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Wie du Karikaturen analysierst

Schritt-für-Schritt-Anleitung

Aufgabe

Interpretiere die Karikatur.

 

Unbekannter Zeichner (Initialen: M.P.): Troisordres, Der dritte Stand
Unbekannter Zeichner (Initialen: M.P.): Troisordres, Der dritte Stand, „A faut esperer q’eu.s jeu la finira bentot“, 1789

„Man muss hoffen, dass dieses Spiel bald ein Ende hat.“ Karikatur, anonymer Zeichner, 1789.

Hinweise:

Auf dem Säbel steht (auf Französisch): gerötet vom Blut.

Auf der Hacke steht: mit Tränen getränkt.

Auf den Zetteln werden u. a. Steuern, Dienste und Abgaben genannt.

Rebhühner und Hasen: verweisen auf das Jagdverbot des dritten Standes.

Unten rechts stehen die Anfangsbuchstaben des Zeichners und seine Herkunft: vom Land.

Das musst du wissen

Karikaturen sind ganz besondere Bildquellen. Der Zeichner (Karikaturist) kritisiert die gesellschaftliche oder politische Situation, indem er menschliche Verhaltensweisen, Regeln oder Vorschriften verzerrt und übertrieben darstellt und sie damit lächerlich macht. Karikaturen beziehen sich immer auf reale Ereignisse oder Personen. Sie vermitteln dir einen guten Eindruck davon, wie die Zeitgenossen politische Ereignisse bewertet haben oder was sie von bestimmten Personen dachten. Wie bei vielen Quellenarten, gibt die Karikatur die Sichtweise einer Person wieder.

Um die Karikatur zu entschlüsseln, musst du alle Bildelemente genau analysieren und deuten. Dein Wissen über die Entstehungszeit ist dabei sehr wichtig.

Schritt 1 – Beschreibe die formalen Merkmale

Nenne zunächst alle Informationen, die in der Bildlegende angegeben sind. Manchmal findest du in der Karikatur selbst Schriftelemente, die Hinweise auf den Zeichner oder den Entstehungsort geben. Verweise auch auf fehlende Informationen.

Folgende Fragen können dir helfen:

  • Wer war der Zeichner?
  • Welchen Titel hat die Karikatur?
  • Wann und wo ist die Karikatur entstanden?
  • Auf welches historische Ereignis bezieht sich der Zeichner?

Beispiel:

Die Karikatur mit dem Titel „Man muss hoffen, dass dies Spiel bald ein Ende hat“ entstand 1789, im Jahr der Französischen Revolution. Die Karikatur ist wohl in Frankreich entstanden, sie enthält französische Schriftelemente. Der Name des Zeichners ist unbekannt. Am unteren Bildrand erkennt man nur die Anfangsbuchstaben: M. P.

Schritt 2 – Beschreibe die Karikatur

Die genaue Beschreibung bildet die Grundlage für deine anschließende Deutung. Betrachte dazu die Karikatur ganz genau und beschreibe möglichst viele Einzelheiten.

Folgende Fragen können dir helfen:

  • Welche Personen (und/oder Tiere) sind abgebildet?
  • Wie sind die abgebildeten Personen dargestellt  (Mimik/Gestik, Haltung, Kleidung)?
  • Welche Gegenstände sind abgebildet? Haben sie symbolische Bedeutung?
  • Welche Gestaltungsmittel setzt der Zeichner ein (z. B. Proportionen/Größenverhältnisse, Farben, Perspektive, Schrift)?

Tipp: Vielleicht möchte dein Lehrer, dass du Beschreibung und Deutung gleich in einem Schritt zusammenfügst. Dann ist es hilfreich, wenn du bei der Beschreibung zuerst Notizen machst.

Beispiel:

Auf der Karikatur sind drei Personen zu sehen. Ein alter Mann mit ärmlicher, zerrissener Kleidung und bedrücktem Gesichtsausdruck steht tief gebeugt und stützt sich auf eine Hacke. Aus seinen Hosentaschen hängen Zettel, darauf sind Steuern und Dienste notiert. Auf dem Stiel der Hacke steht in französischer Sprache „mit Tränen getränkt“. Auf dem Rücken des alten Mannes sitzen zwei prächtig gekleidete Männer, beide mit Perücke. Der Mann vorne trägt eine Kette mit einem Kreuz und hält sich an der Schulter des alten Mannes fest. Hinter ihm sitzt ein Mann mit Hut und großem Federbusch. Er trägt einen Säbel mit der Aufschrift „gerötet vom Blut“. Die beiden Männer sitzen aufrecht und haben einen frohen, zufriedenen Gesichtsausdruck. Am unteren Bildrand picken Rebhühner Körner und Hasen knabbern an einem Kohlkopf.

Schritt 3 – Deute und erkläre alle Bildelemente

Erkläre nun die Bedeutung der Bildelemente, sodass du am Ende die Aussage der Karikatur auf den Punkt bringen kannst. Lies deine Beschreibung nochmals aufmerksam durch und leite die Bedeutung der Elemente ab. Welche Symbole erkennst du? Beziehe hier dein Wissen über die historische Epoche ein. Teilweise werden bestimmte Personen oder Länder immer wieder mit den gleichen Merkmalen abgebildet. Merke sie dir für künftige Interpretationen.

