Soziale Marktwirtschaft, das Wirtschaftssystem in der Bundesrepublik Deutschland.
Das Modell Marktwirtschaft
Eine Marktwirtschaft (freie Verkehrswirtschaft) ist im Unterschied zu einer Planwirtschaft gekennzeichnet durch Privateigentum an Produktionsmitteln und der Abstimmung aller wirtschaftlichen Handlungen durch dezentrale Planung über Märkte. Der Staat setzt die Rahmenbedingungen für das wirtschaftliche Handeln (staatlicher Ordnungsrahmen), greift selbst aber nicht in das Wirtschaftsgeschehen ein. Die Preise für Güter und Dienstleistungen bilden sich nach Angebot und Nachfrage auf Märkten.
Durch diese Steuerung über wirtschaftlichen Wettbewerb auf Märkten soll eine optimale Produktion und Verteilung der Güter und Dienstleistungen gemäß den Wünschen der Verbraucher realisiert werden. Die Marktwirtschaft ist das Wirtschaftssystem in einer (parlamentarischen) Demokratie, wie sie vor allem in westlichen Industrieländern besteht.
Elemente der sozialen Marktwirtschaft
In Westdeutschland setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft durch. Im Gegensatz zur sozialistischen Planwirtschaft und zum ungezügelten Kapitalismus greift hier der Staat in die Wirtschaft ein, um zum einen den wirtschaftlichen Wettbewerb zu garantieren, zum anderen um unsoziale Folgen rein marktwirtschaftlichen Handelns zu verhindern.
Artikel 20 des Grundgesetzes bezeichnet die Bundesrepublik Deutschland als sozialen Rechtsstaat (Sozialstaat). Eine Folge des Verfassungsgebots ist die Sozialgesetzgebung, die das Leben der Bürgerinnen und Bürger sozial absichern sollte, wenn sie nicht aus eigener Kraft für ihren Lebensunterhalt sorgen können (System der sozialen Sicherung mit Arbeitslosen-, Kranken-, Pflege-, Renten- und Unfallversicherung) sowie weiterer Sozialleistungen. Darüber hinaus soll der Staat durch eine aktive Wirtschafts-, Konjunktur- und Steuerpolitik in den Wirtschaftsablauf eingreifen, um negative Entwicklungen einer freien Marktwirtschaft wie Ballung wirtschaftlicher Macht und unsoziale Auswirkungen von Marktprozessen wie Arbeitslosigkeit möglichst zu verhindern.
Ein weiteres wichtiges Element der sozialen Marktwirtschaft ist die Tarifautonomie, das Recht der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, über ihre jeweiligen Verbände, Arbeitsbedingungen und Entlohnung ohne staatliche Eingriffe zu vereinbaren.
Wirtschaftswunder, Wiedervereinigung und Schuldenkrise
Das Prinzip und der Erfolg der sozialen Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland mit materiellem Wohlstand breiter Bevölkerungsschichten und hohem Maß an sozialer Absicherung sind mit dem Namen Ludwig Erhard (*1897, †1977, Bundeskanzler 1963 bis 1966) verbunden. Während seiner Zeit als Wirtschaftsminister (1949 –1963) erlebte die Bundesrepublik einen beispiellosen Wirtschaftsaufschwung (Wirtschaftswunder).
Im Laufe der Jahrzehnte hat sich die soziale Marktwirtschaft verändert. Die betraf vor allem den Umfang der Staatstätigkeit und der staatlichen Eingriffe, um das wirtschaftliche Wachstum zu fördern, in die konjunkturelle Entwicklung einzugreifen und vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit in den 1970er- und 1980er-Jahren im Gefolge der Erdölkrise und besonders nach der Wiedervereinigung zu bekämpfen. Hinzu kamen im Sinne sozialer Gerechtigkeit Maßnahmen der Umverteilungspolitik.
Der Anteil der Staatsausgaben an der Wirtschaftsleistung erhöhte sich von unter 30% zu Zeiten des Wirtschaftswunders bis 1970 auf durchschnittlich rund 45% in den Jahrzehnten danach. Gleichzeitig stiegen die Staatsschulden stark an, besonders nach der Finanzkrise und europäischen Schuldenkrise seit 2007.