Ein Kriegerdenkmal untersuchen
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Politische Reden vergleichen
Schritt-für-Schritt-Anleitung
Aufgabe
Vergleiche die beiden politischen Reden.
M1: Rede von von Bülow im Jahre 1897Der Herr Reichskanzler ist nicht der Mann, und seine Mitarbeiter sind nicht die Leute, irgendein unnütze Händel zu suchen. Wir empfinden auch durchaus nicht das Bedürfnis, unsere Finger in jeden Topf zu stecken. Aber allerdings sind wir der Ansicht, dass es sich nicht empfiehlt, Deutschland in zukunftsreichen Ländern von vornherein auszuschließen vom Mitbewerb anderer Völker. […] Die Zeiten, wo der Deutsche dem einen seiner Nachbarn die Erde überließ, dem anderen das Meer und sich selbst den Himmel reserviert, wo die reine Doktrin thront […] – diese Zeiten sich vorüber. Wir betrachten es als eine unserer vornehmsten Aufgaben, gerade in Ostasien die Interessen unserer Schifffahrt, unseres Handels und unserer Industrie zu fördern und zu pflegen. […] Wir müssen verlangen, dass der deutsche Missionär und der deutsche Unternehmer, die deutschen Waren, die deutsche Flagge und das deutsche Schiff in China geradeso geachtet werden, wie diejenigen anderer Mächte. […] Wir sind endlich gern bereit, in Ostasien den Interessen anderer Großmächte Rechnung zu tragen, in der sicheren Voraussicht, dass unsere eigenen Interessen gleichfalls die ihnen gebührende Würdigung finden. […] Mit einem Worte: Wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne. […] In Ostasien wie in Westindien werden wir bestrebt sein, getreu den Überlieferungen der deutschen Politik, ohne unnötige Schärfe, aber auch ohne Schwäche unsere Rechte und unsere Interessen zu wahren.
Gehalten in der Reichstagsdebatte am 6. Dezember 1897, Quelle: Bülow, Heinrich Martin Karl Graf von: Auszug aus seiner Rede im Reichstag zu Deutschlands “Platz an der Sonne”, Berlin, 06.12.1897
M2: Auszug aus einer Rede Bernhard von Bülows im Reichstag am 11. Dezember 1899
Das musst du wissen
Politische Reden sind wichtige historische Quellen. Ihre Funktion ist heute wie in der Vergangenheit dieselbe: Politiker erklären in ihren Reden der Öffentlichkeit ihre Ziele und werben um Unterstützung dafür. Eine Rede soll die Zuhörer überzeugen und beeinflussen, sodass sie zum Beispiel für ein neues Gesetz stimmen oder ihre Stimme einer bestimmten Partei geben.
Politische Reden werden von den Medien verbreitet. Eine Rede erreicht daher meist viel mehr Menschen als die anwesenden Zuhörer.
Die meisten Reden werden nicht spontan gehalten. Ihr Aufbau und ihre Gestaltung sind bewusst gewählt. Um die Überzeugungskraft ihrer Rede zu verstärken, setzen die Rednerinnen und Redner oft rhetorische, also sprachliche Mittel ein.
Im Unterricht können dir Reden als Tondokumente oder in Form eines Redeprotokolls begegnen. Im Unterschied zu anderen schriftlichen Quellen enthält ein Redeprotokoll oft kursiv gedruckt die Reaktionen der Zuhörer. Sie können wichtige Hinweise geben, wie die Rede beim Publikum ankam.
Schritt 1: Formuliere eine Leitfrage, wenn sie dir nicht vorgegeben wird
Beispiel: Da beide Reden von von Bülow stammen, könnte die Leitfrage hier lauten:
Welche außenpolitischen Mittel sind nötig, damit das Deutsche Kaiserreich Kolonien in Übersee erlangen kann?