Beispiel:

Die drei abgebildeten Personen symbolisieren die drei Stände der französischen Gesellschaft. Der alte, gebeugte Mann steht für den dritten Stand. Die Hacke und seine ärmliche Kleidung deuten darauf hin, dass er Bauer ist. Unter den hohen Steuern, Abgaben und Frondienste, die auf den Zetteln notiert sind, litt der dritte Stand sehr. Vor allem für die Bauern waren sie eine große Last. Die Person steht gebückt, was ihre Not deutlich zum Ausdruck bringt. Die Karikatur zeigt auch, wer diese Not verursacht hat: die Vertreter des ersten und des zweiten Standes. Sie sitzen auf dem Rücken des Bauern und profitieren von seiner Mühe und Arbeit. Der lila gekleidete Mann vorne trägt eine Kette mit Kreuz, das Zeichen für den Klerus. Hinter ihm sitzt ein Adliger. Dies erkennt man an seiner Kleidung und dem Säbel mit der Aufschrift (französisch): „von Blut gerötet“. Der Säbel ist das Merkmal des Adels und Symbol für Unterdrückung und Tyrannei. Beide Personen sitzen ganz aufrecht auf dem Rücken des Bauern und blicken mit zufriedenem Gesichtsausdruck nach vorne. Sie scheinen sich sehr wohl zu fühlen. Was für eine schwere Last sie sind, nehmen sie nicht wahr oder es ist ihnen gleichgültig.

Die Tiere am unteren Bildrand  verschlimmern die Not des Bauern. Sie fressen ihm das Getreide und Gemüse weg. Damit macht der Zeichner das Jagdverbot des dritten Standes zum Thema. Nur der Adel durfte jagen, die Bauern konnten nichts gegen wilde Tiere machen, die ihnen die Ernte zerstörten.

Die Karikatur verdeutlicht die Lage des dritten Standes vor der Französischen Revolution. Die Angehörigen des ersten und zweiten Standes ließen es sich auf Kosten des dritten Standes gutgehen. Klerus und Adel werden, bildlich gesprochen, vom dritten Stand „getragen“

Schritt 4 – Bewerte die Karikatur

Der letzte Arbeitsschritt besteht aus zwei Teilen: Zuerst erläuterst du, welche Wirkung der Karikaturist hervorrufen wollte. Das gelingt dir umso besser, je mehr du über die Entstehungszeit weißt. Dann kannst du zum Schluss aus deiner heutigen Sicht bewerten, ob der Karikaturist den historischen Sachverhalt angemessen und treffend darstellt.

Folgende Fragen helfen dir:

  • Welche Wirkungsabsicht (Intention) verfolgte der Zeichner?
  • Welche politische Position nahm er ein? Für wen ergriff er Partei?
  • Welche Personen, Gruppierungen oder Zustände kritisierte er?
  • Gibt die Karikatur den historischen Sachverhalt angemessen wieder?

Tipp: Du kannst die Karikatur besser bewerten, wenn du andere Quellen zum selben Thema auswertest (weitere Karikaturen, Gemälde, schriftliche Quellen).

Beispiel:

Der Karikaturist ergreift Partei für den dritten Stand. Er möchte auf das Elend und die Not der Bauern aufmerksam machen. Außerdem will er darüber aufklären, wer für die schlimme Lage und die Unterdrückung des dritten Standes verantwortlich ist: Adel und Klerus.

Die Karikatur gibt daher den historischen Sachverhalt treffend wieder: Vor der Französischen Revolution trug der dritte Stand die ganze Last im Staat. Vor allem die Bauern litten unter hohen Steuern, Abgaben und Frondiensten sowie der Willkürherrschaft des Adels. Der erste und der zweite Stand waren von Steuern und Abgaben befreit und genoss Privilegien. Dazu gehörte das Jagdprivileg.

Vielleicht wollte der Zeichner bereits eine Lösung andeuten: Der alte Bauer könnte sich aufrichten. Dann würden der Geistliche und der Adlige von seinem Rücken fallen. Wenn sich der dritte Stand erheben würde, könnte er die Unterdrückung beenden. 

Wie du ein Herrscherbild analysierst

Schritt-für-Schritt-Anleitung

Aufgabe

Interpretiere das Herrscherbild.

Ludwig XIV
Ludwig XIV_7.454885552_Everett Collection_Shutterstock

Ludwig XIV. Gemälde von Hyacinthe Rigaud, 1701/1702 (Öl auf Leinwand, Größe: 194 cm x 277 cm).
Das Gemälde ist in der Werkstatt des königlichen Hofmalers Hyacinthe Rigaud entstanden.
Auftraggeber war Ludwig XIV. (1643-1715), König von Frankreich von 1643 bis 1715.

