Am 9. November 1989 öffneten sich überraschend die Grenzübergänge zwischen DDR und BRD, womit die Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands eingeleitet wurde. Zwei unterschiedliche Welten prallten aufeinander und damit auch zwei verschiedene Schulsysteme. In der DDR wurde der Alltag stark vom sozialistischen System beeinflusst. Sei gespannt, wie die Kinder im Osten aufgewachsen sind und wie das Schulleben in der DDR aussah.
Kindheit in der DDR
Wer in dem sozialistischen Staat geboren wurde, lernte recht schnell, was es heißt, dass Gemeinschaft im Mittelpunkt steht. Es war zum Beispiel üblich, dass Frauen berufstätig waren, und auch nach der Geburt kehrten die Mütter zügig wieder in ihren Beruf zurück. Für die Babys stellte der Staat ein breites Netz aus kostenlosen Betreuungseinrichtungen zur Verfügung. Schon nach ein paar Wochen kamen die Kinder in die Krippe, ab dem Alter von 4 Jahren ging es in den Kindergarten. Während heute die Eltern fast schon vor der Geburt um einen Krippenplatz kämpfen müssen, gab es in der DDR für nahezu alle Kinder einen Platz.
Teilzeitstellen, mit denen Mütter heutzutage häufig in den Beruf zurückkommen, gab es in der DDR nicht. Die Eltern arbeiteten beide Vollzeit, weshalb die Kinder bis 18 oder 19 Uhr in der Krippe oder im Kindergarten blieben. Der Tagesablauf war dort klar vorgeschrieben. Alles wurde in Gemeinschaft gemacht: egal ob spielen, essen, Sport oder auf die Toilette gehen. Die Betreuer und Betreuerinnen brachten den Kindern einen höflichen Umgang miteinander, gegenseitiges Helfen und das Einhalten von Regeln bei. Sie waren sehr streng und zwangen die Kinder, sich einzuordnen. Auch medizinisch und impftechnisch wurden die Kleinkinder in der Krippe umfassend betreut, um eventuelle Entwicklungsstörungen möglichst früh zu erkennen. Und im Kindergarten lernten die Kinder schon Buchstaben und Zahlen kennen und machten erste Schreib- und Rechenversuche.
Die Polytechnische Oberschule
Im Alter von 6 Jahren wurden in der DDR alle Kinder in die Polytechnische Oberschule, kurz POS, eingeschult. Mit dem Begriff Oberschule verbindet man auch Schulen mit ausschließlich höheren Klassen, aber die POS bestand aus drei Stufen: Unter- (1.–3. Klasse), Mittel- (4.–6. Klasse) und Oberstufe (7.–10. Klasse). Mit der Bezeichnung wollte man jedoch betonen, dass allen Schülern eine Oberschulbildung vermittelt wird. Der Unterricht war sehr technisch und naturwissenschaftlich gestaltet. Der Zusatz „polytechnisch“ steht für den vorgesehenen Praxisbezug, der die Schulkinder früh an die Arbeitswelt heranführen sollte. Die Jungs und Mädchen lernten neben den Fächern Deutsch, Mathe, Kunst, Geschichte und den Naturwissenschaften Handwerken oder Gärtnern. Mit der 7. Klasse kamen dann Fächer hinzu, die technische Themen und Fertigkeiten wie Elektronik, Informatik und technisches Zeichnen vermittelten. Was für dich heute das Schülerpraktikum ist, war für die Schulkinder der DDR das Fach „Produktive Arbeit“. Darin besuchten sie jede Woche andere Betriebe ihrer Umgebung und erledigten dort praktische Aufgaben. Ab der 7. Klasse fand regelmäßig eine Berufsberatung statt, bei denen die Berufswünsche der Kinder auf benötigte Bereiche in der Planwirtschaft gelenkt wurden. Das verstaatlichte und ideologisierte Schulsystem der DDR sollte die Kinder zu vollwertigen Mitgliedern der sozialistischen Gesellschaft erziehen. Zusätzlich gab es ab der 7. Klasse Staatsbürgerkunde und ab der 9. Klasse Wehrkunde. In diesem Fach lernten die Kinder sowohl theoretisches als auch praktisches militärisches Grundwissen. Jungs lernten, mit Handgranaten und Gasmasken umzugehen, Mädchen dagegen Erste Hilfe und Evakuierung. Vielen Eltern und kirchlichen Gemeinschaften gefiel dieser Unterricht gar nicht. Manche Kinder bekamen daraufhin die Erlaubnis, ihm fernzubleiben, jedoch verloren sie damit die Chance, auf einer weiterführenden Schule aufgenommen zu werden.