Schritt 2: Beschreibe die formalen Merkmale der Reden
Zu den formalen Merkmalen gehören Informationen über die Person des Redners, die Redesituationen, die Art der Reden, das Thema. Diese Informationen findest du meist in kurzen Einleitungstexten. Überfliege aber auch die Reden selbst und verschaffe dir einen ersten Überblick über die Inhalte.
Die Beschreibung der Redesituation bildet die Einleitung deiner Redeanalyse.
Für beide Reden stellst du dir folgende Fragen:
Folgende Fragen können dir helfen:
• Wer ist der Redner oder die Rednerin?
• Wann und wo wurde die Rede gehalten?
• Um welche Redegattung handelt es sich (z. B. Parlaments-, Wahlkampf-, Parteitags-, Festrede, Plädoyer vor Gericht)?
• An wen ist die Rede gerichtet?
• Was ist das Thema der Rede?
• In welchem Kontext wurde die Rede gehalten?
Beispiel:
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Bernhard von Bülow, sprach im Reichstag am 06. Dezember 1897 und am 11. Dezember 1899 über die Außenpolitik des Kaiserreichs. Du könntest hier schreiben:
M1 liegt zeitlich vor M2. Von Bülow beschrieb hier seine Idee für eine koloniale Ausbreitung des Deutschen Kaiserreiches. Er versuchte Volksvertreter im Parlament und auch die deutsche Bevölkerung zu erreichen und zu überzeugen, um das Deutsche Kaiserreich als Kolonialmacht auszurichten. In seiner zwei Jahre später gehaltenen Rede griff von Bülow das Thema wieder auf und warb für die Aufrüstung der Flotte. Er hielt die Rede ebenfalls vor Volksvertretern im Parlament, das über die Gesetzesvorlage abstimmen musste. Er wollte damit aber auch die deutsche Bevölkerung erreichen und überzeugen. Bülow war zum Zeitpunkt der Rede schon seit 20 Jahren Staatssekretär des Äußeren. Dieses Amt entspricht dem Außenminister heute. Ein Jahr nach der zweiten Rede wurde er Reichskanzler unter Kaiser Wilhelm II.
Schritt 3: Analysiere den Inhalt der Rede
Die Arbeitsschritte 3 und 4 bilden den Hauptteil deiner Analyse. Fasse die Hauptaussagen der Reden in eigenen Worten zusammen. Hier kann es hilfreich sein, Schlüsselbegriffe zu markieren und die Reden in einzelne Sinnabschnitte zu untergliedern. Belege deine Aussagen stets am Text und achte auch darauf, dass die Meinung des Redners nicht als objektive Tatsache erscheint.
Arbeite auch heraus, welche sprachlichen Gestaltungsmittel der Redner einsetzt, um sein Publikum zu überzeugen. Hier kannst du deine Kenntnisse aus dem Deutschunterricht mit einbeziehen.
Tipp:
Wenn du die Gelegenheit hast, die Rede zu hören, achte auf die Artikulation: Was betont der Redner besonders stark? Wo macht er Pausen, um seine Worte nachwirken zu lassen? Wo hebt oder senkt er die Stimme, sodass seine Worte dramatisch wirken?
Folgende Fragen können dir bei der inhaltlichen Analyse helfen:
• Wie sind die Reden aufgebaut?
• Welche Aussagen müssen erläutert werden?
• Inwiefern wird in den Reden aufeinander Bezug genommen?
• Mithilfe welcher Kriterien lassen sich die Quellen vergleichen? (Z. B.: Welche Absicht verfolgte von Bülow? Wie war die damalige Situation? Wofür steht von Bülow?)
Beispiel:
M1: Von Bülow beschreibt am Anfang den Ist-Zustand, so wie er ihn sieht. Das Deutsche Kaiserreich will keine internationalen Spannungen (Zeile 1 und 2).
Dann stellt von Bülow seine Pläne vor: Er ist der Ansicht, dass das Kaiserreich schnell handeln muss, um mögliche Kolonien vor anderen Ländern zu besetzten. Er erklärt, welche Absichten das Kaiserreich hat (Industrie, Handel, Schifffahrt fördern und pflegen) und in welchen Regionen das geschehen soll (z. B. Ostasien und China, Zeile 3–11).
