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Geboren in in Kamenz (Sachsen) am 22.1.1729, gestorben in Braunschweig am 15.2.1781:

Gotthold Ephraim Lessing, Sohn eines protestantischen Pfarrers, studierte in Meißen von 1746-48 Theologie, anschließend Medizin in Leipzig. Mit Interesse wandte er sich dem Theaterleben zu, v.a. der Truppe um Caroline Neuber, die Lessings erste Lustspiele aufführte (z. B. Der junge Gelehrte, 1747). 1748 ging Lessing nach Berlin, wo er bei der Berlinischen Privilegierten Zeitung arbeitete und Kritiken sowie Lust- und Trauerspiele verfasste. In Berlin begann die lebenslange Freundschaft mit dem Philosophen Moses Mendelssohn und dem Schriftsteller und Verleger Friedrich Nicolai. Nach Lessings Rückkehr nach Leipzig 1755 erschien sein erstes bürgerliches Trauerspiel Miss Sara Sampson. 1758 wieder in Berlin, gab Lessing gemeinsam mit Mendelssohn und Nicolai die Briefe die neueste Literatur betreffend heraus, in denen sie zeitgenössische deutsche Literatur kritisch kommentierten. 1767-69 war Lessing Dramaturg und Kritiker an dem neu gegründeten Hamburgischen Nationaltheater. Ende 1769 nahm er die Berufung als Bibliothekar an die Bibliothek in Wolfenbüttel an.

Porträt von Lessing

Ein großer Aufklärer

Der Dichter, Kunstkritiker und -theoretiker, Philosoph und Religionskritiker Lessing gilt mit seinem Werk als Hauptvertreter und bedeutendster Dramatiker der deutschen Aufklärung. Er trat ein für die aufklärerischen Ideale der Vernunft, Toleranz, Freiheit und Menschlichkeit und kämpfte gegen Vorurteile, Fürstenwillkür und die Bevormundung durch die Kirche. Er wird als literarischer Wegbereiter der Emanzipation des Bürgertums verstanden und gilt als erster moderner deutscher Schriftsteller. Lessing hatte entscheidenden Anteil an der Entstehung und Entwicklung des nationalen, bürgerlichen Dramas und Theaters, der lehrhaften Dichtung (z. B. der Fabel), der öffentlichen literarischen Kritik, der Ästhetik als allgemeiner Kunsttheorie und der Witz-Kultur (Satire, Aphorismus, z.T. auch im Lustspiel). Deshalb galt Lessing bereits seinen Zeitgenossen als Inbegriff des Geistes der aufgeklärten Epoche.

Lessing und die Komödie

Das 1766 entstandene und 1767 im Hamburger Nationaltheater uraufgeführte Lustspiel Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück ist das erste deutsche Lustspiel, das einen aktuellen Stoff (von politischer Brisanz) präsentierte und die Tendenz zum sozialen Wandel darstellte. Das Stück wurde vom Publikum begeistert aufgenommen, nicht zuletzt, weil sich die Zuschauer mit den dargestellten Figuren identifizieren konnten. Lessing erfüllte damit eines seiner wesentlichen Kriterien für das Drama: Der Zuschauer soll durch Mit-Leiden mit den Helden zu Einsicht und Besserung gelangen.

Den Zweck der Komödie formulierte Lessing im 29. Stück seiner Hamburgischen Dramaturgie: Der Nutzen liege im Lachen selbst, in der Einübung der Fähigkeit, das Lächerliche zu bemerken. Der Mensch bessere sich durch das Lachen, nicht jedoch durch Verlachen. Damit wich Lessing von den Forderungen der beiden vorherrschenden Komödientypen, nämlich der sog. sächsischen Typenkomödie, die menschliche Fehler ins Lächerliche zieht und sie dadurch bloßstellt, sowie des weinerlichen Lustspiels, dem es vorwiegend um die Rührung geht, ab. Er fügte beide Formen zu einem neuen Komödientyp zusammen.

Hamburgische Dramaturgie

Im Frühjahr 1767 folgte Lessing dem Angebot, als Dramaturg und Kritiker an das neu gegründete Deutsche Nationaltheater in Hamburg zu kommen. In der Hamburgischen Dramaturgie (1767-69) sammelte Lessing die Theaterkritiken und Schriften zu seiner Theatertheorie, die er in den Hamburger Jahren verfasste.

Lessing wendete sich in den einzelnen Stücken der Hamburgischen Dramaturgie von der höfischen Regeltragödie des Barock und von Johann Christoph Gottscheds Tagödientheorie ab. Zwar hielt auch Lessing wie sein Vorgänger grundsätzlich daran fest, dass das Theater nach aufklärerischen Grundsätzen erneuert werden müsse. Aber Gottsched löste nach Lessings Auffassung den eigenen Anspruch nicht ein und verhinderte v.a. durch die zu enge Bindung an die Tragödie der französischen Klassik und ihre Regelpoetik die fruchtbare Anregung durch die Engländer und ihre dramatisches Genie William Shakespeare. Darüber hinaus ist die Hamburgische Dramaturgie in weiten Teilen eine Auseinandersetzung mit der Poetik des Aristoteles. Im Mittelpunkt dieser Auseinandersetzung steht Lessings Interpretation des aristotelischen Satzes, die Tragödie bewerkstellige "mithilfe von Mitleid und Furcht eine Reinigung von ebendiesen Affekten". Üblicherweise wurde zu dieser Zeit der Begriff "phobos", der neben "eleos" zentral ist für die Tragödientheorie des Aristoteles, mit Schrecken übersetzt. In der Hamburgischen Dramaturgie (73.-78. Stück) ordnete Lessing nun aber den Begriff "eleos" (Mitleid) dem Begriff "phobos", den er mit "Furcht" übersetzte, unter und schuf somit eine eigene Interpretation:

