Ein Zählrohr ist ein Nachweisgerät für ionisierende Strahlung bzw. Teilchen.
Grundsätzlich besteht ein Zählrohr aus einer zylindrischen Ionisationskammer, in deren Achse ein isolierter dünner Draht verläuft und die mit einem Gas niedrigen Drucks gefüllt ist. Zwischen Draht und Zylinderwand liegt eine Hochspannung von einigen kV an; dabei ist der Draht i. A. als Anode und die Wand als Kathode geschaltet. Die Spannung ist gerade so groß, dass keine selbstständige Gasentladung auftritt. Wenn ein ionisierendes Teilchen oder Photon in das Z. eintritt, ionisiert es die Gasatome bzw. -moleküle und es entstehen Elektronen und positive Ionen. Das radialsymmetrische elektrische Feld ist in der Nähe des Drahts so stark, dass dort durch Stoßionisation eine Lawine von Sekundärelektronen erzeugt wird. Der Vervielfachungsfaktor kann dabei bis zu 106 betragen. Auch die Sekundärelektronen tragen zur Ionisierung des Gases bei. Diese Gasentladung kommt erst dann zum Stillstand, wenn die positive Raumladung der Ionen die Zählrohrspannung unter die Zündspannung senkt. Erst wenn alle Ionen die Kathode erreicht haben, wo sie mit Elektronen rekombinieren, ist das Zählrohr wieder betriebsbereit. Diese Zwischenzeit heißt Totzeit. Der durch die Entladungslawine erzeugte Spannungsstoß ist das Messsignal, das verstärkt und dann elektronisch registriert oder an einen Lautsprecher geleitet wird.
Die Zeitauflösung eines Zählrohrs kann durch geeignete Schaltungen oder Zusätze zum Füllgas verbessert werden. Im ersten Fall werden die Entladungen über einen hohen Ableitwiderstand (Löschwiderstand) mit 0,1–1 \(\text G\Omega\) oder elektronisch gelöscht (Totzeit 10 ms), im zweiten Fall können durch Zugabe von geringen Mengen an Halogenen Totzeiten im Bereich von ms erreicht werden.
Selbst wenn es in der Nähe eines Zählrohrs keinerlei Strahlungsquellen gibt, zeigt es Impulse an. Dieser sog. Nulleffekt wird durch radioaktive Substanzen in den Raumwänden oder der Raumluft (z. B. Radon) sowie durch die Höhenstrahlung ausgelöst. Er muss vor jeder Messung bestimmt und anschließend vom Messergebnis abgezogen werden.
Die Kennlinie oder Charakteristik eines Zählrohrs ist die Auftragung der Zählrate gegen die Zählrohrspannung U (Abb.). Man nimmt die Kennlinie auf, indem man vor einer Strahlungsquelle mit konstanter Aktivität die Zählrohrspannung kontinuierlich erhöht. Die niedrigste Spannung, bei der das Z. noch einen Impuls erzeugt, ist die Einsatzspannung. Rechts davon liegt der Proportionalbereich (Zählrate ~ Spannung), bei noch größeren Spannungen folgt der Auslösebereich (Plateaubereich, Zählrate konstant).
Im Proportionalbereich ist die Impulshöhe proportional zur Primärionisation und damit zur Teilchenenergie. Im Auslösebereich wird dagegen nur die Zahl der registrierten Teilchen bestimmt. Ein solches Auslösezählrohr heißt nach seinen Erfindern Hans Geiger und Walther Müller Geiger-Müller-Zählrohr (Geiger-Zähler).
Je nach Teilchenart muss der Zylinder des Z. anders konstruiert werden:
- Für Alphateilchen braucht man ein möglichst dünnes Eintrittsfenster aus Glimmer, Aluminium oder Ähnlichem, da die Zählrohrwände bereits einen erheblichen Teil der Alphastrahlung absorbieren.
- Betateilchen, d. h. Elektronen oder Positronen, durchdringen die Metallwände des Zylinders.
- Gamma- und Röntgenstrahlen (sehr kurzwellige Photonen) werden durch die Bildung von Fotoelektronen in einer Bleiumhüllung um das Z. nachgewiesen.
- Neutronenzählrohre werden mit lithium- und borhaltigen Ummantelungen und Füllgasen versehen; der Nachweis beruht auf den Kernreaktionen
\(\text n + {^6\text{Li} } \rightarrow {^3\text{He} } + \alpha\),
\(\text n + {^{10}\text B} \rightarrow {^7\text{Li} } + \alpha\)