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Definition

Eine „interrogativische Verschränkung“ liegt vor, wenn ein Fragewort (d.h. Fragepronomen oder Frageadverb) nicht Bestandteil des eigentlichen Fragesatzes ist, sondern eines Nebensatzes, der dem Fragesatz untergeordnet ist.

Erläuterungen:
• Da die Konstruktion „interrogativische Verschränkung“ im Deutschen kaum vorkommt, kann sie beim Übersetzen meist nicht wörtlich wiedergegeben werden. Gewöhnlich muss die Satzkonstruktion völlig geändert werden.
• Die Konstruktion kann sowohl im Fragehauptsatz als auch im Fragenebensatz auftreten.
• Eine ähnliche Konstruktion ist die „relativische Verschränkung“.

 

Übersetzungstechniken

Die wichtigsten Übersetzungstechniken für die interrogativische Verschränkung sind folgende:

(1)  Methode „komplette Ebenenvertauschung“
Der Nebensatz, der das Fragewort enthält, wird zum Fragesatz gemacht (also zur höheren Ebene), dann wird diesem der eigentliche übergeordnete Fragesatz (mit Subjunktion oder als Einschub) untergeordnet (also zur niedrigeren Ebene). Wichtig ist, dabei das Sinnverhältnis zwischen beiden Sätzen unverändert wiederzugeben.

(2)  Methode „Ebenenvertauschung des Frageworts“
Das Fragewort wird „gewaltsam“ in den eigentlichen übergeordneten Fragesatz eingegliedert. Im untergeordneten Satz erscheint statt des Frageworts ein Personalpronomen oder Demonstrativwort (d.h. Demonstrativpronomen oder Demonstrativadverb).

 

Beispiele

Grundsätzlich kann der Fragesatz mit jeder Art von Nebensatz verschränkt sein. Als Beispiele nehmen wir den ACI und das PC.
 

(1)  Verschränkung Fragesatz mit ACI

÷ [Quem timōrem mortis vīcisse] putātis?
Der eigentliche übergeordnete Fragesatz ist putātis ihr glaubt, das Fragewort quem steht jedoch im untergeordneten ACI (in eckigen Klammern [ ] ).

• Übersetzung nach Methode „komplette Ebenenvertauschung“:
Wer, glaubt ihr, hat die Furcht vor dem Tod besiegt?
Der ACI ist zum Fragesatz geworden:  Wer hat den Tod besiegt?
Der Fragesatz putātis ist zum Einschub geworden:  glaubt ihr.

• Übersetzung nach Methode „Ebenenvertauschung des Frageworts“:
Von wem glaubt ihr, dass er die Furcht vor dem Tod besiegt hat?
Das Fragewort quem wer? (Subjekt des ACI) ist in den eigentlichen Fragesatz putātis glaubt ihr gewaltsam eingegliedert:  Von wem glaubt ihr …?
Der ACI wird wie üblich als dass-Satz übersetzt, in dem statt des Frageworts ein Personalpronomen steht:  dass er die Furcht vor dem Tod besiegt hat.

 

(2)  Verschränkung Fragesatz mit PC

÷ [Quōs labōrēs passus] Aenēās in Italiam pervēnit?
   Wörtlich:  [Welche Mühsale erlitten habend] gelangte Äneas nach Italien?

• Übersetzung nach Methode „komplette Ebenenvertauschung“:
Welche Mühsale musste Äneas erleiden, um nach Italien zu gelangen? 
(oder: … bis er nach Italien gelangte?)
Das PC wird zum Fragesatz: Welche Mühsale musste Äneas erleiden?
Der Hauptsatz Aenēās in Italiam pervēnit Äneas gelangte nach Italien wird zum final-konsekutiven Nebensatz: um nach Italien zu gelangen.
Der final-konsekutive Sinn ergibt folgendermaßen: Da der lateinische Nebensatz die Voraussetzung oder Ursache für den lat. Hauptsatz ist, ist logischerweise der lat. Hauptsatz die Folge (= konsekutiv) oder erwünschte Folge (= Zweck = final) des lat. Nebensatzes.

• Übersetzung nach Methode „Ebenenvertauschung des Frageworts“:
Diese Methode ist hier nicht anwendbar, da quōs labōrēs welche Mühsale nicht sinnvoll in den Hauptsatz Aenēās in Italiam pervēnit Äneas gelangte nach Italien eingegliedert werden kann.