endet, muss man die Silben richtig trennen. Die Regeln für die Silbentrennung findest du unter Silbe.)
Beispiele:

÷ animal Tier  >  Silben: a-ni-mal  >  vorletzte Silbe (-ni-) kurz 
   ⇒  Akzent: animal
÷ agricola Bauer  >  Silben:  a-gri-co-la  >  vorletzte Silbe (-co-) kurz 
   ⇒  Akzent: agricola
÷ vīcīnus Nachbar  >  Silben: vī-cī-nus  >  vorletzte Silbe (-cī-) lang 
   ⇒  Akzent: vīcīnus
÷ facinus Tat  >  Silben: fa-ci-nus  >  vorletzte Silbe (-ci-) kurz 
   ⇒  Akzent: facinus
÷ facinoris (Gen.Sg.) der Tat  >  Silben: fa-ci-no-ris  >  vorletzte Silbe (-no-) kurz 
   ⇒  Akzent: facinoris
÷ facinoribus (Abl.Pl.) mit den Taten  >  Silben: fa-ci-no-ri-bus  >  vorletzte Silbe (-ri-) kurz 
   ⇒  Akzent: facinoribus
÷ lībertās Freiheit  >  Silben: lī-ber-tās  >  vorletzte Silbe (-ber-) lang 
   ⇒  Akzent: lībertās
÷ perfectus vollendet  >  Silben: per-fec-tus  >  vorletzte Silbe (-fec-) lang 
   ⇒  Akzent: perfectus
÷ pendēre hängen (= aufgehängt sein)  >  Silben: pen-dē-re  >  vorletzte Silbe (-dē-) lang 
   ⇒  Akzent: pendēre
÷ pendere bezahlen  >  Silben: pen-de-re  >  vorletzte Silbe (-de-) kurz 
   ⇒  Akzent: pendere

(c)  Ein Wort, an das die Konjunktion -que und oder -ve oder angehängt ist, ist immer auf seiner letzten Silbe betont. Z.B.:
÷ deus deaque  der Gott und die Göttin
÷ ea aliave  diese oder andere (Dinge)

 

Deutscher Versakzent

Um die Funktionsweise des lateinischen Versakzents zu verstehen, ist es nötig, dass du dir die Unterschiede zum deutschen Versakzent klarmachst. Wir erinnern daher zuerst an die wichtigsten Fakten zum deutschen Versakzent.

 

(1)  Grundprinzip

Im Deutschen muss der Dichter die Wörter des Verses so wählen und anordnen, dass die Wortakzent-tragenden Silben im Wechsel mit den Silben ohne Wortakzent ein rhythmisches Muster ergeben. Das angestrebte rhythmische Muster nennt man Versschema. Die vom Versschema vorgesehenen Akzentstellen nennt man Versakzente. Die Wortakzente sollen möglichst immer auf die Silben mit den Versakzenten fallen.

 

(2)  Beispiel: Deutscher Jambus  

Ein jambisches Metrum hat im Deutschen das Schema: 
   ✕ ✕́
Darin bedeutet:
   ✕ = Silbe ohne Versakzent,
   ✕́ = Silbe mit Versakzent.

Aus jambischen Metren kann z.B. folgendes zweizeilige jambische Versschema gebaut werden:
   [a]  ✕ ✕́, ✕ ✕́, ✕ ✕́, ✕ ✕́, ✕
   [b]  ✕ ✕́, ✕ ✕́, ✕ ✕́, ✕ ✕́

Beide Zeilen enthalten je vier jambische Metren (hier durch Kommas getrennt). Zeile [a] hat zusätzlich am Ende eine unbetonte Silbe, um die beiden Zeilen voneinander zu unterscheiden, damit das Gedicht nicht zu eintönig klingt. Mit diesem Versschema, sechsmal wiederholt, kann zum Beispiel folgendes Gedicht verfasst werden (aus: Schiller: Das Lied von der Glocke):

÷ (Während das Metall für den Guss einer Glocke erhitzt wird:)
   [1a]  Was ín des Dámmes tíefer Grúbe
   
[1b]  die Hánd mit Féuers Hílfe báut –
   
[2a]  hoch áuf des Túrmes Glóckenstụ́be,
   
[2b]  da wị́rd es vón uns zéugen láut.
  