Im kommenden Teil der Rede fällt dann die weltberühmte und bis heute bekannte Aussage: „Wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne.“ Dieser Satz steht wie kein anderer für die außenpolitischen Bestrebungen des Kaiserreiches und fasst die Ziele, Absichten, Interessen und die kaiserliche Politik in nur einer Aussage zusammen. Mit dem Platz an der Sonne sind Kolonien in Übersee weltweit gemeint.
Im letzten Abschnitt verweist von Bülow wiederum darauf, dass das Kaiserreich dieses Ziel (Platz an der Sonne) so gewaltlos wie möglich erreichen wolle, allerdings auch keine Schwäche zeigen wird, wenn es darum geht, Kolonien zu erschließen.
M2: Bernhard von Bülow beschreibt am Anfang des Redeauszugs, wie sich die europäischen Großmächte Großbritannien, Frankreich und Russland im 19. Jahrhundert immer weiter vergrößert und Kolonien erworben haben (Zeile 1–4).
Dann erklärt von Bülow, wie er die Situation des Kaiserreichs sieht. Er beruft sich auf den englischen Premierminister und zitiert ihn mit den Worten, dass „starke Staaten immer stärker“ würden, schwache Staaten dagegen immer schwächer. Mit diesem Zitat leitet er seinen Appell ein, dass das Kaiserreich sich unter den anderen Staaten behaupten und auch Weltpolitik betreiben solle. Er vergleicht die Welt mit einem Kuchen, von dem Deutschland auch einen Teil abbekommen sollte (Z. 5 f.).
Im nächsten Absatz begründet von Bülow, warum sich das Kaiserreich ausdehnen und Weltpolitik betreiben sollte. Er argumentiert mit der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands und dem Bevölkerungswachstum. Seine Aufzählung schmückt er mit ausdrucksstarken Adjektiven wie „rapide“, „beispiellos“, „gewaltig“ (Z. 13 f.) aus, um seiner Argumentation Nachdruck zu verleihen.
Von Bülow spricht von „wir“ und „uns“ (Z. 13 f.) und meint damit das Kaiserreich unter Wilhelm II. Mit diesem „wir“ vereinnahmt er sein Publikum. Es wirkt, als würde von Bülow für alle Deutschen sprechen, obwohl er ja die Interessen seiner Regierung vertritt. Am Ende des Absatzes erklärt er, dass die Expansion friedlich erfolgen solle, durch den Ausbau der Handelsstützpunkte.
Im nächsten Absatz jedoch erklärt der Staatssekretär des Äußeren, dass eine starke Flotte und ein starkes Heer die Voraussetzungen dafür seien. Nur so könne das deutsche Kaiserreich seine Interessen in der Welt durchsetzen (Z. 22 ff.). Hier wird nun klar, was Bülow mit seiner Rede erreichen möchte: die Aufrüstung des Heeres und vor allem der Flotte.
Das Bild vom Hammer und Amboss (Z. 29), mit dem Bülow am Ende die Lage Deutschlands vergleicht, wirkt wie eine Drohung. Hammer und Amboss sind Werkzeuge eines Schmieds. Von Bülow stellt das Kaiserreich vor die Wahl: Es kann selbst der Hammer sein, der das Eisen schmiedet – oder das Land wird zum Amboss, auf den der Schmiedehammer niedersaust.
Vergleich:
Um M1 und M2 zu vergleichen und die Leitfrage zu beantworten, ist der nächste
Schritt 4: Ordne die Rede in den historischen Kontext ein
Damit du die Rede richtig deuten und die Absicht des Redners verstehen kannst, musst du sie in den historischen Kontext einordnen. Hier musst du dein Vorwissen über die Epoche und die politische Lage einbeziehen. Je mehr du über die Situation weißt, in der die Rede gehalten wurde, desto besser kannst du einschätzen, an wen die Rede aus welchem Grund welche Botschaft senden sollte.
