Jedes Jahr stellen sich zahlreiche Eltern dieselbe Frage: „Soll mein Kind in den Ferien lernen?“ Aber seit der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Schulschließungen hat die Frage eine Dringlichkeit bekommen. In diesen Zeiten konnte längst nicht der gesamte relevante Unterrichtsstoff vermittelt werden. Was dafür und dagegen spricht, in den Ferien zu lernen, und wie das Lernen aussehen könnte, verraten wir Ihnen hier.
Aktuelle Entwicklung in den Schulen
Laut einer aktuellen Umfrage der Telekom Stiftung sehen sich vier von fünf Schüler*innen nach dem Corona-Chaos im Lernrückstand. Über die Hälfte der befragten Kinder sei zwar ganz gut mit dem Lernen zu Hause klar gekommen, aber dennoch wünschen sich über 90% wieder zurück in den normalen Unterricht. Bei der Frage, wie die Wissenslücken aufgearbeitet werden, sehen 90% der Eltern die Schule in der Pflicht. Auch wenn einige Schulen darauf bereits mit digitalen Lernangeboten oder Ferienkursen reagiert haben, stehen flächendeckende Maßnahmen über das Aufholpaket der Bundesregierung noch aus.
Was spricht gegen das Lernen in den Ferien?
Genauso wie für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der Urlaub sind für die Kinder die Ferien zur Erholung da. Im Urlaub sind berufliche Aktivitäten arbeitsrechtlich gar nicht erlaubt. Jetzt könnte man zwar einwerfen, dass Arbeiten ja wesentlich anstrengender ist, als den halben Tag in der Schule zu sitzen. Dabei vergisst man aber, dass das ständige Erlernen von neuem Wissen und das Konzentrieren für die Schülerinnen und Schüler durchaus sehr ermüdend ist. Die Ferien dienen als Ausgleich zum stressigen Schulalltag, wo die Kinder einfach mal machen können, was sie möchten, und ihren Interessen nachgehen können.
Die Pause hilft außerdem, etwas Abstand zur Schule und dem damit einhergehenden Leistungsdruck zu gewinnen. Der ständige Wettbewerb mit den Klassenkameraden – im Unterricht, aber auch auf dem Pausenhof – kann zu einer hohen psychischen Belastung führen. Die Ferien befreien Ihren Sohn und Ihre Tochter zumindest temporär von diesem Druck.
Es gibt nicht viele Kinder, die wirklich gern zur Schule gehen. In den jüngeren Klassen werden die Schülerinnen und Schüler zwar noch von ihrer Neugierde getrieben, aber je älter sie werden, desto größer wird die Ablehnung gegen die Schule. Werden die Lernenden jetzt auch noch dazu verdonnert, in den Ferien Schulstoff aufzuarbeiten, dann wächst der Unmut und die Einstellung der Schülerinnen und Schüler gegenüber der Schule verschärft sich. Mal ganz abgesehen davon, dass die schlechte Laune der Kinder die ganze Urlaubsstimmung vermiesen kann und dem Haussegen schadet.
Was spricht für das Lernen in den Ferien
Wenn Kinder in den Ferien lernen, kommt das selten von ihnen selbst. Der Anstoß kommt meist von den Eltern, die sich Sorgen um die Noten und damit auch um die Zukunft ihrer Kinder machen. Sie wünschen sich, dass ihrem Nachwuchs später alle Türen offen stehen, und dafür bilden gute Zeugnisse eine wichtige Grundlage. Wenn das Kind aber – wie oben beschrieben – Spaß daran hat, Neues zu lernen, sollte diese Neugierde keinesfalls von den Eltern ausgebremst werden. In einigen Fällen wollen die Lernenden von sich aus ihre Schulleistungen verbessern. Wenn Schülerinnen oder Schüler also selbst in den Ferien motiviert an ihren Schulstoff gehen, sollten die Eltern ihnen auch genügend Raum und Zeit dafür geben.
Sinnvoll ist das Lernen in den Ferien außerdem, wenn bei den Kindern individueller Nachholbedarf besteht. Das dürfte in diesem Sommer bei vielen Kindern der Fall sein, denn das Homeschooling hat bei den Familien mal besser, mal weniger gut geklappt. Die Doppelbelastung mancher Eltern hat dazu geführt, dass nicht überall der geforderte Stoff durchgenommen werden konnte und die Kinder nicht auf dem gleichen Stand wie der Rest der Klasse sind.
In verschiedenen Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass die Lernpause in den Ferien sich negativ auf das schulische Level der Schulkinder auswirken kann. Besonders in Sachen Rechtschreibung und Mathematik wird von einem „Sommervergessen“ gesprochen. Hier fallen die Kinder in den Studien nach den 6 Wochen Nichtstun zum Großteil auf ein früheres Niveau zurück. Auch wenn die Untersuchungen gezeigt haben, dass die Lernenden einige Wochen nach Beginn des neuen Schuljahres die Verluste wieder aufgeholt haben, ergibt es Sinn, besonders für diese Bereiche einige Lerneinheiten in den Ferien einzuplanen.
Im stressigen Schulalltag kommen Familien seltener dazu, neue Lernformate oder kreatives Lernen mit ihren Kindern auszuprobieren. Dafür sind die Ferien genau die richtige Zeit. Die Abwechslung durch Ausflüge ins Technikmuseum, das alltägliche Anwenden der gelernten Fremdsprache und Führungen durch historische Gebäude tun den Kindern gut. Das fördert die Motivation und hilft den Kindern, dem Thema Lernen positiv gegenüberzustehen.
