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Nichtversetzung – Katastrophe oder neue Chance?

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Die Ausgabe der Zeugnisse kann bei den einen Freude, bei anderen aber auch Sorgen und Ängste auslösen. Nämlich dann, wenn die schlechten Noten die Versetzung gefährden. Wie Sie auf dieses erste Warnsignal reagieren können, haben wir Ihnen bereits hier ans Herz gelegt. Aber was tun, wenn dann tatsächlich der „blaue Brief“ ins Haus flattert oder Ihr Kind sitzen bleiben muss? Oder sollte bei einem unbefriedigenden Zeugnis sogar freiwillig wiederholt werden? Sogar Albert Einstein oder Harald Schmidt haben in ihrer Schulzeit eine Klasse wiederholt. Sitzen bleiben ist also kein Beinbruch – oder doch? Wir beleuchten in diesem Artikel die Vor- und Nachteile der Nichtversetzung.

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Regelungen bei Nichtversetzung

Üblicherweise kann sich das Sitzenbleiben bereits im Zwischenzeugnis mit der Bemerkung ankündigen, dass die Versetzung gefährdet ist. Zusätzlich gibt es in Form des „blauen Briefes“ etwa 4 Wochen vor Schuljahresende noch eine letzte Warnung. Hat sich die Leistung bis zum nächsten Zeugnis dann tatsächlich nicht verbessert, gibt es in den meisten Bundesländern die Möglichkeit der Nachprüfung.

Das Sitzenbleiben wird immer wieder heiß diskutiert. Nicht nur unter Eltern, sondern auch in der Politik. Da Bildung in Deutschland Ländersache ist, gelten je nach Bundesland verschiedene Regeln. Diese können zusätzlich nach Klassenstufe oder Schulform variieren. Auch die Möglichkeit der Nachprüfung besteht nicht in allen Bundesländern. In Berlin beispielsweise wurde die Ehrenrunde in den Sekundarschulen abgeschafft. Hier können Schuljahre nur noch freiwillig wiederholt werden. In Schleswig-Holstein dagegen gibt es die Nichtversetzung nur noch nach der 6. oder nach der 9. Klasse. Wie genau dieses Thema in Ihrem Heimatbundesland zurzeit organisiert ist, finden Sie auf den Webseiten der Kultusministerien. Oder aber Sie erkundigen sich bei der Schulleitung oder der Elternvertretung Ihrer Schule.

Im Prinzip ist es für jedes Schulkind möglich, eine Klasse freiwillig zu wiederholen. In folgenden Fällen ergibt es Sinn, dass Ihr Kind eine Stufe wiederholt:

  • längere Abwesenheiten aufgrund von Krankheit oder Krankenhausaufenthalt
  • unruhige Phasen zu Hause (zum Beispiel Scheidung, Krankheit, Todesfall)
  • schlechte Noten in mehreren oder allen Fächern
  • persönliche Probleme als Ursache der Lernschwierigkeiten
  • Probleme im Klassenzusammenhalt oder beim Zusammenspiel mit der Lehrkraft

Weniger sinnvoll ist es in diesen Fällen:

  • einzelne schwächere Fächer/Noten, aber solides Gesamtbild
  • Umgang mit anderen Schülern und Schülerinnen sehr zurückhaltend oder ängstlich
  • dauerhafte Lernunlust (Der Wechsel der Stufe allein hilft hier nicht.)
  • absehbar vorübergehende Ursachen der schlechten Leistung

Die Abschaffung der Nichtversetzung

Bei der Einführung des Schulsystems mit Jahrgangsklassen ist man davon ausgegangen, dass gleichaltrige Kinder auch ungefähr den gleichen Entwicklungsstand haben. Das sollte zu etwa gleichen schulischen Leistungen führen. Ist das nicht der Fall, wird das Kind quasi ein Entwicklungslevel zurückgestuft. Heutzutage ist dieses Modell sehr umstritten. In einer Studie der Bertelsmann-Stiftung wurde die Nichtversetzung als unwirksam gekennzeichnet. Die nicht versetzten Lernenden weisen laut der empirischen Untersuchung keine dauerhaft bessere kognitive Lernleistung in der niedrigeren Klassenstufe auf. Und auch beim vorherigen Klassenverband, von dem man annahm, er werde durch die Schwachen geschwächt, konnte keine Verbesserung durch das Aussortieren festgestellt werden. Auch PISA 2009 untermauert diese These. Die dort gut abschneidenden Länder wie Finnland und Singapur haben eine Widerholungsquote von 2,8 bzw. 5,4 %. In Deutschland liegt diese Quote eher bei 21 % und auf die schlechten Ergebnisse im PISA-Test müssen wir sicher nicht genauer eingehen.

