Andere Bezeichnung: Numeralia (Singular: das Numerale)
Definition
Unter „Zahlwörter“ versteht man Wörter, die zu Gruppen zusammengehören, deren Mitglieder folgende Eigenschaften haben:
• Sie haben die gleiche syntaktische Funktion.
• Ihre Bedeutung ist auf einen bestimmten mathematisch beschreibbaren Zahlwert bezogen.
• Die grundlegenden Zahlwörter lassen sich nach ihrer Bedeutung so sortieren, dass sie der Reihe nach auf die Folge der natürlichen Zahlen (eins, zwei, drei usw.) bezogen sind.
Erläuterungen:
• Jede Spalte der Tabelle unten stellt eine solche Gruppe dar, wie in der Definition genannt.
• Wir können nicht die Gesamtheit dieser Wörter als eine einzige Wortart „Zahlwörter“ anerkennen, da ihre Gemeinsamkeit allein in der Bedeutung liegt. Je nach ihrer syntaktischen Funktion (und ihren Deklinationseigenschaften) müssen wir sie den Wortarten Adjektiv, Adverb oder Substantiv zuschlagen. Wir sprechen also von Zahladjektiven, Zahladverbien und Zahlsubstantiven.
Der Fall ist vergleichbar mit der Gruppe der Wörter, die eine Eigenschaft (im engeren Sinn) bezeichnen. Diese müssen sogar vier verschiedenen Wortarten zugeordnet werden; z.B. für die Eigenschaft „HEISS“: Adjektiv: calidus heiß, Adverb: calidē hitzig (wie in: calidē dīcere hitzig reden), Substantiv: calor Hitze, Verb: calēre heiß sein, glühen.
Wortbestand
(A) Mengenzahlwörter
(1) Mengenzahlwörter für Anzahl
Sie geben an, wie viele Gegenstände oder Sachverhalte einer angegebenen Art am Inhalt eines Satzes beteiligt sind.
(1a) für Gegenstände (= Kardinalzahlen) (Adjektive)
Frage: Wie viele?
• ūnus ein(er)
• duo zwei
• trēs drei
• quattuor vier, usw.
Das vollständige System der Kardinalzahlen sowie ihre Deklination findest du in den Tabellen unten.
(1b) für Sachverhalte (= Iterativzahlen) (Adverbien)
Frage: Wievielmal?
• semel einmal
• bis zweimal
• ter dreimal
• quater viermal, usw.
Das vollständige System der Iterativzahlen findest du in der Tabelle unten.
(1c) für Gegenstände pro Sachverhalt (= Distributivzahlen) (Adjektive)
Frage: Wie viele jedesmal?
• singulī je ein(er)
• bīnī je zwei
• ternī/trīnī je drei
• quaternī je vier, usw.
Das vollständige System der Distributivzahlen findest du in der Tabelle unten.
(2) Mengenzahlwörter für Mehrteiligkeit
Sie geben an, aus wie vielen gleichartigen oder verschiedenartigen, aber gleichwertigen Teilen ein Gegenstand oder Sachverhalt besteht.
(2a) für Gegenstände (Adjektive)
Frage: Wievielfach?
• simplex (Gen. simplic-is) einfach, einfältig
• duplex (Gen. duplic-is) zweifach, doppelt, zwiefältig
• triplex (Gen. triplic-is) dreifach, dreifältig
• quadruplex (Gen. quadruplic-is) vierfach, vierfältig, usw.
(2b) für Sachverhalte (Adverbien)
Frage: Wievielfach? Auf wievielfache Weise?
• simpliciter einfach, auf einfache Weise
• dupliciter zweifach, doppelt, auf doppelte Weise
• tripliciter dreifach, auf dreifache Weise
• quadrupliciter vierfach, auf vierfache Weise, usw.
(3) Mengenzahlwörter für relative Größe (nur Adjektive)
Sie geben an, welche Größe ein Gegenstand in einer bestimmten Dimension besitzt, wenn man die Größe eines anderen Gegenstands als Maßeinheit zugrunde legt.
Frage: Wievielmal so groß?
• simplus einfach = von gleicher/normaler Größe
• duplus zweifach, doppelt = doppelt so groß
• triplus dreifach = dreimal so groß
• quadruplus vierfach = viermal so groß, usw.
(4) Mengenzahlwörter für die Zahl als Gegenstand (Substantive)
Frage: Welche Zahl?
• ūniō (Gen. ūniōn-is) f. die Eins
• bīniō (Gen. bīniōn-is) m.(!) die Zwei
• terniō (Gen. terniōn-is) / trīniō (Gen. trīniōn-is) m.(!) die Drei
• quaterniō (Gen. quaterniōn-is) m.(!) die Vier, usw.
(B) Ordnungszahlwörter (= Ordinalzahlen)
Sie geben an, an welcher Position in einer Reihenfolge von Gegenständen oder Sachverhalten sich ein bestimmter Gegenstand oder Sachverhalt befindet.
(1a) für gleichartige Gegenstände (identifizierend) (Adjektive)
Frage: Der wievielte?
• prīmus der erste
• secundus der zweite
• tertius der dritte
• quārtus der vierte, usw.
Die Reihe wird abgeschlossen durch
• postrēmus / utimus / extrēmus der letzte
Das vollständige System der Ordinalzahlen für Gegenstände findest du in der Tabelle unten.