Beispiel:
Nach der Entlassung von Reichskanzler Bismarck im Jahr 1890 hatte sich die deutsche Außenpolitik stark verändert. Bismarck hatte viel Wert auf Bündnisse mit anderen Staaten gelegt. Kaiser Wilhelm II. wollte Kolonien erwerben, Weltpolitik betreiben und die Flotte ausbauen. Das führte natürlich zu Konflikten mit den anderen europäischen Staaten. Bernhard von Bülow unterstützte die Politik Wilhelms II. Seine Außenpolitik zielte auf Expansion (Ausdehnung). Während Bismarck durch verschiedene Bündnisse den Ausgleich gesucht hatte, nahmen Wilhelm II. und von Bülow Spannungen in Kauf, um auch „einen Platz an der Sonne“ zu bekommen, wie von Bülow es in seiner Rede im Reichstag 1897 formulierte. Mit der zweiten Rede wollte von Bülow dann die Gelder bewilligt bekommen, die für die Vergrößerung der deutschen Flotte nötig war. Die Flotte sollte dann in der Lage sein, die Gebiete in Ostasien und anderswo auf dem Globus zu erobern. Für den Flottenausbau musste der Reichstag die Finanzierung bewilligen.
In beiden Reden vertritt von Bülow die gleichen Ansichten. Offensichtlich war seine erste Rede erfolgreich, denn mit der zweiten Rede ging es nicht mehr um die eigentliche außenpolitische Richtung (diese scheinen alle mitzutragen), sondern um die konkrete Finanzierung, damit diese Ziele (Kolonien / der Platz an der Sonne) erreicht werden konnten.
Schritt 5: Beurteile die Rede
Die Beurteilung der Rede erfolgt in zwei Schritten. Versuche zuerst, dich in die Rolle der Zeitgenossen zu versetzen. Fasse die politische Haltung des Redners zusammen und erläutere, welche Wirkung die Rede wohl auf die Zuhörerinnen und Zuhörer hatte. Beziehe hier dein Vorwissen ein. Außerdem können dir die kursiv gedruckten Zuschauerreaktionen wichtige Hinweise geben. Dann beurteilst du, ob die Argumentation nachvollziehbar ist.
Am Schluss kannst du aus heutiger Sicht beurteilen, welche kurzfristigen und langfristigen Folgen die Rede hatte bzw. wie die in ihr formulierten Wertvorstellungen zu bewerten sind.
Fragen, die dir helfen können:
• Wie würden die Redner, hier der eine Redner, die aufgestellte Leitfrage beantworten?
• Wie überzeugend sind die Aussagen? Gibt es Unterschiede?
• Zu welcher Bewertung der Leitfrage kommst du? – Fälle dein historisches Urteil!
Beispiel:
Die Leitfrage: Welche außenpolitischen Mittel sind nötig, damit das Deutsche Kaiserreich Kolonien in Übersee erlangen kann? beantwortet von Bülow sehr klar: Das Kaiserreich muss seine außenpolitischen Ziele (Ausdehnung, Expansion) auch gegen andere Staaten und Nationen durchsetzen. Um Kolonien zu erwerben, muss das Kaiserreich aufrüsten. Dazu ist in von Bülows Augen eine starke Flotte nötig.
Die Aussagen von Bülows erscheinen vordergründig sehr überzeugend. Er beschreibt die Ziele und unterstreicht, dass die Politik des Kaiserreiches sich nicht gegen andere Staaten, die auch Kolonien habe wollen oder schon haben, richtet. Er stellt in seiner zweiten Rede die Aufrüstung Deutschlands als notwendig dar. Er verschweigt, dass sich der Ausbau der Flotte gegen England richtet. Mithilfe einer starken Flotte wolle man England zum Nachgeben gegenüber deutschen Forderungen zwingen.