Quelle: https://lerntipps.lerntipp.at/lernen-in-den-ferien-ferieneffekt/
Die richtige Dosierung
Auch wenn Sie das Gefühl haben, Ihr Kind hat nach dem Homeschooling Aufholbedarf, zwingen Sie es in den Ferien nicht dauerhaft an den Schreibtisch. Die erste Hälfte der Ferien sollte auf jeden Fall lernfrei bleiben und genug Zeit für Aktivitäten mit Freunden und Freundinnen und der Familie bieten. Auch Ausschlafen und Chillen sind wichtig für die Erholung der Kinder.
In der zweiten Ferienhälfte können Sie dann nach und nach ein paar Lernphasen mit Ihrem Kind durchführen. Wenn dann die Schule wieder beginnt, haben die Kinder sich schon wieder etwas an das Lernen gewöhnt und der Stoff wurde ihnen zurück ins Gedächtnis gerufen. Aber auch hier ist es wichtig, dass Ihre Kinder weiterhin das Feriengefühl behalten und genug Zeit für Freizeit haben. Empfehlenswert sind kurze, über die Woche verteilte Lernphasen, statt einmalig stundenlang zu pauken. Die Konzentrationsspanne von Kindern liegt bei etwa 20 Minuten, je nach Alter des Kindes. Nur so lange können sie ihre Aufmerksamkeit auf ein Thema fokussieren. Längere Lernphasen sind daher weniger effektiv und nicht nachhaltig.
Ein Lernplan hilft
Damit die Kinder das Lernen in den Ferien nicht als störend empfinden, ist es wichtig, die Lernzeit mit ihnen gemeinsam fest in den Tagesablauf einzuplanen. Man könnte zum Beispiel regelmäßig nach dem Frühstück ein kurzes Diktat durchführen oder vor dem Abendessen ein paar Aufgaben im Bruchrechnen lösen. Wenn Ihr Kind feste Zeiten für das Lernen hat, kann es die freie Zeit davor und danach besser auskosten. Wichtig ist, dass die Inhalte der Lernphasen den Interessen der Kinder entsprechen. Sie sollten in den Ferien nichts lernen müssen, worauf sie gar keine Lust haben. Denn dann wäre der Streit vorprogrammiert.
Es kann auch sinnvoll sein, gemeinsam die Lernziele für die Sommerferien festzulegen, zum Beispiel: „Ich möchte die Bildung der Vergangenheiten im Englischen über die Ferien nicht vergessen“ oder „Ich möchte den Flächeninhalt von Dreiecken, Vierecken und Kreisen berechnen können“. Bei der Formulierung sollten Sie möglichst konkret und realistisch sein. Zu hoch gesteckte Ziele können Ihre Tochter oder Ihren Sohn schnell frustrieren. Das gemeinsame Ziel am besten aufschreiben und Ihrem Kind sichtbar an den Schreibtisch hängen, das wirkt motivierend.
Lernmotivation fördern
Tja, das klingt einfach, ist aber gar nicht so einfach. Wie bekommt man das Kind so begeistert zum Lernen, wie es das erste Level des neuen Computerspiels durchspielt? Dafür gibt es keine Zauberformel. Aber ein Ansatz könnte sein, dass Sie mit Ihrem Kind eine Belohnung für das Durchhalten beim Lernen in den Ferien verabreden. Beispielsweise könnten Sie ihm erlauben, für jede konzentrierte Lernphase einen Abend eine halbe Stunde länger aufzubleiben. Oder sie versprechen einen Tagesausflug zum Minigolf oder einen Kinobesuch. Die Aussicht auf die Belohnung kann in Sachen Motivation Wunder wirken, vorausgesetzt sie ist erreichbar und transparent.
Weitere Tipps, wie Sie Ihr Kind zum Lernen motivieren können, geben wir Ihnen hier. Und hier finden Sie weitere Hinweise, wie Sie Ihr Kind optimal unterstützen können.
Kreative Lernformen ausprobieren
Wie wir oben schon erwähnt haben, sind die Ferien eine gute Möglichkeit, um alternative Lernformate auszuprobieren und Ihrem Kind das Wissen etwas anschaulicher zu vermitteln. Je nach Wohnort haben Sie hier natürlich mal mehr, mal weniger einfache Möglichkeiten. Die Arbeit der Recherche nach Angeboten in Ihrer Region wird sich aber durch die Begeisterung Ihres Kindes auszahlen.
Einige Ideen haben wir hier zusammengestellt:
- Lernspiele
- Postkarten/Briefe schreiben aus dem Urlaub (oder aus Balkonien)
- Comics und andere Bücher lesen
- Ferientagebuch schreiben
- Besuch spannender Museen (für Kinder) wie Technikmuseum oder auch Naturkundemuseum
- Urlaubskasse verwalten lassen (was auch zusätzlich die Selbstständigkeit Ihrer Kinder fördert)
- Sinnvolle außerschulische Aktivitäten anfangen/fördern
- Besuch von Tierparks oder Zoos
- Historische Gebäude oder Einrichtungen besuchen (Burgen, Grenzanlagen …)
- Recherche und Planung eines Ausflugs/Urlaubstags mit Präsentation der wichtigen Informationen
- Teilnahme an Ferientheatern oder Feriencamps, je nach Verfügbarkeit in Ihrer Region
- Interaktives Lernen mit digitalen Lernplattformen
Ob das Lernen in den Ferien für Ihr Kind nötig ist, können wir Ihnen hiermit nicht eindeutig beantworten. Das richtige Vorgehen hängt von Ihrer individuellen Situation ab. Wichtig ist bei allem aber, dass Sie Ihr Kind in die Pläne einbeziehen und sich sein Einverständnis holen. Denn sonst hilft auch der ausgeklügelte Lernplan mit spannenden Aktivitäten nicht und Sie haben sowohl sich als auch Ihrem Kind die Ferienlaune getrübt.