Definition
Das „Prädikatsnomen“ ist ein Nomen (oder seltener ein anderer sprachlicher Ausdruck, der kein finites Verb oder Partizip ist), das als Prädikat eines Satzes verwendet ist.
Erläuterung:
• Das Prädikatsnomen ist meist durch das Hinzutreten einer Kopula (= eine Art von Hilfsverb) gekennzeichnet, im Lateinischen vor allem das Verb esse sein. Die Kopula kann in den alten Sprachen auch weggelassen werden.
• Wie jedes andere Prädikat muss das Prädikatsnomen wenn möglich mit seinem Subjekt kongruent sein.
Erscheinungsformen
Als Prädikatsnomen können folgende sprachliche Ausdrücke verwendet werden:
(1) Adjektiv mit Subjektkongruenz
÷ Mārcus indūstrius est.
Marcus ist fleißig.
÷ Equus pulcher est.
Das Pferd ist schön.
(2) Substantiv mit Subjektkongruenz
÷ Mārcus discipulus est.
Marcus ist (ein) Schüler.
÷ Equus animal est.
Das Pferd ist ein Tier.
(3) Substantiv ohne Subjektkongruenz
Wenn das Prädikatsnomen einen anderen Gegenstand bezeichnet als das Subjekt, gibt der Kasus des Prädikatsnomens das Sinnverhältnis zwischen beiden Gegenständen an und eine Kongruenz ist nicht mehr möglich. Das Prädikatsnomen kann dann in folgenden Kasus stehen:
• im Genitiv des Besitzers (Genitīvus possessīvus/possessōris):
÷ Equus mīlitis est.
Das Pferd (ist des Soldaten =) gehört dem Soldaten.
• im Genitiv der charakterisierten Person (Genitīvus „proprietātis“/quālificātī):
÷ Mīlitis est fortiter pūgnāre.
Es ist (normales Verhalten) eines Soldaten, tapfer zu kämpfen.
• im Genitiv der Eigenschaft (Genitīvus quālitātis):
÷ Equus magnae pulchritūdinis est.
Das Pferd ist von großer Schönheit (= sehr schön).
• im Ablativ der Eigenschaft (Ablātīvus quālitātis):
÷ Equus magnā pulchritūdine est.
Das Pferd ist von großer Schönheit (= sehr schön).
• im Lokativ:
÷ Mārcus Rōmae est.
Marcus ist in Rom.
(4) Adverb
÷ Mārcus ibī est.
Marcus ist dort.
(5) präpositionaler Ausdruck
÷ Mārcus in urbe est.
Marcus ist in der Stadt.
(6) Infinitiv
÷ Doctō hominī vīvere est cōgitāre.
Für einen gebildeten Menschen ist leben denken.
(Cicero: Tusculanen 5:111)
Scheinbares Prädikatsnomen
Da esse sein nicht nur als Kopula dient, sondern auch noch andere Funktionen hat, ist nicht jeder sprachliche Ausdruck, der mit esse verbunden wird, ein Prädikatsnomen.
(1) Ausdrücke bei esse als Vollverb
Als Vollverb bedeutet esse: vorhanden sein. Der Dativ des Besitzers (Datīvus possessīvus/possessōris) bezeichnet eigentlich die Person, für die etwas vorhanden ist. Z.B.:
÷ Equus mīlitī est.
Das Pferd (ist für den Soldaten vorhanden =) gehört dem Soldaten.
/ Der Soldat besitzt das Pferd. / Der Soldat hat ein Pferd.
(2) Ausdrücke bei esse als Umschreibungsverb
Partizipien können im Lateinischen, wenn sie nicht substantiviert oder adjektiviert sind, normalerweise nicht als Prädikatsnomen verwendet werden. Das vorzeitige Passivpartizip (= PPP), das nachzeitige Aktivpartizip (= PFA) und das Gerundiv verbinden sich aber mit esse zu umschriebenen Verbformen, d.h. sie gehen eine feste funktionale Verbindung mit esse ein. Während ein beliebiger Ausdruck bei der Verwendung als Prädikatsnomen seine Bedeutung nicht ändert, wird bei der Verbindung eines Partizips mit esse der ursprüngliche Funktionsbereich des Partizips erweitert oder eingeschränkt. Z.B.:
÷ Urbs dēlēta est.
Die umschriebene Verbform dēlēta est ist ein Perfekt Passiv und hat alle Tempusfunktionen, die auch ein Perfekt Aktiv haben kann:
[1.] Die Stadt wurde zerstört. (Erzähltempus in der Vergangenheit)
[2.] Die Stadt ist zerstört worden. (Vorzeitigkeit zur Gegenwart)
[3.] Die Stadt ist zerstört. (Resultat eines vergangenen Ereignisses in der Gegenwart)
Wenn das vorzeitige Passivpartizip (= PPP) dēlēta Prädikatsnomen wäre, müssten seine Funktionen auf die auch z.B. beim PC üblichen begrenzt sein. Als PC drückt es immer eine relative Zeitstufe aus, und zwar die Vorzeitigkeit wie bei Bedeutung [2.], gelegentlich mit einer resultativen Zusatzbedeutung wie in [3.]. Bedeutung [1.] zeigt jedoch die absolute Zeitstufe „Vergangenheit“, dazu noch als Erzähltempus. Für diese beiden Funktionen ist das vorzeitige Passivpartizip (= PPP) einzig und allein in der Verbindung mit dem Präsens von esse verwendbar.
÷ Urbs dēlenda est.
Die Stadt soll zerstört werden.
Die umschriebene Verbform dēlenda est besteht aus Gerundiv mit einer Form von esse. Eine solche Verbindung kann immer nur die (passivische) Notwendigkeit bezeichnen, alle anderen Verwendungsmöglichkeiten des Gerundivs sind ausgeschlossen. Daher handelt es sich auch hier um eine feste Verbindung, eine umschriebene Verbform.