Sein Ziel erreichte von Bülow. Obwohl das Redeprotokoll der zweiten Rede viel Beifall festhält, kam auch Widerspruch von den politisch links sitzenden Parteien. Links der Mitte saßen im Reichstag die Abgeordneten des Zentrums, der SPD und unabhängige Parlamentarier. Die Gesetzesvorlage für den Ausbau der Flotte wurde aber einige Monate später im Parlament verabschiedet, sodass der Aufrüstung nichts mehr im Wege stand.
Der Inhalt der Rede zeigt deutlich den Kurswechsel in der deutschen Außenpolitik nach der Entlassung Bismarcks 1890. Von Bülow wollte auch Signale ans Ausland senden und das Selbstbewusstsein der Deutschen demonstrieren.
Ich bewerte die Frage aus heutiger Sicht anders. Denn heute weiß man, dass das Wettrüsten in Europa und die deutsche Politik der Konfrontation 15 Jahre später zu einer großen Katastrophe führten: zum Ersten Weltkrieg. Das Deutsche Kaiserreich hätte vermutlich am besten gar keine Kolonien besetzt und somit die anderen europäischen Nationen nicht gegen sich aufgebracht. Eine Aufrüstung zur Durchsetzung der Ziele wäre dann auch nicht nötig gewesen. Allerdings kam es – auch aufgrund der Persönlichkeit Kaiser Wilhelms II – anders. Die Herrschenden in Deutschland wollten ihre wirtschaftliche und politische Stärke, die das Kaiserreich zu jener Zeit hatte, auch international durchsetzen. Dazu war ihnen jedes Mittel – auch der Krieg – recht.
Perspektiven von Zeitzeugen untersuchen
Schritt-für-Schritt-Anleitung
Aufgabe
Untersuche die Perspektive der Zeitzeugin.
Das musst du wissen
Aussagen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen bieten im Unterricht spannende persönliche Einblicke in historische Ereignisse; auch ihre Aussagen sind Quellen. Wichtig ist nur, dass die Perspektive eines solchen Zeugen oder einer solchen Zeugin bei der Bewertung der Aussagekraft mit einbezogen wird.
Wie du die Perspektive einer solchen Quelle untersuchst, erfährst du Schritt für Schritt hier.
Schritt 1: Perspektive erfragen
Um die Perspektive zu erfragen, kannst du dich an folgenden Fragen orientieren:
Wer erinnert sich?
Was ist über die Person bekannt?
Wann wird sich erinnert?
Wie viel Zeit liegt zwischen dem Ereignis und dem Interview?
Wie alt war die Person zur Zeit des historischen Ereignisses?
Mit der Beantwortung dieser Fragen hast du nun schon viele Informationen gesammelt, die du in einem beschreibenden Text zusammenfassen kannst.
Beispiel:
Bei dem vorliegenden Zeitzeugenbericht handelt es sich um die Aussage einer Frau, die als Kind den Mauerfall 1989 miterlebt hat. Der Mauerfall liegt inzwischen schon 35 Jahre zurück, aber die Erinnerungen scheinen noch sehr präsent zu sein. Über die Zeitzeugin ist nicht viel bekannt, wir wissen auch nicht, warum sie diesen Bericht verfasst hat. Es kann allerdings abgelesen werden, dass sie in Westdeutschland gelebt hat, da sie von einem Festnetztelefonanschluss berichtet und von einem Fernseher. Beides sind technische Geräte, die in der DDR nur wenigen Menschen zur Verfügung standen. Die meisten Menschen in der DDR hatten kein privates Telefon.
Schritt 2: Inhalt und historische Einordnung
Um die Aussage historisch einzuordnen, kannst du folgenden Fragen nachgehen:
Woran erinnert sich die Zeitzeugin auf persönlicher, politischer und gesellschaftlicher Ebene?
Auf welche bekannten historischen Ereignisse bezieht sich die Aussage?