Das musst du wissen

Herrscherbilder sind eine besondere Form der Bildquelle. Wir erfahren durch sie, welche Stellung der Herrscher hatte und welchen Herrschaftsanspruch er für sich erhob. Interessant ist auch, welche künstlerischen Mittel der Herrscher einsetzen ließ, um sich in Szene zu setzen.

Ein Herrscherbild musste keine naturgetreue Darstellung sein. Wichtig war, dass es den Wünschen des Auftraggebers entsprach. Es sollte seine Macht, Würde und Einzigartigkeit hervorheben. Manchmal musste der Künstler dafür die Realität ein bisschen verfälschen. 

Wenn wir die Einzelheiten eines Herrscherbildes deuten können, wird das Gemälde zu einem „Botschafter“ aus der Vergangenheit und erzählt uns viel über den Herrscher und seine Zeit. 

Tipp: Halte deine ersten spontanen Eindrücke fest, bevor du mit der Analyse des Bildes beginnst. Am Ende kannst du sie mit deinen Untersuchungsergebnissen vergleichen und wirst vielleicht erstaunt sein, wie viel ein einziges Bild über die Vergangenheit mitteilt.

Schritt 1: Beschreibe die formalen Merkmale

Zuerst beschreibst du alle formalen Merkmale. Mithilfe der Bildlegende beantwortest du folgende Fragen zur Entstehung des Gemäldes:

  • Welchen Titel hat das Bild?
  • Wann ist das Bild entstanden?
  • Wo ist das Bild entstanden?
  • Wer hat das Bild gemalt?
  • Wer hat das Bild in Auftrag gegeben?
  • Eventuell: Gibt es Auffälligkeiten (z. B. die Größe des Bildes)?

Es kann natürlich vorkommen, dass du mithilfe der Bildlegende nicht alle diese Fragen beantworten kannst. Manchmal kennt man die Entstehungszeit eines Bildes auch nicht genau.

Beispiel

Der Titel des Ölgemäldes ist: Ludwig XIV.  Es wurde im Jahr 1701 oder 1702 von dem Künstler Hyacinthe Rigaud im Auftrag des französischen Königs Ludwig XIV. gemalt. Das Gemälde ist sehr groß: fast 2,80 Meter hoch und rund 1,90 Meter breit.

Schritt 2: Beschreibe den Bildinhalt

Untersuche jetzt das Gemälde genau und beschreibe alle Einzelheiten, die du wahrnimmst. Beginne am besten mit dem Vordergrund und beschreibe den Herrscher. Achte dann darauf, in welcher Umgebung der Herrscher dargestellt ist. Oft sind im Hintergrund wichtige Details versteckt.

Folgende Fragen können bei der Beschreibung helfen:

  • In welcher Haltung/Pose ist der Herrscher dargestellt?
  • Wie blickt er den Betrachter an?
  • Wie ist er gekleidet?
  • Was trägt er bei sich?
  • Welche weiteren Personen, Gegenstände und Symbole erkennst du auf dem Bild?

Beispiel

In der Bildmitte ist ein prächtig gekleideter Mann mit langem, dunklen und lockigem Haar zu sehen: Ludwig XIV., König von Frankreich. Er steht in aufrechter Haltung auf einem Podest und blickt den Betrachter des Bildes direkt an. Ein Bein ist nach vorne ausgestellt. Unter dem großen, sehr langen Mantel trägt Ludwig XIV. weiße Strumpfhosen und Schuhe mit rotem Absatz. Der Mantel ist außen blau und mit goldenen Lilien verziert, die Innenseite ist weiß. Über dem Mantel ist eine goldene Kette zu sehen.

Die rechte Hand hat er auf einen Stab gestützt, die linke Hand in die Hüfte gesteckt. An der linken Seite trägt er ein Schwert, dessen Spitze im Mantel verschwindet. Zu seiner Rechten liegen eine Krone und ein Stab auf einem Hocker. Dahinter ist eine große Säule mit einem Relief am Sockel. Über dem Mann wölbt sich ein roter Vorhang, an dem eine goldfarbene Kordel befestigt ist.

Schritt 3: Deute den Bildinhalt

Nun geht es darum, die dargestellte(n) Person(en), Gegenstände und Symbole zu deuten und herauszufinden, was sie dem Betrachter sagen sollten. Folgende Fragen können dir dabei helfen:

  • Welche Wirkung wird durch die Pose des Herrschers erzielt (Blickrichtung, Körperhaltung, Gestik, Kleidung)?
  • Welche Herrschaftssymbole sind abgebildet und was bedeuten sie?
  • Aus welchem Anlass wurde das Bild in Auftrag gegeben?
  • Welche künstlerischen Mittel wurden zu welchem Zweck eingesetzt (Farben, Perspektive, Größe, verwendetes Material)?

Tipp:  Beziehe hier alle deine Kenntnisse über die Entstehungszeit des Gemäldes ein. Manchmal brauchst du Zusatzinformationen.

