Lernen neu gedacht – neu gemacht

Wie können wir unsere Kinder bestmöglich auf die Zukunft vorbereiten? Was sollen Kinder heutzutage eigentlich in der Schule lernen? Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten benötigen sie, um sich eigenständig in die Gesellschaft einbringen und diese mitgestalten zu können?

Die Vereinten Nationen haben die größten Herausforderungen der Menschheit durch die 17 Nachhaltigkeitsziele klar benannt. Unsere und folgende Generationen müssen so zum Beispiel wirkende Maßnahmen zum Klimaschutz finden oder saubere und bezahlbare Energie sicherstellen. Dafür ist natürlich der Erwerb von Wissen aus verschiedenen Disziplinen notwendig. Doch das allein wird den komplexen Problemen nicht gerecht.

Softskills der Zukunft

Deshalb spielen vor allem die Entwicklung und Entfaltung von Kompetenzen wie Kreativität und kritischem Denken eine zentrale Rolle. Genau dadurch befähigen wir unsere Kinder, eigenständig zu denken und neue Antworten auf die Fragestellungen und die Herausforderungen unserer Zeit zu finden. Kreativ denken und handeln zu können, hilft unseren Kindern dabei, auch mal eine veränderte Perspektive auf ein Problem einzunehmen, also „um die Ecke zu denken“ und neue Wege zu gehen.

Dabei spielen auch Kommunikationsfähigkeiten und miteinander kooperieren zu können eine zentrale Rolle. Es geht also nicht um Wettbewerbsdenken oder dem Auswendiglernen von Fachwissen – hier sind uns Maschinen sowieso schon längst überlegen. Vielmehr kommt es darauf an, komplexe Entscheidungen treffen zu können und gemeinsam mit anderen zusammenzuarbeiten, um Lösungen zu entwickeln.

Digitale Kompetenzen – ganz zentral

Neben all den beschriebenen “Softskills” sind digitale Kompetenzen genauso wichtig. Dies bedeutet aber nicht nur die Nutzung und kritische Auseinandersetzung von digitalen Diensten, sondern ebenso die eigenständige und kreative Erstellung von Inhalten. Damit wird keineswegs von jedem Kind gefordert, dass es Programmierer*in wird. Wir haben ja auch nicht die Erwartungshaltung, dass Kinder, die lesen und schreiben lernen, alle Poet*innen oder Schriftsteller*innen werden. Es geht vielmehr darum, ein grundlegendes Verständnis von Computersystemen und deren Funktionsweisen zu entwickeln, um sie selbst und aktiv sinnstiftend für Projektideen einsetzen zu können.

Foto: Andi Weiland / Junge Tüftler*innen

Kurz gesagt: In einer digitalisierten Gesellschaft ist es essenziell, dass Kinder und Jugendliche digitale Kompetenzen erwerben, um aktiv gestaltend mitwirken zu können.

GoodLab – Tüftelort für eine nachhaltigere Welt

Seit Oktober hat in Berlin das GoodLab der Junge Tüftler gGmbH eröffnet – ein neuer Lern- und Tüftelort im Herzen der Hauptstadt. Hier wird die Zukunft des Lernens heute schon praktiziert. Kinder und Erwachsene lernen, Ideen für eine nachhaltige Gesellschaft mit digitalen Technologien sinnstiftend umzusetzen und die Welt nachhaltig zu gestalten.

Wie wollen wir in Zukunft leben? Wie sieht für uns ein nachhaltiger Stadtteil aus? Und wie können wir die digitale Welt gerechter gestalten? Neben Workshops am Nachmittag und offenen Werkstätten umfasst das kostenfreie Angebot auch Projekttage für Schulen am Vormittag. Die Schüler*innen lernen hier eigene Apps zu programmieren, forschen über den CO2-Fußabdruck ihrer Ernährung und erstellen softwaregesteuerte Quiz. Im Fokus der Workshops steht immer eines der 17 Nachhaltigkeitsziele, mit denen sich die Schüler*innen kritisch auseinandersetzen und auf ihre Fragen mithilfe digitaler Tools Antworten finden.

Im Workshop “Plastic Fantastic” erlernen Teilnehmende, wie Kunststoffe geschmolzen und zu neuen Produkten weiterverarbeitet werden können. Durch Recycling wird so Müll zu einem wertvollen Rohstoff. In den Projekten setzen sich die Schüler*innen nicht nur mit Themen der Nachhaltigkeit auseinander, sondern erlernen gleichzeitig spielerisch den Umgang mit zeitgemäßen Werkzeugen und Technologien. Mit dabei sind Lasercut, 3-D-Druck, Programmierung oder Virtual Reality. Viele Formate werden auch online angeboten, sodass Tüftelnde von jung bis alt von überall aus teilnehmen können. So will das GoodLab nicht nur Lernende für Themen der Nachhaltigkeit sensibilisieren, sondern gleichzeitig die Zukunft des Lernens neu denken.