(1b) für verschiedenartige Gegenstände (prädikativ;
übergeordnetes Prädikat als Ordnungskriterium) (Adjektive)
Frage: Als Wievielter?
• prīmus als Erster,
• secundus als Zweiter,
• tertius als Dritter,
• quārtus als Vierter, usw.
Die Reihe wird abgeschlossen durch
• postrēmus / utimus / extrēmus als Letzter
Die Ordinalzahlen für verschiedenartige Gegenstände sind im Lateinischen formal nicht von denen für gleichartige Gegenstände (1a) unterscheidbar. Ob du nach (1a) oder (1b) übersetzen musst, erkennst du nur aus dem Textzusammenhang.
(2a) für gleichartige Sachverhalte (identifizierend) (Adverbien)
Frage: Zum wievielten Mal?
• prīmum / prīmō zum ersten Mal,
• iterum zum zweiten Mal,
• tertium zum dritten Mal,
• quārtum zum vierten Mal, usw.
Die Reihe wird abgeschlossen durch
• postrēmum / utimum / extrēmum zum letzten Mal
(2b) für verschiedenartige Sachverhalte (prädikativ) (Adverbien)
Frage: Als Wievieltes? An wievielter Stelle?
• prīmō (locō) / prīmum erstens, als Erstes, zuerst,
• secundō (locō) zweitens, als Zweites,
• tertiō (locō) drittens, als Drittes,
• quārtō (locō) viertens, als Viertes, usw.
Die Reihe wird abgeschlossen durch
• postrēmō (locō) letztens, als Letztes, zuletzt
Meist ist nur die Reihenfolge wichtig, nicht aber die genaue Identifizierbarkeit der Stelle; dann lautet die Aufzählung:
• prīmum…, deinde…, (post…,) tum…, postrēmō… (oder: dēnique…)
zuerst…, dann…, darauf…, (danach…,) zuletzt…;
erstens…, zweitens…, drittens…, (viertens…,) zuletzt… (oder: schließlich…)
Systeme der wichtigsten Zahlwortarten
Erläuterungen zur Tabelle
• Die Wörter der Tabelle weisen so viele größere und kleinere Unregelmäßigkeiten auf, dass wir darauf verzichtet haben, diese in der üblichen Weise zu markieren.
• Die Tabelle gibt nur so viele Zahlwörter an, dass daraus die Bildung des gesamten Systems erkennbar wird. Die übrigen Zahlen können nach Analogie ergänzt werden.
• Die Adverbendung -iēns tritt auch in der Form -iēs auf. Die bei Cicero übliche Form ist -iēns.
• Bei 1 Million und ihren Vielfachen kann centum mīlia weggelassen werden, z.B.:
÷ 1'000'000 = deciēns (= deciēns centum mīlia, wörtlich: zehnmal hundert Tausende);
÷ 2'000'000 = vīciēns (= vīciēns centum mīlia, wörtlich: zwanzigmal hundert Tausende).
• Für Zahlen mit sehr hohen Werten gibt es neulateinische (d.h. in der Zeit nach dem Mittelalter gebildete) Wörter:
— mīliō (Gen. mīliōnis) f. Million (= original-lateinisch deciēns, oder ausführlicher: deciēns centum mīlia);
— mīliardum n. Milliarde (= original-lateinisch deciēns mīliēns, oder ausführlicher: deciēns mīliēns centum mīlia oder deciēns mīliēns centēna mīlia; dies ist auch ein Beispiel dafür, dass die Römer bei den Vielfachen von tausend die Verteilungszahlen (hier: centēna, eigentlich: je hundert) oft wie gewöhnliche Zahlen verwendeten);
— bīliō (Gen. bīliōnis) f. Billion.
• Die römischen Zahlzeichen behandeln wir in einem eigenen Lexikonartikel.
Deklination
Dekliniert werden diejenigen Zahlwörter, die in der Tabelle eine Deklinationsendung in roter Schrift aufweisen. Wenn sie ein Substantiv begleiten, sind sie mit diesem kongruent (Ausnahme: mīlia ist nicht kongruent, es ist selber ein Substantiv). Wo die Endung im Plural steht (-ī, -ēs, -ia, -a), ist im Normalfall eine Verwendung des Wortes im Singular nicht möglich.
• ūnus, duo, trēs und mīlle werden dekliniert, wie in der Tabelle unten gezeigt.
• ūnus und alter werden als Pronominaladjektive dekliniert.
• trēs geht regelmäßig nach den Adjektiven der ī-Deklination (hat aber nur Plural!).
• mīlle geht als neutrisches Substantiv regelmäßig nach der ī-Deklination, hat aber im Singular nur Nominativ und Akkusativ. Wenn von mehreren Tausend Gegenständen die Rede ist, wird der gezählte Gegenstand im Gen.Pl. zum Substantiv mīlia hinzugefügt, z.B.:
÷ tria mīlia mīlitum (wörtlich:) drei Tausende der Soldaten = dreitausend Soldaten.
• Alle übrigen deklinierbaren Wörter der Tabelle gehen wie Adjektive der ō/ā-Deklination.
Beachte: Die Wörter quattuor, quīnque usw., aber auch vīgintī, trīgintā usw., centum, mīlle (als Adjektiv) weisen keine rote Endung auf, können also auch nicht dekliniert werden und sind nicht kongruent!