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(A)  s-zu-r-Regel

In der Position zwischen Vokalen wird s zu r; z.B.:
     ÷ Nom.Sg. s m. Sitte hat Gen.Sg. r-is (aus *s-is).
     ÷ esse sein hat den Stamm es-;
        dieser ist im Wortauslaut und vor Konsonant erhalten, z.B.: es du bist, es-t er ist;
        vor Vokal erscheint er-, z.B.: er-am (aus *es-am) ich war, er (aus *es) ich werde sein.
Ausnahme:  s bleibt zwischen Vokalen erhalten, wenn es aus einer Konsonantenkombination entstanden ist; z.B.:
      ÷ claudere schließen, Perfektstamm: (claud-s >) clausī, Supinstamm: (*claud-s-um >) clausum.

 

(B)  ĭ-zu-ĕ-Regel

In der Position vor r oder am Wortende wird ĭ zu ĕ; z.B.:
     ÷ in der ĭ-Konjugation:  Inf. *capĭre > capĕre fangen, Imp. *capĭ > capĕ, 2.Sg.Pas. *capĭris > capĕris
        (vergleiche: ohne Änderung 1.Pl. capĭmus);
     ÷ in der ī-Deklination:  Neutrum  *marĭ > marĕ Meer
        (vergleiche: ohne Änderung Nom./Akk.Pl. marĭa).
     ÷ in der kons./gem. Dekl. bei Stämmen auf is
        Nom. pulvĭs Staub, Gen. *pulvĭs-is > (s-zu-r-Regel) *pulvĭr-is > pulvĕr-is.
Ausnahme:  In der ersten Wortsilbe bleibt ĭ vor r erhalten, z.B.:  vĭr Mann, cĭrcus Kreis, fĭrmus fest.

 

(C)  Vokalhebungsregel

Die Regel bewirkt die Hebung bestimmter Vokale. Während der Lautbildung ist die Zungenposition bei i höher als bei e und bei e höher als bei a.

Die Kurzvokale ă und ĕ, wenn sie NICHT in der ersten Wortsilbe stehen, erscheinen:
• als ĭ, wenn nur 1 Konsonant oder ng folgt, z.B.:
     ÷ (con + căpere >) concĭpere aufnehmen (ursprünglich: *concĭpĭrĭ, aber danach ĭ-zu-ĕ-Regel > concĭpĕrĕ);
     ÷ (ē + lĕgere >) ēlĭgere auswählen (zu der Endung -ĕrĕ siehe oben concĭpere)
     ÷ von cădere fallen reduplizierter Perfektstamm: (*cecă >) cecĭ (Betonung auf dem e!);
     ÷ (von dăre geben: prō + dăt >) prōdĭt er gibt preis
        (Durch die Vokalschließungsregel fallen die Komposita von dăre aus der ă-Kjg. in die ĕ-Kjg.;
        die ā-Kjg. ist nicht betroffen, also nicht vocăt > **vocĭt, weil die Vokalkürzung *vocātvocăt
        (durch Vokalkürzungsregel) erst nach der Vokalschließungsregel geschah!);
     ÷ (von ăgĕre treiben: *agĕt >) agĭt;
     ÷ (ad + tăngere >) attĭngere berühren (zu der Endung -ĕrĕ siehe oben concĭpere).
• als ĕ, wenn mehrere Konsonanten folgen, z.B.:
     ÷ (ex + ărcēre >) exĕrcēre (jemanden) üben;
     ÷ (ars, Gen. artis Kunst + făcere > arti-făc-s >) artifĕx Künstler.

Die Diphthonge ae und au, wenn sie NICHT in der ersten Wortsilbe stehen, erscheinen als Langvokale:
ae als ī, z.B.:
     ÷ (con + laedere >) collīdere zusammenstoßen;
     ÷ von caedere umhauen reduplizierter Perfektstamm: (*cecae >) cecī (Betonung auf dem ersten ī!).
Ausnahme:  Am Wortende bleibt ae erhalten, z.B.:  amīcae.
au als ū, z.B.:
     ÷ (con + claudere >) conclūdere abschließen.

 

(D)  Vokalkürzungsregeln

(1) Ein Langvokal der letzten Wortsilbe wird gekürzt:
• vor m, t immer; z.B.: 
     ÷ *sīm > sĭm (1.Pl. sīmus; Kjv.Präs. von esse sein);
     ÷ *rēm > rĕm (Nom. rēs Sache);
     ÷ *vocēm > vocĕm (1.Pl. vocēmus; zu vocāre rufen);
     ÷ *sīt > sĭt (Kjv.Präs. von esse sein);
     ÷ *fīt > fĭt (1.Pl. fīmus; zu fierī werden);
     ÷ *vocāt > vocăt (1.Pl. vocāmus).
• vor l, r in mehrsilbigen Wörtern; z.B.: 
     ÷ *animāl > animăl Tier (Gen. animālis) (aber einsilbig: sāl Salz, sōl Sonne);
     ÷ *victōr > victŏr Sieger (Gen. victōris) (aber einsilbig: pār gleich, fūr Dieb).

(2) Ein Langvokal vor nt oder nd wird gekürzt; z.B.:
     ÷ *vocānt > vocănt (Inf. vocāre rufen);
     ÷ *vocāntēs > vocăntēs;
     ÷ *vocāndī > vocăndī.

