Geboren in Griffen (Österreich) am 6.12.1942:
Handke wurde als Sohn eines deutschen Soldaten und einer Österreicherin geboren. 1961 begann er in Graz ein Jurastudium, das er 1965 abbrach. Er lebte nach verschiedenen Reisen und Auslandsaufenthalten in Salzburg, bis er sich 1989 in Frankreich niederließ.
Neue Sprache
In seinem gesamten Werk thematisiert Handke die Schwierigkeit des Einzelnen, die Außenwelt für sich erfahrbar zu machen. In seinen frühen Texten und Schauspielen stand dabei die Sprache als gestörtes Kommunikationsmittel, das eine Kommunikation außerhalb der Konvention verhindert, im Zentrum. So richtet sich das Stück Publikumsbeschimpfung (1966) mit einer Fülle aggressiver Sprachprovokationen gegen die Erwartungen des Publikums an ein traditionelles Bühnengeschehen. Das Stück Kaspar (1967) greift das Kaspar-Hauser-Thema auf und zeigt die Bestimmung des Menschen durch Sprache, die zwar Orientierung in der Wirklichkeit, aber auch gesellschaftliche Bindung bedeutet. Dies wurde in der Pantomime Das Mündel will Vormund sein (1969) erweitert und programmatisch abgehandelt in dem Prosatext Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt (1969). 1970 erschien die Erzählung Die Angst des Tormanns beim Elfmeter, in der die Hauptfigur daran scheitert, mit der ihr zur Verfügung stehenden Sprache die Wirklichkeit zu erfassen.
Neues Sehen
Mit den Texten der 1970er-Jahre begann eine Auseinandersetzung mit Erzählern des 19. Jahrhunderts wie Gottfried Keller, Adalbert Stifter, aber auch Goethe. In der Erzählung Der kurze Brief zum langen Abschied (1972) ist parallel zu einer Reise in den USA die Lektüre von Gottfried Kellers Roman Der Grüne Heinrich (1854/55) angeordnet. Alles Sehen stellt sich als ein Wiedersehen heraus, und der Autor fordert neben einem neuen Sprechen nun auch ein neues Sehen ein, ja eigentlich eine Existenz, die unvergleichlich ist und keine Vorläufer hat. Eine ähnliche Problematik verarbeiteten die Erzählungen Die Stunde der wahren Empfindung (1975) und Die linkshändige Frau (1976).
Subjektive Weltsicht
Das von ihm als gespannt empfundene Verhältnis von Innenwelt und Außenwelt veranlasste Handke in den folgenden 20 Jahren, sich verstärkt einer idealistischen Weltsicht zuzuwenden, in der das Subjekt die Außenwelt bestimmt. Erzähltechnisch verzichtete er zunehmen auf einen linearen Erzählzusammenhang und bevorzugte die detaillierte Beschreibung des Sichtbaren, aus der heraus die unentdeckten Geheimnisse der Dinge sich auch dem Leser offenbaren können, so in den Erzählungen Langsame Heimkehr (1979) und Don Juan (erzählt von ihm selbst) (2004) sowie den Romanen Mein Jahr in der Niemandsbucht (1994) und Der Bildverlust oder Durch die Sierra de Gredos (2002). In dem an die frühen Provokationen der Publikumsbeschimpfung anknüpfenden Stück Untertagblues (2004) sucht der Protagonist seine Individualität in der sprachlich aggressiven Abgrenzung von der Außenwelt.
Heftik diskutiert wurden Handkes Schriften und Äußerungen zu den Kriegen auf dem Balkan in den 1990er-Jahren, z. B. seine Serbien-Reiseberichte (1996), in denen er eine proserbische Haltung einnimmt. Er kritisiert aber auch die als einseitig empfundene westliche Kriegsberichterstattung. In dem Drama Die Fahrt im Einbaum oder Das Stück zum Film vom Krieg (1999) werden die westlichen Journalisten z. B. als Kadaverschweine oder Humanitätshyänen bezeichnet.