Ein komplettes Jahr zu wiederholen ist sehr zeitintensiv. Für die Schüler und Schülerinnen verlängert sich die Schulzeit entsprechend, was bedeutet, dass sie erst ein Jahr später ihre Ausbildung beginnen und ins Arbeitsleben einsteigen können. In der heutigen Leistungsgesellschaft ist das für Nichtversetzungs-Gegner ein K.-o.-Kriterium. Mit intensiveren Lernförderungen ließen sich die Lernschwächen auch kurzfristig beheben. Die jährlich ca. 250.000 Sitzenbleibenden kosten den Steuerhaushalt etwa eine Milliarde Euro. Dieses Geld wäre in kurzfristigen Präventivmaßnahmen besser aufgehoben. In Nordrhein-Westfalen etwa gibt es mit der Nachricht der Versetzungsgefährdung bei den Zwischenzeugnissen individuelle Empfehlungen für Lernunterstützung. Auch das motivationssteigernde Programm „Duales Lernen“ zwischen Schulen und Betrieben oder Werkstätten ist hier denkbar.

Für das Schulkind selbst kann das Sitzenbleiben ein Synonym für das eigene Versagen sein. Es schämt sich vor den Freunden und Freundinnen und der Erwartungsdruck der Eltern steigt. Die Nichtversetzung wird für das Kind zu einer psychischen Belastung, die sich natürlich auf die Lernmotivation auswirkt. In der neuen Klasse müssen die Wiederholenden neuen Anschluss finden und sich in das bestehende Klassenkonstrukt integrieren. Je nach Charakter Ihres Kindes kann das eine große Herausforderung sein. Viele Kinder empfinden diese Tatsache als Bestrafung.

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Sitzenbleiben als Chance

Auf der anderen Seite kann eine Nichtversetzung aber auch als neue Chance angesehen werden. Wie in der Einleitung angedeutet haben auch erfolgreiche Männer wie Albert Einstein, Thomas Mann und Winston Churchill eine Ehrenrunde gedreht – und trotzdem ist etwas aus ihnen geworden. Ein „blauer Brief“ ist also keine Katastrophe.

Einigen Schulkindern gibt eine Wiederholung einer Klassenstufe mehr Selbstsicherheit. Denn wenn sie die Grundlagen nicht verstanden haben, kann auch der neue Stoff der höheren Klassenstufe nicht aufgenommen werden. Die Kinder schalten dann ab oder stören im Unterricht. Aber nach dem Sitzenbleiben nehmen die ersten besseren Noten in den Klassenarbeiten ihnen die Angst und stärken die Motivation. Der Wissensdurst wird von Neuem entfacht.

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Statt ein Kind mit ständiger Nachhilfe durch die Schulzeit zu schleifen, kann die Nichtversetzung zur Entlastung werden. Die Nachmittage muss es nicht mehr stundenlang am Schreibtisch verbringen, sondern hat mehr Zeit für Hobbys und Freundschaften. Auch diese außerschulischen Aktivitäten stärken die Persönlichkeit Ihres Kindes.

Wie bereits erwähnt ist das freiwillige Wiederholen für diejenigen Kinder hilfreich, die beispielsweise wegen einer Krankheit einen großen Teil des Unterrichts verpasst haben. Auch wenn Ihre Familie im letzten Jahr eine schwere Zeit durchgemacht hat, sei es wegen eines Scheidungsprozesses oder eines Todesfalls, konnte Ihr Kind sich wahrscheinlich weniger auf den Schulstoff konzentrieren und die Noten sacken ab. Auch hier ist die Nichtversetzung eine geeignete Maßnahme für einen Neustart und ein besseres Zeugnis.

Schwere Entscheidung: Nichtversetzung – ja oder nein?

Egal ob Ihr Kind aufgrund des Schulrechts zum Sitzenbleiben genötigt ist oder Sie Ihr Kind freiwillig zurückstufen möchten: Die hier genannten Pros und Kontras der Nichtversetzung sollen Ihnen einen umfassenden Überblick geben. Welchen Weg Sie für Ihr Kind am besten wählen, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern hängt von jedem Einzelfall ab. Wichtig ist, dass Sie Ihr Kind aufmerksam beobachten und bei einem Leistungsabfall frühzeitig Maßnahmen ergreifen. Hier haben wir Tipps für Sie, wie Sie bei schlechten Noten reagieren sollten.

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