Beispiel

Auf dem Bild ist König Ludwig XIV. zu sehen. Er herrschte von 1643 bis zu seinem Tod 1715 in Frankreich. Seine Kleidung wirkt sehr elegant und kostbar. Der dunkelblaue Mantel hat ein Innenfutter aus weißem Hermelinpelz. Der Pelz war damals sehr teuer und demonstrierte großen Reichtum. Außen ist der Mantel mit goldenen Lilien bestickt, dem Zeichen der Herrscherfamilien der Bourbonen. Schuhe mit rotem Absatz durften nur vom König oder wenigen hohen Adligen getragen werden.

Der König trägt auf dem Gemälde die Herrschaftsinsignien bei sich, die Zeichen königlicher Macht: Das Zepter, auf dem die rechte Hand des Königs ruht, war ein Zeichen für die militärische Macht. Das Schwert sollte das Schwert Karls des Großen darstellen. Damit stellte sich Ludwig in die Tradition des mächtigen Königs des Mittelalters. Ludwig trägt auf dem Bild außerdem einen Orden an einer Kette, der ein Zeichen für geistige Größe darstellte. Auf dem Hocker rechts neben dem König sieht man einen Richterstab. Er symbolisierte die Gerechtigkeit des Königs. Die Krone daneben war das Symbol für die Einigkeit seines Reiches. Die Reliefs auf der Säule im Hintergrund stehen ebenfalls für Gerechtigkeit.

Der rote Stoff, der wie ein Baldachin über dem König drapiert ist, war auch sehr teuer. Die Farbe wurde aus seltenen Purpurschnecken gewonnen und ist ein Zeichen von großem Reichtum. 

Die Farbgestaltung des Bildes insgesamt ist leuchtend und hell. Das strahlende Weiß des Mantels zieht den Blick des Betrachters geradezu an. Das Gesicht, das von den schwarzen Haaren umrahmt wird, wirkt auch hell, als würde ein Sonnenstrahl darauf fallen.

Schritt 4: Erschließe die Bildaussage

Am Ende führst du alle deine Erkenntnisse zusammen und formulierst ein Fazit. Hier unterscheidest du zwei Perspektiven. Du zeigst, dass du erkennst, welche Wirkung das Bild auf die Mitmenschen des Herrschers (Zeitgenossen) haben sollte. Dabei ist es wichtig, den Herrschaftsanspruch des Herrschers in die Betrachtungen einzubeziehen.

Dann erklärst du, wie das Bild heute auf uns wirkt. Hier beziehst du dein Wissen über die Herrschaftsform und die Zeit mit ein: All das, was die Zeitgenossen nicht wussten, wir heute aber schon.

Fragen, die helfen können:

  • Welche Wirkung sollte das Bild beim Betrachter erzielen?
  • Mit welchen Mitteln sollte dies erreicht werden?
  • Welchen Herrschaftsanspruch kann man ableiten?

Tipp: Hier ist es interessant, andere (Bild-)Quellen zum Vergleich heranzuziehen. Dann kannst du besser beurteilen, was die Absicht des Künstlers bzw. des Auftraggebers war.

Beispiel

König Ludwig XIV. wollte verdeutlichen, dass er allein der unantastbare Herrscher ist, der über allen Menschen steht und die größte Macht besitzt. Die verwendeten Symbole, die Farbgebung, aber auch die Größe des Bildes strahlen Macht und Reichtum aus.

Das Bild spiegelt die Herrschaftsform Ludwigs XIV. wider: Er war ein absolutistischer Herrscher, der allein alle Macht im Staat hatte.

Wie du ein historisches Gemälde deutest

Schritt-für-Schritt-Anleitung

Aufgabe

Interpretiere das historische Gemälde.

 John Gast American Progress
GAST: AMERICAN PROGRESS. /n'American Progress.' An allegorical respresentation of Manifest Destiny. Chromolithograph after the painting by John Gast, c1873.

 

Der New Yorker Verleger George A. Crofutt gab das Gemälde 1872 bei John Gast in Auftrag. Crofutt war Verleger und gab Reiseführer heraus. John Gasts „American Progress“ wollte er in seinem „Trans-Continental Tourist's Guide“ abdrucken. Das Motiv wurde später oft nachgedruckt und war weit verbreitet.

Das musst du wissen

Für Historiker gehören Malereien neben schriftlichen Quellen zu den wichtigsten Quellenarten. Sie dokumentieren historische Ereignisse und Entwicklungen, verdeutlichen gesellschaftliche Wertvorstellungen oder geben Auskunft über die Alltagskultur.

Malereien finden wir bereits in den Höhlen der Steinzeit. Aber auch in Büchern, auf Vasen und anderen Alltagsgegenständen finden wir diese vielfältige Quellengattung.

Bis zur Erfindung der Fotografie waren Zeichnungen und Malereien die einzige Möglichkeit, geschichtliche Ereignisse bildhaft darzustellen. Im 19. Jahrhundert waren Historiengemälde sehr beliebt. Sie stellten oft geschichtliche Ereignisse aus viel früheren Zeiten dar. In diesem Fall sagt das Gemälde oft mehr über seine Entstehungszeit und ihre Wertvorstellungen als über das dargestellte Ereignis aus. Eine Sonderform der Malerei sind Herrscherbilder.