(3) Ein Langvokal vor Vokal wird gekürzt (Binnenhiat-Kürzung); z.B.:
     ÷ *monēō > monĕō (Inf. monēre mahnen), *audīunt > audĭunt (Inf. audīre hören), *rēī > rĕī (Nom. rēs Sache).
Ausnahmen:  Keine Kürzung tritt ein:
— wenn ein dritter Vokal vorausgeht; z.B.: diēī (Nom. diēs Tag);
— im Stamm fī- von fierī werden, z.B.: fīō, fīunt; jedoch Kürzung, wenn „er“ folgt; z.B.: fĭerī, fĭerem;
— in der Genitiv-Endung -īus der Pronomen und Pronominaladjektive (doch im Vers auch kurz: -ĭus); z.B.:
     illīus (zu ille jener), sōlīus (zu sōlus allein);
— vor dem Vokativ-Ausgang ī der i-Stämme der ō-Dekl.; z.B.:
     Gāī (zum Namen Gāius), Pompēī (zum Namen Pompēius);
— in griechischen Fremdwörtern; z.B.: āēr Luft.

 

(E)  Vokaldehnungsregeln

(1) Ein Kurzvokal wird gelängt vor ns, nf, nct und nx, also vor n + Frikativ (= Reibelaut)
(denn c in den Kombinationen nct und nx wurde wie deutsches „ch“ gesprochen); z.B.:
      ÷ agēns (Gen. agĕntis, nt-Partizip zu agĕre treiben);
      ÷ cōn-ferre zusammentragen, vergleichen (gegenüber: cŏn-dūcere zusammenführen),
      ÷ īn-ferre hineintragen (gegenüber ĭn-dūcere hineinführen);
      ÷ sānctus heilig
      ÷ iŭngere verbinden, Perfektstamm: iūnxī, Supinstamm: iūnctus.
In Wirklichkeit wurde jedoch in allen diesen Fällen das n nicht mehr gesprochen,
stattdessen war der gelängte Vokal nasaliert: cōnsul = .

(2) Ein Kurzvokal wird gelängt vor g, wenn dieses vor stammbildendem t oder s stimmlos wird,
und ebenso vor d, wenn dieses vor stammbildendem s verschwindet
; z.B.:
      ÷ rĕgere lenken, Perfektstamm: (*rĕg-s-ī > rēc-s-ī =) rē, Supinstamm: (*rĕg-t-um >) rēctum;
      ÷ dīvĭdere teilen, Perfektstamm: (*dīvĭd-s-ī >) dīvī, Supinstamm: (*dīvĭd-s-um >) dīvīsum.

 

(F)  Auslautregel

Im Wortauslaut sind folgende Laute und Lautkombinationen erlaubt:

(1) alle Langvokale und Diphthonge: ā, ē, ī, ō, ū, ae, ei, oe, ui, au, eu.

(2) die Kurzvokale ă, ĕ.
Die übrigen Kurzvokale werden durch andere Vokale ersetzt:
ĭ > ĕ;  z.B.: ĭ-Kjg. Imperativ *capĭ > capĕ; ī-Dekl. Neutrum *marĭ > marĕ Meer.
ŏ > ĕ;  z.B.: Imperativ Passiv *sequesŏ > *sequesĕ > (s-zu-r-Regel) sequerĕ (zu sequī folgen).
ŭ > ū;  z.B.: ū-Dekl. Neutrum *cornŭ > cornū Horn.

(3) von den einfachen Konsonanten:
• die stimmlosen Verschlusslaute p, t, c.
Orthografisch finden sich im Wortauslaut einiger Partikeln auch b und d; stimmhaft war deren Aussprache aber nur in den Fällen, wo sie mit einem folgenden stimmhaft anlautenden Wort zusammengesprochen wurden, ansonsten war die Aussprache im Auslaut stimmlos: b = [p], d = [t].
• sonstige Konsonanten: s, m, n, l, r.

(4) von den Konsonantenverbindungen:
nt, nc.
• bestimmte Verbindungen mit auslautendem s, nämlich:
ls, rs, ns, aber nur, wo sie durch Schwund von t oder d entstanden sind, also aus lts/lds, rts/rds, nts/nds.
ps sowie dessen Verbindung mit vorausgehendem r, m, also: rps, mps.
bs und rbs kommen orthografisch vor, wurden jedoch als [ps] bzw. [rps] ausgesprochen.
x (= cs) sowie dessen Verbindung mit vorausgehendem l, r, n, also: lx, rx, nx.
Alle anderen Konsonantenverbindungen und alle langen Konsonanten (= Doppelkonsonanten) sind im Wortauslaut verboten.
• Ausnahmen in folgenden einsilbigen Einzelwörtern (und deren Ableitungen):  
      est er ist, ēst er isst, post nach, ast aber, fers du trägst, fert er trägt, vult er will.

 

(G)  Assimilationsregeln

Unter „Assimilation“ versteht man den Vorgang, dass zwei Laute im selben Wort oder in benachbarten Wörtern einander ähnlicher oder völlig gleich gemacht werden. Alle Informationen hierzu findest du unter dem Stichwort „Assimilation“.

 

(H)  Dissimilationsregeln

„Dissimilation“ ist das Gegenteil von „Assimilation“, also der Vorgang, dass zwei gleiche oder ähnliche Laute im selben Wort oder in benachbarten Wörtern verschieden(er) gemacht werden. Alle Informationen hierzu findest du unter dem Stichwort „Dissimilation“.