Aktuelle Online-Events im GoodLab

Foto: Andi Weiland / Junge Tüftler*innen

Spielerisches Lernen – ein Ansatz mit Zukunft

Unser Zeitalter ist digital und gleichzeitig stehen wir vor komplexen Herausforderungen wie dem Klimawandel oder sich ausbreitenden Pandemien. Deshalb brauchen wir für eine nachhaltige Zukunft gute Ideen und Visionen. Gute Ideen benötigen jedoch Freiräume, die in der Realität oftmals durch Schule und Leistungsbewertungen eingeschränkt werden.
Um dem entgegenzuwirken, orientiert sich das GoodLab am Ansatz des „Playful Learnings“, des spielerischen Lernens. Anders als im herkömmlichen Unterricht passiert das Lernen vielmehr nebenbei. Die Kinder arbeiten an konkreten Projekten und entscheiden selbst, was zu tun ist. Die Lehrperson bzw. der / die Mentor*in nimmt dabei eine eher begleitende Rolle ein.

Die Lernenden werden mit pädagogischen Hilfestellungen und aktivem Zuhören durch den Lernprozess begleitet. Durch das “Making”, also das Tüfteln, Experimentieren, Spielen, Programmieren, Erforschen, Bauen und Reflektieren, entdecken die Lernenden eigene Talente, die sie weiterentwickeln können. Sie begreifen buchstäblich wichtige Zusammenhänge. So wird das Gelernte viel nachhaltiger gespeichert und Wissen leichter aufgebaut. Vor allem aber erfahren die Lernenden durch das Umsetzen eigener Ideen, dass sie selbst etwas bewirken können. Und das löst solche Glücksgefühle aus, dass man ständig weiter tüfteln und lernen will.

Wer sind die Jungen Tüftler*innen?

Hinter dem GoodLab steckt das Team der Junge Tüftler gGmbH, die mit der TüftelAkademie auch eine frei zugängliche Onlinelernplattform voller Projektideen betreibt. Hier können Lernende und Lehrende Inspiration und konkrete Anleitungen fürs einfach loslegen finden.

Im Sommer 2021 haben die Gründerinnen Dr. Julia Kleeberger und Franziska Schmid im Dudenverlag “Gemeinsam tüfteln statt einsam glotzen: Clevere Experimente für Kinder und Eltern.” veröffentlicht. Das Buch steckt voller Tüftelprojekte für Eltern und Kinder (5-8 Jahre), erläutert allerdings auch den didaktischen Ansatz des Berliner Sozialunternehmens genauer und bietet Tipps und Einblicke für Tüftelinteressierte jeden Alters.

Cover Duden 3D Web

Textauszug aus "Gemeinsam tüfteln statt einsam glotzen: Clevere Experimente für Kinder und Eltern."

Die Zukunft wird kreativ – so seid ihr bereit!

Wenn wir kreativ sind, dann gestalten wir unsere Umgebung und erschaffen etwas Neues. Meist sind wir dabei von einer inneren Energie, einem Schaffensdrang angetrieben, der uns beflügelt, mehr Wissen und Können zu erwerben. Dies können wir dann sinnstiftend zu etwas Kreativem, Neuem verbinden. Und dabei muss es nicht immer gleich die nächste Marssonde sein, die wir erfinden – auch beim Backen oder bei der Gestaltung des Balkonbeetes können wir kreativ sein.

„Bei Kreativität geht es nicht einfach nur um künstlerisches Tun; vielmehr ist sie der Kern jeglicher Innovation“, so Balder Onarheim, Professor für Kreativität an der Technischen Universität Dänemark.

Deshalb ist Kreativität auch unerlässlich für unser Überleben und dafür, dass wir uns ständig weiterentwickeln. Indem wir Dinge in neue Zusammenhänge setzen, gewohnte Nutzungen hinterfragen, neu kombinieren und weiterentwickeln, also indem wir frei herumtüfteln und experimentieren, erschaffen wir Neues.