Malereien sind wie „Fenster in die Vergangenheit“ – sie zeigen nur einen Ausschnitt, vermitteln eine ganz bestimmte Perspektive. Sie zeigen oft nicht, wie es wirklich gewesen ist.

Schritt 1: Beschreibe die formalen Merkmale

Beginne deine Interpretation mit der Beschreibung der formalen Merkmale. Meistens findest du die wichtigsten Informationen hierzu in der Bildunterschrift. Verweise auch auf Informationen, die fehlen.

Nenne:

  • den Titel des Gemäldes
  • den Maler
  • Entstehungszeit und Entstehungsort
  • den Auftraggeber und den Anlass für den Auftrag
  • die Adressaten
  • das Thema des Gemäldes

Beispiel:

John Gast malte das Bild „American Progress“ 1872 im Auftrag von George A. Crofutt. Crofutt war Verleger in New York und gab Reiseführer heraus. Gasts „American Progress“ wollte er in seinem „Trans-Continental Tourist’s Guide“ abdrucken. Vom Titel des Bildes kann man auf das Thema schließen: Der Fortschritt in den USA. Das Bild wurde als Nachdruck oft verkauft, daher war das Motiv wahrscheinlich sehr bekannt.

Schritt 2: Ordne das Gemälde in den historischen Kontext ein

Damit du das Gemälde richtig deuten kannst, musst du es in den historischen Kontext einordnen. Beziehe hier dein Vorwissen ein. Je mehr du über die Ereignisse und Entwicklungen der Epoche weißt, die der Maler abgebildet hat, desto interessanter wird die Interpretation.

Beispiel:

1872, als John Craft „American Progress“ malte, war in Nordamerika die Kolonisierung des Westens schon weit fortgeschritten. 1865 hatten die Nordstaaten den Sezessionskrieg gewonnen und den Süden wieder in die USA eingegliedert. Die Sklaverei wurde verboten und 1866 verabschiedete der Kongress den „Civil Rights Act“, der allen Amerikanern Bürgerrechte zusicherte – außer den Indianern.

Die Industrialisierung nahm in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rasant an Fahrt auf, die Eisenbahn wurde ausgebaut und der Aufstieg der USA zur Wirtschaftsmacht begann. 

Schritt 3: Beschreibe das Gemälde

Die genaue Beschreibung der Bildelemente ist die Grundlage für ihre anschließende Deutung. Betrachte das Bild ganz genau und beschreibe möglichst viele Einzelheiten.

Achte dabei vor allem auf:

  • alle abgebildeten Personen, Tiere und Gegenstände und darauf, wie sie dargestellt sind (Mimik, Gestik, Haltung, Kleidung, Proportionen/Anordnung)
  • gestalterische Elemente wie Farben, Lichtverhältnisse, Perspektive, Schriftelemente, Vordergrund/Hintergrund
  • eine nachvollziehbare Reihenfolge bei der Wiedergabe deiner Beobachtungen

Beispiel:

Das Zentrum des Gemäldes bildet eine Frau mit langen blonden Haaren, die von einem goldenen Stern geschmückt werden. In der rechten Hand hält sie ein Buch, mit der linken das Ende einer Stromleitung, die sich hinter ihr schon bis zu dem Fluss und der Stadt am Horizont erstreckt. Die Frau blickt mit ruhigem, ernstem Blick in die Richtung, in die sie sich bewegt: in Richtung des linken Bildrands, also nach Westen. Die leicht nach vorn geneigte Körperhaltung und das im Wind wehende weiße Gewand unterstreichen die Dynamik der Darstellung. Die Gestalt scheint zu schweben, ihre Füße berühren den Boden kaum. Sie ist überproportional groß, alle anderen abgebildeten Menschen wirken dagegen winzig. 

Unten im Bild bewegen sich Männer mit Pferd und Ochsen ebenfalls in Richtung des linken Bildrands. Die Gruppe mit Pferd trägt Arbeitsgeräte und Waffen. Dahinter pflügen zwei Männer mit einem von Ochsen gezogenen Pflug ein eingezäuntes Feld, an dessen Rand eine Hütte steht. Ein Bär und ein Hirsch springen vor ihnen davon, fast so, als wollten sie aus dem Bild hinausspringen. In der Bildmitte und im Hintergrund sieht man verschiedene Transportmittel: Reiter, Pferdewagen, Kutschen und Eisenbahnen, die sich alle nach links, in westliche Richtung bewegen.

Am linken oberen Bildrand erstreckt sich eine Gebirgskette bis an die Küste, dunkle Wolken stehen über den Bergen am Himmel. Eine Büffelherde und eine Gruppe Indianer laufen auf den Rand des Bildes zu. Man erkennt sie an ihrem Federschmuck.

Die Mitte und der rechte Teil des Bildes sind in viel helleren Farben gestaltet als der linke Teil. Dort sieht man dunkle Wolken am Horizont über den Bergen, der Himmel rechts dagegen ist aufgelockert und wirkt freundlich.

