Antisemitismus, biologisch-rassistische Vorurteile gegenüber Juden im Gegensatz zur traditionellen religiös begründeten Judenfeindschaft. Den Begriff prägte der Journalist Wilhelm Marr (*1819, †1904).
Grundgedanken
Juden seien aufgrund ihrer minderwertigen Rasse von ausschließlich negativem Einfluss. Diese moderne Form der Judenfeindschaft fand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in weiten Teilen Europas Verbreitung. Letztlich bildete dieses Denken die Voraussetzung für die nationalsozialistische Ideologie und den grausamen Völkermord an den Juden.
Neu an der Ausprägung des Antisemitismus war auch, dass er sich in politischen Parteien konkretisierte, die die antisemitische Ideologie in ihr Parteiprogramm aufnahmen.
Wichtige Ereignisse
1878 gründete der antisemitische evangelische Theologe und Sozialpolitiker Adolf Stoecker (*1835, †1909) die Christlich-Soziale Arbeiterpartei. Ein Jahr später wurde er in das preußische Abgeordnetenhaus und 1881 in den Reichstag gewählt. Wilhelm Marr gründete 1878 die Antisemiten-Liga.
In der Auseinandersetzung zwischen den beiden angesehenen Historikern Heinrich von Treitschke (*1834, †1896, Reichstagsabgeordneter 1871 bis 1884) und Theodor Mommsen (*1817, †1903, bedeutender Altertumswissenschaftler und Literaturnobelpreisträger 1902) äußerte Treitschke: „Die Juden sind unser Unglück“ (Berliner Antisemitismusstreit 1879/80).
1881 übergaben Antisemiten Otto von Bismarck eine Unterschriftenliste zwecks Abschaffung der Judenemanzipation. Seit 1871 waren die Juden in der Reichsverfassung formalrechtlich gleichgestellt. 1889 wurde die antisemitische Deutschsoziale Partei gegründet. 1893 zogen 16 antisemitische Abgeordnete in den Reichstag ein.
Der Schriftsteller Emile Zola schrieb den offenen Brief „J’accuse“. Er stellte sich darin an die Seite des 1898 in Frankreich wegen Landesverrats verurteilten Hauptmanns Alfred Dreyfus (*1859, †1935). Dreyfus war Jude. Hintergrund der Dreyfusaffäre und des Prozesses waren antisemitische Strömungen. 1906 wurde Dreyfus rehabilitiert.