[3a]  Noch dáuern wị́rd’s in spä́ten Tágen
   
[3b]  und rǘhren víeler Ménschen Óhr
  
[4a]  und wị́rd mit dén Betrǘbten klágen
   
[4b]  und stímmen zú der Ándạcht Chór.
   
[5a]  Was únten tíef dem Érdensọ́hne
  
[5b]  das wéchselndé Verhä́ngnis bríngt,
   
[6a]  das schlạ̈́gt an díe metállne Króne,
   
[6b]  die és erbáulich wéiterklị́ngt.

Zusammengesetzte Wörter und Wörter mit drei oder mehr Silben haben meist nicht nur einen einzigen Wortakzent ( _ ), sondern einen Hauptakzent ( _ ) und einen oder mehrere schwächere Nebenakzente ( . ): [2a] Glóckenstụ́be, [2b] wị́rd … zéugen (zweiteilige Verbform), [3a] dáuern wị́rd (zweiteilige Verbform), [4a] wị́rd … klágen (zweiteilige Verbform), [4b] Ándạcht, [5a] Érdensọ́hne, [6a] schlạ̈́gt an (zweiteilige Verbform, vom Verb „anschlagen“), [6b] wéiterklị́ngt.
Viele einsilbige Wörter haben gar keinen Wortakzent, z.B.: [1a] ín, des.

 

(3)  Regeln für die Position des Versakzents in Bezug auf den Wortakzent

(a)  Versakzent ( ′ ) MUSS stehen:
• auf den Hauptakzenten aller Substantive und aller mehrsilbigen Wörter. 
  Sehr problematisch ist daher [6a] schlạ̈́gt an (zweiteilige Verbform, vom Verb 
  „anschlagen“), wo der Hauptakzent (an) keinen Versakzent hat. Hier war Schiller
  in Versnot.

(b)  Versakzent KANN stehen:
• auf allen einsilbigen Wörtern, auch solchen ohne Wortakzent:
  [1a] ín, [2a] áuf, [4a] dén, [4b], [5a] tíef, [6a] díe, [6b] és;
• auf allen Nebenakzenten, z.B.:
  [2a] Glóckenstụ́be, [2b] wị́rd … zéugen (zweiteilige Verbform); 
• auf Silben ohne Wortakzent, mit Ausnahme von (c); z.B.:
  [5b]  das wéchselndé.

(c)  Versakzent DARF NICHT stehen:
• auf wortakzentlosen Silben, die dem Hauptakzent oder einem unverschiebbaren Nebenakzent desselben Worts benachbart sind. Unverschiebbar sind Nebenakzente, die durch Wortzusammensetzung aus einem Hauptakzent entstanden sind (z.B. auf dem i in Berggịpfel) oder auf einem Suffix liegen, das kein [ǝ, ɐ] enthält (z.B. -ig, -lich, -bar, -ung, -heit, -keit, -schaft, -nis, -ei). Es gehen also z.B. nicht:
÷ *Bérggịpfél, *Wánderụngén, *wúnderbạrés;
aber möglich sind z.B.:
÷ Wánderụ́ngen, Hóffnungén, wúnderbạ́res, schéinbarés, sícherẹré.
Versakzent-unfähige Silben in Versakzent-Position werden vermieden und kommen nur in Notfällen vor, im Jambus vor allem in der zweiten Verssilbe; z.B. (ebenfalls im Jambus im Lied von der Glocke):
÷ „Freiheit und Gléichheit!“ hö́rt man schállen
Hier müsste eigentlich auf die Akzent-unfähige Silbe -heit ein Versakzent fallen.