Schritt 4: Deute die Bildelemente

Bei diesem Arbeitsschritt geht es darum, die zentralen Bildelemente zu deuten. Lies dir deine Beschreibung nochmals genau durch und erkläre dann, warum der Maler welche Bildelemente wie dargestellt hat. Kannst du Symbole erkennen? Beachte immer auch den Titel des Gemäldes. Er kann dir Hinweise auf die Bedeutung einzelner Bildelemente geben. Beziehe dein Hintergrundwissen ein und leite am Ende eine zentrale Bildaussage ab.

Hinweis: Vielleicht möchte dein Lehrer, dass du Beschreibung und Deutung gleich in einem Schritt zusammenfügst.

Beispiel

Die weibliche, überproportional große Figur im Zentrum des Bildes stellt die Columbia dar. Diese Figur war im 19. Jahrhundert ein nationales Symbol. Sie personifizierte die USA. Das Buch, das die Columbia in der Hand trägt, steht für Wissen und Erkenntnis. Den Stern auf ihrer Stirn kann man als Zeichen der Erleuchtung deuten. Columbia trägt den Fortschritt und die Zivilisation in westliche Richtung. Dafür stehen die Stromleitung, die Eisenbahn und die Stadt im Hintergrund.

Die Farbgestaltung unterstreicht diese Aussage: In der rechten Bildhälfte sind Landschaft und Horizont hell, der linke Bildrand wirkt düster. Noch reicht das Licht, das Columbia mit sich bringt, nicht bis hierher. Auch die Natur erscheint in der linken Bildhälfte, im „Wilden Westen“, noch unberührt und wild. Rechts, im Osten dagegen, ist die Landschaft kultiviert und bebaut. 

Als zentrale Bildaussage kann man zusammenfassen: Der amerikanische Fortschritt und die „Zivilisation“ breiteten sich immer weiter nach Westen aus. „American Progress“ wirkt wie eine bildliche Darstellung der Idee des „Manifest Destiny“  der Vorstellung, dass die Ausbreitung der USA bis zum Pazifik vom Schicksal bestimmt sei. Durch die Darstellung der Columbia wirkt die Kolonisierung des Westens und die Vertreibung der Indianer sogar wie ein göttlicher Auftrag.

 

Schritt 5: Beurteile das Gemälde

Am Ende rundest du deine Interpretation mit der Beurteilung des Gemäldes ab. Das bedeutet: Du leitest aus deiner Deutung ab, welche Absicht der Maler verfolgte und welche Gefühle, Gedanken und Assoziationen er beim Betrachter hervorrufen wollte. Zum Schluss bewertest du das Gemälde aus heutiger Perspektive, vor dem Hintergrund deiner Kenntnisse über die dargestellte Situation.

Folgende Fragen helfen dir dabei:

  • Welche Absicht verfolgte der Künstler?
  • Welche Wirkung wollte er beim zeitgenössischen Betrachter hervorrufen?
  • Welche Erkenntnisse bietet uns die Malerei über die politischen und sozialen Verhältnisse der Entstehungszeit?
  • Gibt die Malerei den historischen Sachverhalt angemessen wieder?
  • Wie lässt sich das Bild aus heutiger Sicht bewerten?

Tipp: Vergleiche die Malerei mit anderen Quellen aus der Zeit. Überprüfe, ob sie mit der Aussage des Bildes übereinstimmen oder die dargestellte Situation ganz anders bewerten.

Beispiel:

John Gast wollte mit dem Bild „American Progress“ die enorme Fortschrittsgewalt der USA darstellen. Der Betrachter sollte sie bewundern und beeindruckt sein. Das Gemälde zeigt das überhöhte Selbstverständnis der weißen Einwanderer und Siedler im 19. Jahrhundert und ihre Vorstellung, einen göttlichen Auftrag zu erfüllen. Der Umgang mit den Indianern wird in diesem Bild nicht thematisiert. Es wird ausgeblendet, dass die Entwicklung der USA mit der gewaltsamen Verdrängung der Ureinwohner verbunden war.

Das Motiv wirkt wie eine bildhafte Darstellung der Idee des „Manifest Destiny“. Die historische Situation wird dabei verklärt. 

Wie du eine politische Rede analysierst

Schritt-für-Schritt-Anleitung

Aufgabe

Analysiere folgende politische Rede.

Quelle_Rede_Bülow_1899.pdf

Text: Auszug aus einer Rede Bernhard von Bülows im Reichstag am 11. Dezember 1899.

Das musst du wissen

Politische Reden sind wichtige historische Quellen. Ihre Funktion ist heute wie in der Vergangenheit dieselbe: Politiker erklären in ihren Reden der Öffentlichkeit ihre Ziele und werben um Unterstützung dafür. Eine Rede soll die Zuhörer überzeugen und beeinflussen, sodass sie zum Beispiel für ein neues Gesetz stimmen oder ihre Stimme einer bestimmten Partei geben.

Politische Reden werden von den Medien verbreitet. Eine Rede erreicht daher meist viel mehr Menschen als die anwesenden Zuhörer. 