Das Gute dabei: Wir Menschen sind von Natur aus kreativ. Das erleben wir auch regelmäßig in unseren Veranstaltungen, so z. B., als wir mit Kindern in einem unserer Workshops leuchtende Luftballons gebaut haben (das Projekt findet ihr auch hinten im Praxisteil). Während wir gerade ganz vertieft mit ein paar Kindern tüftelten, sahen wir, dass der fünfjährige Kolya neben uns aus den herumliegenden Materialien einfach ein leuchtendes Luftschiff baute – ohne dass ihn jemand dazu ermuntert hätte oder es eine Anleitung dafür gegeben hätte.

Jede und jeder hat die einzigartige Fähigkeit, sich Dinge auszudenken und vorzustellen, die bisher noch nicht existieren. Kreativität ist wie ein Muskel, den wir regelmäßig trainieren müssen, um in Übung zu bleiben, doch leider tun wir das in unserem Alltag viel zu wenig. Daher haben einige Vordenker erkannt, dass Schule genau der richtige Ort ist, um Kreativität zu üben und sich Methoden anzueignen, sie auch ein Leben lang zu erhalten. Diese wichtigen Zukunftskompetenzen werden auch als 21st Century Skills bezeichnet. Neben Kollaboration, selbstständigem Handeln und kritischem Denken zählen auch Kreativität und Digital-Kompetenzen dazu.

[…]

Doch was genau sind die Bedingungen, die Voraussetzung dafür sind, dass es gelingt, Zukunftskompetenzen in die Schule zu integrieren, und wie stellt man das eigentlich an? Mit unseren Workshops liefern wir hier eine Antwort, wie diese neue Lernkultur umgesetzt werden kann.

Tüfteln. Eine neue Kultur des Lernens

Als wir 2015 mit unseren Tüftel-Workshops anfingen, wagten wir einen Blick in die Schule, und was wir sahen, beunruhigte uns: uniforme Tische und Stühle, in Reih und Glied ohne jegliche Materialien, die zum Bauen oder Experimentieren anregten. Zu der Zeit waren wir des Öfteren in FabLabs und Makerspaces unterwegs: kreative, offene Werkstätten mit einfachem Zugang zu Maschinen und einer einladenden Atmosphäre, um freudig draufloszutüfteln. Der Zugang zu verschiedenen Materialien und Maschinen einerseits sowie der Austausch mit Gleichgesinnten andererseits förderte ein kreatives Miteinander: Wir kombinierten leitfähige Garne mit Stoffen in Webmaschinen, wir experimentierten mit 3-D-Druckern und Lasercuttern und wir löteten verschiedenste Bauteile an Mikrocontroller.

Es entstanden Kleidungsstücke, die zu blinken begannen, wenn sich Menschen näherten, Armbänder, die beim Händedrücken Sounds machten, oder einfach nur Nonsense-Maschinen, die zufällig Wasser spritzten. Warum? Einfach, weil es möglich war! Und uns wurde klar: Kreativität braucht einen Raum, um sich zu entfalten. Es ist wichtig, einladende Umgebungen zu gestalten, die offen sind und in der Menschen angstfrei miteinander tüfteln und sich austauschen können oder auch mal für sich alleine werkeln.

[…]

Beim Tüfteln ist es essenziell, dass man ausprobieren und herumexperimentieren kann, um Erfahrungen zu machen und dabei ganz spielerisch zu lernen. Wir werden beim Tüfteln also jedes Mal auch wieder ein bisschen schlauer. Dabei hat das gemeinsame Herumtüfteln auch noch einen guten Nebeneffekt: Unsere Kinder erwerben dabei wichtige Kompetenzen, die ihnen später auch beruflich helfen, denn Dinge wie Teamfähigkeit, problemlösungsorientiertes Denken und Kreativität sind Schlüsselkompetenzen, auf die es im Berufsleben ankommt. Routinearbeiten werden mehr und mehr von Robotern und Maschinen übernommen. Die Anforderungen an unsere Arbeitsplätze ändern sich in einem so rasanten Tempo, dass wir nicht wissen können, welche Berufe unsere Kinder einmal ausüben werden, denn die Hälfte der in Zukunft existierenden Berufe ist noch nicht einmal erfunden. Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Kinder dazu befähigen, ihre schöpferischen Potenziale zu entfalten, und ihnen das Werkzeug an die Hand geben, die Welt kreativ mitzugestalten. Computer und Technologien sind in diesem Prozess wichtige Tools, die uns helfen können, unsere Fantasie zu beflügeln. Dabei ist wichtig, sie auch sicher und sinnvoll einzusetzen. Auf den kommenden Seiten geben wir euch dazu unsere Tipps und Empfehlungen.