 

Man hat ihn [Aristoteles] falsch verstanden, falsch übersetzt. Er spricht von Mitleid und Furcht, nicht von Mitleid und Schrecken; und seine Furcht, welche uns das bevorstehende Übel eines andern, für diesen andern, erweckt, sondern es ist die Furcht, welche aus unserer Ähnlichkeit mit der leidenden Person für uns selbst entspringt; [...] es ist die Furcht, dass wir der bemitleidete Gegenstand selbst werden können. Mit einem Worte: diese Furcht ist das auf uns selbst bezogene Mitleid.

(Hamburgische Dramaturgie, 75. Stück)

Die aristotelische Katharsis deutete Lessing dann um im Sinne einer moralischen Läuterung. Die "Reinigung" beruhte in nichts anderem "als in der Verwandlung der Leidenschaften in tugendhafte Fertigkeiten" und ist nicht mehr nur eine Befreiung von den Erregungszuständen "Jammer" und "Schaudern". Aus dieser Auffassung der Katharsis ergab sich für Lessing auch die Forderung nach "gemischten Charakteren". Nicht mehr beispielhafte Moralität und gefühlslose Wohlanständigkeit sollten die tragischen Figuren kennzeichnen, sondern ein psychologisch motivierter gemischter Charakter, mit dem sich die Zuschauer identifizieren können, Helden "mit uns von gleichem Schrot und Korn". Das dargestellte Menschenbild soll gleichzeitig die Grundgedanken der Aufklärung widerspiegeln, mit dem Glauben an die Fähigkeit des Menschen, seiner Vernunft gemäß zu handeln.

Bis ins 19. Jahrhundert hinein blieb Lessings dramaturgisches Konzept wegweisend für die deutsche Dramatik.

Das bürgerliche Trauerspiel als neuer Dramentyp

Mit dem bürgerlichen Trauerspiel Emilia Galotti, das 1772 im Braunschweiger Hoftheater uraufgeführt wurde, vollendete Lessing die jahrelange Beschäftigung mit dem antiken Motiv der Virginia, die von ihrem eigenen Vater getötet wird, weil er sie nur so vor den Nachstellungen eines Höhergestellten bewahren kann. Das Drama kritisiert zum einen die willkürliche Machtausübung eines absolutistischen Herrschers, zum anderen den bürgerlichen Anspruch der makellosen Tugend, die nur noch mit dem Verlust des Lebens erhalten werden kann. Zusammen mit Miss Sara Sampson (1755) begründete Emilia Galotti die neue Form des bürgerlichen Trauerspiels.

Die Forderung nach Toleranz: Nathan der Weise

Das 1779 erschienene dramatische Gedicht Nathan der Weise entstand im Zusammenhang mit einem Streit, den Lessing mit dem Hamburger Hauptpastor Johann Melchior Goeze in den Jahren 1777/78 führte. Der Konflikt betraf religiöse Fragen, die in öffentlichen Streitschriften endeten, bis Lessings Veröffentlichungen durch die Zensur des Braunschweiger Herzogs verboten wurden. Daraufhin verfolgte Lessing die Kernpunkte des Streites, den religiösen Dogmatismus und die Intoleranz, in einem Drama weiter.

Er arbeitete einen eigenen alten Schauspielentwurf zum Nathan aus und entwarf dort sein Ideal von einer toleranten, harmonischen, vom Humanitätsgedanken geprägten Gesellschaftsordnung. Kernstück des Dramas bildet die Ringparabel (3. Aufzug, 7. Auftritt), die auf eine Geschichte aus Giovanni Boccaccios Das Dekameron (um 1350) zurückgeht. Ein Ring, dessen Stein die geheime Kraft besitzt, "vor Gott und den Menschen angenehm zu machen", wird über Generationen hinweg immer vom Vater auf den Lieblingssohn vererbt, bis schließlich ein Vater sich außerstande sieht, einem seiner drei Söhne den Vorzug zu geben, und daher zwei weitere, mit dem ersten Ring völlig identische Ringe anfertigen lässt. Die Frage der drei Brüder, welcher Ring der echte sei, wird von dem klugen Richter mit der Forderung nach einem von Toleranz geprägten Handeln beantwortet:

 

Wohlan! Es eifre jeder seiner unbestochnen
Von Vorurteilen freien Liebe nach!
Es strebe von euch jeder um die Wette,
Die Kraft des Steins in seinem Ring' an Tag
Zu legen!

Lessing relativierte in seinem Stück den Absolutheitsanspruch der Religionen und zeigte, ganz im Sinne der Aufklärung, wie der vorbildliche Gebrauch der Vernunft alle Leidenschaften überwinden kann. Lessing verstand Aufklärung als unendlichen Erziehungs- und Vervollkommnungsprozess des einzelnen Menschen und der gesamten Menschheit, wie er es auch in seiner Schrift "Die Erziehung des Menschengeschlechts" (1777) darlegte. Als Ziel dieser Erziehung durch Vernunft und Toleranz sah es Lessing, den Menschen dahin zu bringen, dass er "das Gute tun wird, weil es das Gute ist".


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