Die meisten Reden werden nicht spontan gehalten. Ihr Aufbau und ihre Gestaltung ist bewusst gewählt. Um die Überzeugungskraft ihrer Rede zu verstärken, setzen die Redner oft rhetorische Mittel ein.

Im Unterricht können dir Reden als Tondokumente oder in Form eines Redeprotokolls begegnen. Im Unterschied zu anderen schriftlichen Quellen enthält ein Redeprotokoll oft kursiv gedruckt die Reaktionen der Zuhörer. Sie können wichtige Hinweise geben, wie die Rede beim Publikum ankam.

Schritt 1: Beschreibe die formalen Merkmale der Rede (Redesituation)

Zu den formalen Merkmalen gehören Informationen über die Person des Redners, die Redesituation, die Art der Rede, das Thema. Diese Informationen findest du meist in einem kurzen Einleitungstext. Überfliege aber auch die Rede selbst und verschaffe dir einen ersten Überblick über den Inhalt.

Die Beschreibung der Redesituation bildet die Einleitung deiner Redeanalyse.

Folgende Fragen können dir helfen:

  • Wer ist der Redner?
  • Wann und wo wurde die Rede gehalten?
  • Um welche Redegattung handelt es sich (z. B. Parlaments-, Wahlkampf-, Parteitags-, Festrede, Plädoyer vor Gericht)?
  • An wen ist die Rede gerichtet?
  • Was ist das Thema der Rede?

Beispiel:

Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Bernhard von Bülow, spricht im Reichstag am 11. Dezember 1899 über die Außenpolitik des Kaiserreichs und wirbt für die Aufrüstung der Flotte. Bülow hielt die Rede vor Volksvertretern im Parlament, das über die Gesetzesvorlage abstimmen musste. Er wollte damit aber auch die deutsche Bevölkerung erreichen und überzeugen. Bülow war zum Zeitpunkt der Rede schon seit 20 Jahren Staatssekretär des Äußeren. Dieses Amt entspricht dem Außenminister heute. Ein Jahr nach der Rede wurde er Reichskanzler unter Kaiser Wilhelm II.

Schritt 2: Analysiere den Inhalt der Rede

Die Arbeitsschritte 2 und 3 bilden den Hauptteil deiner Analyse. Fasse die Hauptaussagen der Rede in eigenen Worten zusammen. Hier kann es hilfreich sein, Schlüsselbegriffe zu markieren und die Rede in einzelne Sinnabschnitte zu untergliedern. Belege deine Aussagen stets am Text und achte auch darauf, dass die Meinung des Redners nicht als objektive Tatsache erscheint.

Arbeite auch heraus, welche sprachlichen Gestaltungsmittel der Redner einsetzt, um sein Publikum zu überzeugen. Hier kannst du deine Kenntnisse aus dem Deutschunterricht einbeziehen.

Tipp:

Wenn du die Gelegenheit hast, die Rede zu hören, achte auf die Artikulation: Was betont der Redner besonders stark? Wo macht er Pausen, um seine Worte nachwirken zu lassen? Wo hebt oder senkt er die Stimme, sodass seine Worte dramatisch wirken?

Folgende Fragen können dir bei der inhaltlichen Analyse helfen:

  • In welche Sinnabschnitte lässt sich die Rede gliedern? Was ist jeweils das Thema?
  • Welche Schlüsselbegriffe verwendet der Redner?
  • Was sind wesentliche Textaussagen?
  • Welche rhetorischen Stilmittel setzt der Redner ein (z. B. Bilder, Wiederholungen, Vergleiche)?
  • Welche politische Position vertritt der Redner?

Beispiel:

Bernhard von Bülow beschreibt am Anfang des Redeauszugs, wie sich die europäischen Großmächte Großbritannien, Frankreich und Russland im 19. Jahrhundert immer weiter vergrößert und Kolonien erworben haben (Zeile 1–4).

Dann erklärt Bülow, wie er die Situation des Kaiserreichs sieht. Er beruft sich auf den englischen Premierminister und zitiert ihn mit den Worten, dass „starke Staaten immer stärker“ würden, schwache Staaten dagegen immer schwächer. Mit diesem Zitat leitet er seinen Appell ein, dass das Kaiserreich sich unter den anderen Staaten behaupten und auch Weltpolitik betreiben solle. Er vergleicht die Welt mit einem Kuchen, von dem Deutschland auch einen Teil abbekommen sollte (Z. 5 f.).

Im nächsten Absatz begründet Bülow, warum sich das Kaiserreich ausdehnen und Weltpolitik betreiben sollte. Er argumentiert mit der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands und dem Bevölkerungswachstum. Seine Aufzählung schmückt er mit ausdrucksstarken Adjektiven wie „rapide“, „beispiellos“, „gewaltig“ (Z. 13 f.) aus, um seiner Argumentation Nachdruck zu verleihen.

Bülow spricht von „wir“ und „uns“ (Z. 13 f.) und meint damit das Kaiserreich unter Wilhelm II. Mit diesem „wir“ vereinnahmt er sein Publikum. Es wirkt, als würde Bülow für alle Deutschen sprechen, obwohl er ja die Interessen seiner Regierung vertritt. Am Ende des Absatzes erklärt er, dass die Expansion friedlich erfolgen solle, durch den Ausbau der Handelsstützpunkte.