Als erste Fremdsprache war für alle Kinder Russisch ab der 5. Klasse Pflicht. Ab der 7. Klasse konnte man dann eine zweite Sprache lernen, meistens war das Englisch.
Damit die Eltern über die Leistungen der eigenen Kinder auf dem Laufenden waren, gab es ein Mitteilungsheft, das sogenannte Muttiheft. Darin wurden das Verhalten und die Disziplin der Schülerin oder des Schülers festgehalten und besondere Leistungen mit gestempelten „Bienchen“ belohnt. Auf dem Zeugnis bekamen die Schülerinnen und Schüler dann nicht nur Noten für die einzelnen Fächer, sondern ebenfalls für Fleiß, Ordnung, Mitarbeit und Betragen. Anstatt der Zahlen 1 bis 6 gab es in der DDR die fünf Benotungen sehr gut, gut, befriedigend, genügend, ungenügend. Am Ende der 10. Klasse mussten für einen Schulabschluss schriftliche und mündliche Prüfungen abgelegt werden. Dieser Abschluss ist mit dem heutigen Realschulabschluss vergleichbar und berechtigte die Jugendlichen zu einer Berufsausbildung, meist in der Industrie, im Handwerk oder in der Landwirtschaft.
Anders als heute fand auch samstags Unterricht statt. Dafür konnten sich die Kinder über 8 Wochen Sommerferien freuen.
Die Erweiterte Oberschule – EOS
Nur etwa 10 % der Schulabgänger der POS wurden für die Erweiterte Oberschule zugelassen. Aussortiert wurde über Note, Geschlechterverteilung, soziale Herkunft, Berufswunsch und das politische bzw. gesellschaftliche Engagement. Die EOS ging bis zur 12. Klasse und konnte mit dem Abitur abgeschlossen werden. Teilweise konnte parallel eine Berufsausbildung absolviert werden. Wer keinen Platz an einer EOS bekam, hatte auch keine Chance zu studieren.
Freizeit, Sport und Spaß
Für die Schulkinder war der Tag nach dem Unterricht noch nicht vorbei. Ähnlich wie die AGs, die du vielleicht kennst, gab es auch in der DDR Arbeitsgemeinschaften oder Interessenzirkel. Für ältere Schülerinnen und Schüler wurden sogenannte fakultative Kurse wie Kfz-Technik und Mikrobiologie angeboten.
Auch Sport wurde in der DDR stark gefördert, nicht nur in den Schulen, sondern später auch in den Betrieben. Im Breitensport gab es zahlreiche Sportgemeinschaften, die kostenlos oder für wenig Geld in Anspruch genommen werden konnten. Besonders interessant waren die Sportarten Leichtathletik, Turnen und Fußball. Talente sollten möglichst früh erkannt werden und in Spezialschulen gefördert werden. Auf diese Weise konnte die DDR bei internationalen Wettkämpfen und den Olympischen Spielen mit ihren Spitzensportlern ihr Ansehen steigern und aus ihrer Sicht die Überlegenheit des Sozialismus demonstrieren. An Sportnachmittagen traten die Kinder im Klassenverband gegen ihre Mitschülerinnen und Mitschüler an.
Die übrige Freizeit wurde durch die Jungen Pioniere geprägt. Jedes Jahr am 13. Dezember wurden alle neuen Schulkinder in diese politische Jugendorganisation aufgenommen. Mit ihrem Eintreten erhielten die Kinder ihre Uniform mit dem typischen blauen Käppi und dem blauen Halstuch. Später wurde das Halstuch bei den Thälmannpionieren durch ein rotes ausgetauscht und mit der 7. Klasse fand der Übergang in die FDJ (Freie Deutsche Jugend) statt. Ihre Uniform trugen die Jungen Pioniere bei den regelmäßigen Fahnenappellen. Die Schulkinder marschierten klassenweise auf den Schulhof und wurden begrüßt mit: „Für Frieden und Sozialismus: Seid bereit!”, woraufhin sie antworteten: „Immer bereit!“ Beim Fahnenappell wurden auch immer besondere Leistungen von Mitgliedern geehrt.