 

(4)  Verbindung von Versakzent und Wortakzent

Beim Lesen deutscher Verse müssen sowohl alle Wortakzente als auch alle Versakzente als Stärkeakzent gelesen werden, wobei die Wortakzente stärker gesprochen werden als die Versakzente und die wichtigeren Wörter stärkeren Hauptakzent tragen als die weniger wichtigen. Nur Nebenakzente dürfen unterdrückt werden, wenn sie nicht ins Versschema passen.
Normalerweise werden Verse wie 
÷ [6a]  das schlạ̈́gt an díe metállne Króne,
wo die ersten vier aufeinanderfolgenden Silben betont werden müssen, vermieden, da hier der Versrhythmus nicht mehr spürbar ist. Perfekt sind Verse wie [1b], [3a], [3b], wo Versakzente und Wortakzente genau übereinstimmen. Auf der ersten Silbe der Verszeile jedoch haben deutsche Dichter Wortakzent ohne Versakzent zugelassen, wenn die zweite Verssilbe fähig ist, einen Versakzent zu tragen: [1a] Was ín, [2a] hoch áuf, [2b] da wị́rd, [5a] Was únten, [6a] das schlạ̈́gt, [6b] die és

 

Lateinischer Versakzent

 

(1)  Grundprinzip

Im Lateinischen ist der Versakzent ( ′ ) vom Wortakzent ( _ ) unabhängig und fällt mit diesem nur manchmal zufällig zusammen. Der Versrhythmus entsteht hauptsächlich dadurch, dass im Vers in regelmäßigen Abständen lange Silben (= Rhythmussilben) stehen müssen. Da jedoch bei den meisten Versarten die langen Rhythmussilben durch ein Paar von kurzen Silben ersetzt werden dürfen und umgekehrt die zwischen den Rhythmussilben liegenden Silben teilweise auch lang sein dürfen, kann die Silbenlänge nicht das einzige Rhythmusmerkmal gewesen sein. Offenbar erhielten die Rhythmussilben zusätzlich einen leichten Stärkeakzent.

 

(2)  Beispiel: Lateinischer Jambus  

Ein jambisches Metrum hat im Lateinischen verschiedene ähnliche Schemata, von denen wir hier zwei in Beispielsätzen vorführen (mehr unter dem Stichwort Jambus):

(a)  einakzentiger Jambus ohne Auflösungen („reiner Jambus“):
Diese Form des Jambus hat folgendes Metrumsschema:
   ‿   ′  
Dabei bedeutet: 
   ‿  = kurze Silbe (= „Kürze“),  
     ′  ​  = lange Silbe (= „Länge“) mit Versakzent (= Rhythmussilbe).
Durch Wiederholung des Metrums lässt sich z.B. folgendes Versschema bauen (die Metren sind durch Komma getrennt):
   ‿   ′  , ‿   ′  ​, ‿   ′  ​, ‿   ′  ​, ‿   ′  ​, ‿   ′  ​
Ein solches Versschema hat rhythmisch große Ähnlichkeit mit deutschen Jamben (siehe oben). Dem vorstehend angegebenen Schema entsprechen in dem folgenden Gedicht alle Verszeilen genau (Catull 29:1–4; Anfang eines Schmähgedichts auf Mamurra, einen korrupten römischen Beamten in Gallien):

[1]  Quis hóc potést vidḗre, quís potést patī́,
       Wer kann denn das mit ansehn, wer nur hält es aus,
[2]  nis(ī) ímpudī́cus ét vorā́x et ā́leṓ,
       wenn er kein Lüstling, Fresser oder Spieler ist,
[3]  Mamúrr(am) (h)abḗre, quód comā́ta Gálliá
       dass heut’ Mamurra alles hat, was einst gehabt
[4]  habḗbat ánt(e) et últimá Británniá?
       das wilde Gallien und Britanniens fernes Land?

