Direkt zum Inhalt

Geboren in Konolfingen bei Bern (Schweiz) am 5.1.1921, gestorben in Neuenburg (Schweiz) am 14.12.1990:
Dürrenmatt, Spross einer Pfarrersfamilie, studierte Philosophie, Literatur- und Naturwissenschaften. Er arbeitete zunächst als Zeichner, Grafiker und Theaterkritiker, entschied sich dann aber schon früh für den Beruf des Schriftstellers. Zusammen mit Max Frisch gilt Dürrenmatt als bedeutendster Vertreter der deutschsprachigen Literatur in der Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg. Er erhielt u.a. 1983 den Österreichischen Staatspreis für europäische Literatur und 1986 den Georg-Büchner-Preis.

Sinnlose Welt

Der Erzähler, Dramatiker, Hörspielautor und Essayist Dürrenmatt begegnete der komplexen Wirklichkeit der zweiten Hälfte des 20. Jh. mit einem entschiedenen Urteil: Die Welt ist "sinnlos" und ein "Rätsel an Unheil". Die ethischen, politischen und religiösen Normen schienen ihm durch Technisierung und Gottlosigkeit fragwürdig geworden zu sein. Was regiert ist der Zufall. Daher ist das menschliche Handeln absurd und jeder Versuch, die Welt zu gestalten, zum Scheitern verurteilt. Der Einzelne kann nur versuchen, sie zu überstehen. Diese Tatsache führt - so Dürrenmatt in seinen theoretischen Schriften Theaterprobleme (1955), Theater-Schriften und Reden (1966-72) - zur Herausbildung des sog. ironischen Helden. Dichterische Mittel, eine auf diese Weise wahrgenommene Wirklichkeit zu gestalten, sind für Dürrenmatt  das Paradoxon und die Groteske, Parodie und Satire sowie die Tragikomödie, eine Mischform aus Tragödie und Komödie.

Der Zufall als Grundprinzip

Um den Zufall als Handlungselement in seinen Texten zu etablieren, wählte Dürrenmatt zwei Modelle:

  • Die langsame Enthüllung zufälliger Personenkonstellationen: Die Personen der Handlung verhalten sich in einer fragwürdigen Welt zunächst unangepasst und errichten dadurch eine groteske Gegenwelt. Ihr Handeln erweist sich zwar als planvoll überlegt, wird jedoch durch eine Personenkonstellation, die vom Zufall bestimmt ist, ins Absurde geführt. Ein Beispiel dafür ist die Komödie Die Physiker (1962).
Ähnlich aufgebaut ist die Komödie Romulus der Große (1949), in der der letzte römische Kaiser versucht, durch Tatenlosigkeit und Hühnerzucht sein Reich den Germanen preiszugeben. Er möchte so noch mehr Blutvergießen verhindern, doch es stellt sich heraus, dass Germanenführer Odoaker nach denselben Grundsätzen handelt.
  • Der Einbruch des Zufalls in die Welt: In seinen Kriminalromanen Der Richter und sein Henker (1952), Der Verdacht (1953) und Das Versprechen (1958) lässt allein der Zufall den Kriminalisten scheitern oder erfolgreich sein. Umgesetzt wird der Zufall in Dramen wie Ein Engel kommt nach Babylon (1954), Der Besuch der alten Dame (1956), Der Meteor (1966), Die Wiedertäufer (1967, 1. Fassung 1947) und Herkules und der Stall des Augias (1954) durch einzelne Figuren, an denen sich die Fragwürdigkeit der Welt erweist.
Das Urteil über die eigene Zeit ist auch da deutlich, wo Dürrenmatt auf historische Stoffe zurückgreift, und es ist getragen von seiner Sehnsucht nach einer besseren Welt, so auch in seinen späten Stücken Der Mitmacher (1976), Die Frist (1977) und Achterloo (1983).

Schlagworte

  • #Schweiz
  • #Nachkriegsliteratur