Neben den Fahnenappellen gab es regelmäßig Pioniernachmittage. Dort wurde gemeinsam gebastelt, gesungen und gemalt. Die Jungen Pioniere lernten, was Solidarität bedeutet, und sammelten Altglas und Altpapier oder veranstalteten Solidaritätsbasare. Das gesammelte Geld wurde dann an soziale Projekte in anderen Ländern gespendet. Für die Ferien organisierten die Jungen Pioniere jeden Sommer Ferienlager in Zentralen Pionierlagern. Einen Platz konnte man sich mit besonderen Leistungen in der Gemeinschaft verdienen.
Melanie, aus dem Redaktions-Team:
Also, ich gehöre zum Jahrgang 1981 und habe daher die DDR nur ganz kurz miterlebt. Von der politischen Situation habe ich nicht viel mitbekommen und auch die Berliner Mauer habe ich nicht bewusst wahrgenommen. Bis zum 11.11.1989 wusste ich nicht, dass ich in einem geteilten Land lebe. Ich war damals gerade mal 8 Jahre alt und erst in der 2. Klasse.
Wie für jedes Kind war die Einschulung ein aufregender Tag, denn ein neuer Zeitabschnitt beginnt. Ich hatte eine große Schultüte, die sogar etwas größer war als ich, denn ich war noch sehr klein bei meiner Einschulung – nur 105 cm. Daher gibt es nur ein paar gestellte Fotos, wo ich mit der Schultüte zu sehen bin, aber ansonsten hat mein Papa sie getragen. Ich hatte einen rosa Lederschulranzen, ein Modell, wie viele Kinder es hatten: Alles ganz uniform.
Im Klassenraum haben wir unsere Pionieruniform erhalten, denn mit dem 1. Schultag war man Jungpionier. Als Jungpionier musste man deren Gebote auswendig lernen und diese wurden auch regelmäßig abgefragt. Ich glaube, wir haben auch Zeitungspapier und Glas gesammelt und dann zu einer Annahmestelle gebracht. Für den gesammelten Müll gab es ein bisschen Geld, das war mein erstes Taschengeld.
Ansonsten erinnere ich mich daran, dass wir zu allen Zeugnisausgaben mit unserer Pionierkleidung auf dem Schulhof versammelt waren und dass Lob und Tadel verteilt wurden. In einer meiner Zeugnismappen habe ich auch ein Lob vom Direktor für fleißiges Lernen. Und dann gab es noch das Muttiheft, ein Mitteilungsheft zwischen den Lehrern und Erziehern und den Eltern. Hier wurden u. a. die Hausaufgaben notiert, weil wir noch nicht viel schreiben konnten. Es wurden aber auch Elternabende, Wandertage dort mitgeteilt und auch Bienchen und Tadel. Dieses Muttiheft hat mich auf jeden Fall bis zum Ende der 2. Klasse begleitet. Ab Klasse 3 gab es das nicht mehr.
Wir sind von montags bis samstags in die Schule gegangen. Der Unterricht begann 8 Uhr, und da ich noch nicht viel Unterricht hatte, war mein Unterricht meistens gegen 12 Uhr beendet. In der 1. Klasse war ich noch im Hort und ab der 2. Klasse war ich ein Schlüsselkind und bin allein nach Schulschluss nach Hause. Dort hatte meine Mama meist Mittagessen vorgekocht und in Bettdecken warm gehalten. Meine Hausaufgaben konnte ich meist allein erledigen, sodass noch genug Freizeit war, wenn meine Eltern gegen 15 Uhr zu Hause waren.
Die Freizeit war – so ich mich erinnere – viel freier als heute. Wir waren allein auf dem Spielplatz, ohne unsere Eltern und ohne dass unsere Eltern Angst gehabt haben, dass uns etwas passiert. Es gab feste Zeiten, zu denen wir zu Hause sein mussten. Irgendjemand kannte immer die Uhr oder man hat einen Erwachsenen gefragt.