Die nicht mitgesprochenen Laute sind eingeklammert.
In Zeile [1] klaffen Wortakzent ( _ ) und Versakzent ( ′ ) besonders deutlich auseinander: potést … potést patī́, während sie in [3] und [4] zufällig in guter Übereinstimmung sind.
Beachte:  Die letzte Silbe eines Verses gilt immer als lang, da die kleine Pause nach der Verszeile zur Silbe hinzugerechnet wird. Das zeigt sich in [3] und [4], wo die letzte Silbe von Gálliá und Británniá, die bei beiden Wörtern nur aus einem kurzen a besteht, eigentlich kurz sein müsste. Erst dadurch, dass diese letzten Silben als lang gerechnet werden, wird das letzte Metrum zum Jambus.

(b)  einakzentiger Jambus mit Auflösungen (z.B. im jambischen Senar):
Diese Form erlaubt im Vergleich zu (a) den Ersatz der Kürze durch eine Länge und die Auflösung der Längen in zwei Kürzen. Folglich hat dieser Jambus folgendes Metrumsschema:
   ⏕͜  ⏑′⏑
Dabei bedeutet: 
   ⏕͜    =  wahlweise eine kurze Silbe ( ‿ ), eine lange Silbe (       )
               oder zwei kurze Silben ( ‿ ‿ ),
   ⏑′⏑  =  wahlweise eine lange Silbe (       ) mit Versakzent 
               oder zwei kurze Silben ( ‿ ‿ ) mit Versakzent, der beide Silben hervorhebt.
Aus dem Schema ergibt sich, dass der Jambus mit Auflösungen im Vers in sechs verschiedenen Formen erscheinen kann:
   ⏑   ′  
   ⏑⏑   ′  
           ′  
   ⏑ ⏑′⏑
   ⏑⏑ ⏑′⏑
         ⏑′⏑
Es ist offensichtlich, dass bei so vielen Variationsmöglichkeiten der Rhythmus nur dadurch gesichert werden kann, dass der Versakzent als Stärkeakzent gesprochen wird.

Aus jambischen Metren mit Auflösungen kann z.B. folgendes Versschema, ein sogenannter jambischer Senar, gebaut werden:
   ⏕͜  ⏑′⏑ , ⏕͜  ⏑′⏑ , ⏕͜  ⏑′⏑ , ⏕͜  ⏑′⏑ , ⏕͜  ⏑′⏑ , ‿   ′  
Der Senar enthält sechs Metren. Im letzten Metrum sind kein Ersatz der Kürze durch Länge und keine Auflösungen erlaubt. Das dient dazu, den Versschluss deutlich als solchen zu kennzeichnen.

Im jambischen Senar hat z.B. Publilius Syrus Folgendes gedichtet:

÷ Inopī́ benefícium bís dat, quī́ dat céleritér.
   ⏑⏑   ′   , ⏑⏑ ⏑′⏑ ,         ′   ,         ′   ,       ⏑′⏑ , ⏑   ′  
   Wer rasch dem Armen wohltut, tut ihm doppelt wohl.

Mehr über lateinische Jamben einschließlich weiterer Typen jambischer Metren findest du unter Jambus.

 

(3)  Verbindung von Versakzent und Wortakzent

In lateinischen Versen wurden sowohl Versakzent als auch Wortakzent gesprochen. Da der Versakzent ein Stärkeakzent, der Wortakzent aber hauptsächlich ein Intonationsakzent war (siehe oben), konnten beide nicht miteinander in Konflikt geraten. Für den Lateinunterricht wäre diese Originalaussprache aber viel zu schwierig, weil wir im Deutschen keinen reinen Intonationsakzent kennen. Daher verzichten wir in lateinischen Versen auf den lateinischen Wortakzent und sprechen den Versakzent wie einen deutschen Wortakzent aus.


Schlagworte

  • #Aussprache