Beispiel:
Die Zeitzeugin berichtet auf allen Ebenen von großen Aufregungen, die sich sowohl bei ihr in der Familie, also auch im Bekanntenkreis der Eltern, als auch bei den politisch aktiven Personen und im TV zeigte. Ihr Vater sprach sogar davon, dass hier gerade Geschichte passieren würde. – Es handelt sich bei dem Ereignis um dem 09. November 1989. Der Abend, an dem das DDR-Regime die Grenzen zu Westdeutschland für seine Bürgerinnen und Bürger öffnete. Die Menschen in der DDR hatten zuvor wochenlang für ihre Menschen- und Bürgerrechte protestiert und ihre Gesundheit und ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um z. B. ihre Meinung frei äußern oder das Land verlassen zu dürfen.
Die Ereignisse im TV, auf die sich die Zeugin bezieht, sind als die historische Pressekonferenz in die Geschichte eingegangen. Auf dieser Pressekonferenz erklärte G. Scharbowski, der damalige DDR-Sekretär für Informationswesen, Reiseerleichterungen für die Menschen in der DDR. Die Reaktionen darauf waren überwältigend. Die Menschen drängten zu den Grenzübergängen und nach Westen. Die Grenzer der DDR konnten dem Druck nicht standhalten und mussten die Übergänge öffnen und die Menschen passieren lassen.
Schritt 3: Bewertung
Nun kommst du zu dem Schritt, in dem du die Aussagekraft und den Erkenntniswert der Aussage beurteilst.
Die Leitfragen hier lauten:
Worin liegt die Aussagekraft und der Erkenntnisgewinn des Berichtes?
Welche Informationen sollten überprüft werden?
Welche Fragen bleiben offen?
Beispiel:
Obwohl der Bericht der Zeitzeugin Lina subjektiv ist, deckt er sich mit dem, was heute im Geschichtsunterricht vermittelt wird. Es kann daraus geschlossen werden, dass die historischen Ereignisse wirklich total überstürzt und spontan abliefen: die Liveschaltungen des TV-Senders, die Aufregung im Elternhaus, die Bilder der Menschen, die sich so sehr freuten – alles spricht dafür, dass der Mauerfall ungeplant und ein spontanes Ereignis war. Diese Informationen müssen eigentlich nicht überprüft werden. Auch dass es diese berühmte Pressekonferenz gab, ist historisch gesichert.
Durch die Schilderungen von Lisa lässt sich gut verstehen, wie unwirklich und unerwartet die Entwicklungen waren. Das Lisa vermutlich in Westdeutschland gelebt hat und sie dennoch von ihrer Mutter mit ihrer jüngeren Schwester (die vermutlich noch weniger begriff, was vor sich ging) vor den Fernseher gerufen wurde, zeigt, welche große Bedeutung das Ereignis für alle Menschen in Deutschland hatte. Auch wenn Lisa und ihre Schwester zunächst nicht genau verstanden, was sie da sahen und worum es ging: Die Anrufe, das hektische Treiben im Elternhaus, die Liveberichterstattung im TV – die Beschreibungen unterstreichen die große Aussagekraft der Erzählung. Der Erkenntniswert für mich liegt darin, dass alle Deutschen das Ereignis begrüßt haben, es für alle unerwartet kam und niemand damit gerechnet hatte. Das war mir vorher so nicht klar.
Eigentlich bleiben keine Fragen offen, denn die Aussage passt gut zu dem, was ich bereits aus den Geschichtsbüchern und von Erzählungen meiner Familie kenne. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Lisa die Informationen bewusst falsch streut oder lügt. Sie war damals noch ein Mädchen, es gab und gibt keinen Grund für sie, die Erzählungen zu verfälschen.
Zusammenfassung:
Alle diese Informationen fließen in deinen Text ein, wenn du die Perspektive eines Zeitzeugen oder einer Zeitzeugin untersuchst. Mit Zeugenaussagen ist immer kritisch umzugehen, daher ist es wichtig, dass du dir all diese Fragen stellst und sie, so gut es geht, beantwortest. Nur dann kann der Bericht eines Zeitzeugen oder einer Zeitzeugin als authentische historische Quelle genutzt werden.
Wie Du ein Experteninterview analysierst.
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