Franziska, aus dem Kundenservice-Team:
An meine Schulzeit in der ehemaligen DDR denke ich gerne zurück. Für mich war es eine schöne Zeit, in der viel unternommen wurde und die ich mit vielen Freunden verbringen konnte. Wir waren eine kleine Klasse von nur 18 Schülern, und nachdem es hin und wieder in all den Jahren natürlich auch mal zu Reibereien untereinander kam, haben wir uns – je älter wir wurden – immer besser verstanden und waren letztendlich eine Einheit. Dies machte vieles einfacher, denn wir haben uns in der Klasse gegenseitig unterstützt, natürlich auch mal vorgesagt oder voneinander abgeschrieben.
Ich hatte aber auch eine schöne Schulzeit, weil es in der damaligen DDR so war, dass es viele Veranstaltungen für Schüler gab. So haben wir in den ersten Schuljahren als stolze Jungpioniere Wandzeitungen und andere Dinge gebastelt, die wir bspw. unserem Paten-Brigade-Team geschenkt haben. Man hatte damals in den volkseigenen Betrieben ein Team von Kollegen (Brigade), die einen engen Bezug zu den jeweiligen Schulklassen hatten. Sie haben eine Patenschaft für eine Klasse übernommen und man hat sich dann gegenseitig besucht, und wir als noch junge Schüler haben einen Einblick in die Arbeit der Erwachsenen erhalten.
Während der Schulzeit wurden unter den Schülern einer Klasse verschiedene Räte gewählt – so gab es von Klasse 1 bis 3 einen Jungpionierrat, ab der 4. bis zur 7. Klasse einen Gruppenrat und ab der 8. Klasse einen FDJ-Rat. Die Mitglieder dieser Räte waren Schüler, die in der Regel gut in der Schule waren. Sie sollten die anderen Schüler leiten. Die Mitarbeit war zwar freiwillig, wurde aber erwartet. So gab es einen Gruppenratsvorsitzenden, einen Stellvertreter, einen Schriftführer, einen Kassenwart, einen Kulturbeauftragten, einen Wandzeitungsredakteur und einen Agitator. Die Rolle des Agitators wollte in der Regel nie jemand übernehmen, denn er hatte die Aufgabe, über politische Ereignisse zu berichten. Viel mehr Spaß hingegen hat mir die Arbeit als Wandzeitungsredakteur gemacht. Hier konnte man kreativ sein und sich ein Thema, über das man berichten wollte, selbst aussuchen.
Wer wollte, konnte auch dem Freundschaftsrat einer Schule beitreten. Der Freundschaftsrat bestand aus einem älteren Schüler, der bereits FDJ-Mitglied war, und verschiedenen jüngeren Schülern. Der Freundschaftsrat setzte sich für den Ausbau der Freundschaft mit Schülern aus der Sowjetunion ein, und so gab es viele Brieffreundschaften, in denen man sich schrieb und seine Russisch-, auf anderer Seite aber auch seine Deutschkenntnisse vertiefen konnte. Zu Weihnachten wurden dann liebevoll kleine Päckchen gepackt und an den jeweiligen Brieffreund verschickt.
Es gab auch die Möglichkeit, sich in Arbeitsgemeinschaften, sogenannte AGs, einzutragen. Ich hatte für mich die AG Schülerlotsen entdeckt. Hierbei lernten wir das richtige Verhalten im Straßenverkehr und durften später in Schülerlotsenuniform die Schüler, die vom Bus kamen, über den Zebrastreifen lotsen. Wir haben mit dieser AG auch an einem Kreisausscheid der besten Schülerlotsen teilgenommen und haben einen der ersten Plätze belegt.
Zum Abschluss der Schulzeit – als nur noch die Abschlussprüfungen anstanden – zogen wir an einem Tag total verkleidet durch das Schulhaus und feierten mit viel Krach das Ende der Schulzeit. Das war damals so üblich, um mit der Schulzeit abzuschließen.
Der Schulalltag in der DDR war ganz schön anders, als es deiner heute ist, oder? Mit der Wiedervereinigung wurden beide Schulsysteme zusammengeführt und angepasst. Sprich doch mal mit deinen Eltern oder Großeltern, welche Erinnerungen sie noch an ihr Schulleben haben.