Im nächsten Absatz jedoch erklärt der Staatssekretär des Äußeren, dass eine starke Flotte und ein starkes Heer die Voraussetzungen dafür seien. Nur so könne das deutsche Kaiserreich seine Interessen in der Welt durchsetzen (Z. 22 ff.). Hier wird nun klar, was Bülow mit seiner Rede erreichen möchte: die Aufrüstung des Heeres und vor allem der Flotte.

Das Bild vom Hammer und Amboss (Z. 29), mit dem Bülow am Ende die Lage Deutschlands vergleicht, wirkt wie eine Drohung. Hammer und Amboss sind Werkzeuge eines Schmieds. Bülow stellt das Kaiserreich vor die Wahl: Es kann selbst der Hammer sein, der das Eisen schmiedet – oder das Land wird zum Amboss, auf den der Schmiedehammer niedersaust.

 

Schritt 3: Ordne die Rede in den historischen Kontext ein

Damit du die Rede richtig deuten und die Absicht des Redners verstehen kannst, musst du sie in den historischen Kontext einordnen. Hier musst du dein Vorwissen über die Epoche und die politische Lage einbeziehen. Je mehr du über die Situation weißt, in der die Rede gehalten wurde, desto besser kannst du einschätzen, an wen die Rede aus welchem Grund welche Botschaft senden sollte.

Beispiel:

Der Anlass der Rede war der Gesetzesentwurf zur Vergrößerung der deutschen Flotte. Dafür musste der Reichstag Gelder bewilligen.

Nach der Entlassung von Reichskanzler Bismarck im Jahr 1890 hatte sich die deutsche Außenpolitik stark verändert. Bismarck hatte viel Wert auf Bündnisse mit anderen Staaten gelegt. Kaiser Wilhelm II. wollte Kolonien erwerben, Weltpolitik betreiben und die Flotte ausbauen. Das führte natürlich zu Konflikten mit den anderen europäischen Staaten. Bernhard von Bülow unterstützte die Politik Wilhelms II. Seine Außenpolitik zielte auf Expansion (Ausdehnung). Während Bismarck durch verschiedene Bündnisse den Ausgleich gesucht hatte, nahmen Wilhelm II. und von Bülow Spannungen in Kauf, um auch „einen Platz an der Sonne“ zu bekommen, wie Bülow es in einer Rede im Reichstag 1897 formulierte.

Schritt 4: Beurteile die Rede

Die Beurteilung der Rede erfolgt in zwei Schritten. Versuche zuerst, dich in die Rolle der Zeitgenossen zu versetzen. Fasse die politische Haltung des Redners zusammen und erläutere, welche Wirkung die Rede wohl auf die Zuhörer hatte. Beziehe hier dein Vorwissen ein. Außerdem können dir die kursiv gedruckten Zuschauerreaktionen wichtige Hinweise geben. Dann beurteilst du, ob die Argumentation nachvollziehbar ist.

Am Schluss kannst du aus heutiger Sicht beurteilen, welche kurzfristigen und langfristigen Folgen die Rede hatte bzw. wie die in ihr formulierten Wertvorstellungen zu bewerten sind.

Fragen, die dir helfen können:

  • Welche Ideologie (Weltanschauung) vertritt der Redner?
  • Was wird verschwiegen/weggelassen?
  • Gibt es Widersprüche und/oder Fehler?
  • Welche Wirkung will der Redner beim Publikum erzielen?
  • Wie lässt sich die Rede aus heutiger Sicht bewerten? Stimmen ihre Aussagen mit heutigen Wertvorstellungen überein?

Beispiel:

Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Bernhard von Bülow, stellt in seiner Rede die Aufrüstung Deutschlands als notwendig dar. Er verschweigt, dass sich der Ausbau der Flotte gegen England richtet. Mithilfe einer starken Flotte wolle man England zum Nachgeben gegenüber deutschen Forderungen zwingen.

Sein Ziel erreichte Bülow. Das Redeprotokoll hält viel Beifall fest, allerdings nicht von allen Abgeordneten. Von links kam auch Widerspruch. Links der Mitte saßen im Reichstag die Abgeordneten des Zentrums, der SPD und unabhängige Parlamentarier. Die Gesetzesvorlage für den Ausbau der Flotte wurde aber einige Monate später im Parlament verabschiedet, sodass der Aufrüstung nichts mehr im Wege stand.

Der Inhalt der Rede zeigt deutlich den Kurswechsel in der deutschen Außenpolitik nach der Entlassung Bismarcks 1890. Bülow wollte vermutlich auch ein Signal ans Ausland senden und das Selbstbewusstsein der Deutschen demonstrieren.

Aus heutiger Sicht weiß man, dass das Wettrüsten in Europa und die deutsche Politik der Konfrontation 15 Jahre später zu einer großen Katastrophe führten: zum Ersten Weltkrieg.