Dyskalkulie – alles, was Sie über Rechenschwäche wissen sollten

Dyskalkulie, Rechenschwäche, Schwierigkeiten in Mathematik: Nur weil Ihr Kind sich beim Rechnen ab und zu vertut oder nicht jedes neue Thema gleich beim ersten Mal versteht, hat es nicht gleich eine Rechenschwäche. Selbst, wenn ihr Kind grundlegende und anhaltende Probleme mit Zahlen und Rechnen hat, müssen Sie nicht verzweifeln – eine Dyskalkulie kann gut behandelt werden und die Probleme können behoben oder stark abgemildert werden. Wie Sie eine Rechenstörung erkennen und wie Sie Ihr Kind bei der Behandlung unterstützen können, erklären wir Ihnen im Folgenden.

Was ist Dyskalkulie? Bedeutung und Definition

Wörtlich übersetzt bezeichnet der Begriff „Dyskalkulie“ eine „schlechte Rechenfähigkeit“. Im Allgemeinen versteht man darunter aber eine Störung beim Erwerb sehr grundlegender mathematischer Begriffe und Fähigkeiten – gängige deutsche Begriffe sind Rechenstörung, Rechenschwäche oder besondere Schwierigkeiten im Rechnen.

Die Bezeichnung Rechenschwäche kann als Sammelbegriff für erhebliche und lang anhaltende Schwierigkeiten beim Erlernen der Mathematik verstanden werden, die nicht durch eine stark unterdurchschnittliche Intelligenz, eine organische Ursache (bspw. aufgrund einer Sehstörung) oder durch eine fehlende Beschulung zu erklären sind.

Übrigens: Schwierigkeiten beim Erwerb der Schriftsprache bezeichnet man als Legasthenie oder Lese-Rechtschreib-Störung. Auch diese ist eine anerkannte schulische Entwicklungsstörung.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Rechenschwäche und Intelligenz?

Nein! Die Rechenstörung ist eine sogenannte umschriebene Entwicklungsstörung, d. h. es treten beim Erlernen der Mathematik Entwicklungsverzögerungen auf, die nicht durch mangelnde Intelligenz erklärbar sind. Viele Kinder haben besondere Schwierigkeiten beim Mathematiklernen, obwohl sie in den anderen Fächern gut mitkommen.

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Was ist der Grund für eine Rechenschwäche?

Die Forschung zur Dyskalkulie hat in den letzten Jahrzehnten gezeigt, dass es nicht eine klar umrissene Ursache für eine Rechenschwäche gibt. Viele Faktoren können eine Rolle spielen:

Faktoren, die eine Rechenstörung begünstigen:

  • Geringes zahlen- und mengenbezogenes Vorwissen bei Schuleintritt (z. B. kein sicherer Umgang mit Begriffen wie „mehr“ oder „weniger“)
  • Störungen oder Entwicklungsverzögerungen bei den visuell-räumlichen Fähigkeiten
  • Aufmerksamkeitsstörungen

Wenn es zu einer schwer ausgeprägten Rechenstörung kommt, wirken in der Regel mehrere dieser Faktoren zusammen. Aber: Keine der oben genannten „Ursachen“ führt automatisch zu einer Rechenschwäche.

Mythos:

Eine Dyskalkulie kann man nicht durch einen „Hirnscan“ diagnostizieren. Zwar nutzt man in der Forschung sogenannte bildgebende Verfahren, um zu ergründen, welche Hirnregionen typischerweise beim Rechnen aktiv werden. Die Frage, ob ein bestimmtes Kind eine Dyskalkulie hat oder nicht, kann damit aber nicht beantwortet werden.

Wie kann man eine Rechenschwäche erkennen?

Ob Ihr Kind grundlegende Schwierigkeiten beim Mathematiklernen hat, lässt sich verlässlich durch ein ausführliches diagnostisches Interview erkennen, bei dem eine Fachkraft Ihr Kind beobachtet und mit ihm über seine Denk- und Vorgehensweisen spricht. Es gibt nämlich keine besonderen Fehler, die nur Kinder mit einer Rechenschwäche machen. Nutzt ein Kind aber über längere Zeit und ohne erkennbare Entwicklung immer wieder ungünstige Strategien beim Rechnen, so braucht es oft besondere Unterstützung. Viele jüngere Kinder mit einer Rechenschwäche rechnen z. B. ausschließlich zählend. Bei der Aufgabe „8+3“ gehen sie von der Zahl „8“ aus drei Schritte in der Zahlwortreihe weiter: „9, 10, 11!“ Diese Strategie kann anfangs zu Erfolgserlebnissen führen, ist aber fehleranfällig und in größeren Zahlenräumen nicht mehr anwendbar.

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Häufige Beobachtungen bei einer Rechenschwäche::

  • Fehler beim Zählen, z. B. „38, 39, 50, 51“
  • Fehler beim Lesen und Schreiben von Zahlen, z. B. „34“ für „dreiundvierzig“
  • Zählendes Rechnen (s. o.)
  • Fehlendes Verständnis dafür, welche Rechenart zu welcher Situation passt; Schwierigkeiten mit Textaufgaben
  • Fehlendes Verständnis für Beziehungen zwischen Aufgaben, z. B. Verständnis dafür, dass „99 + 23=100 + 22“
  • Mangelndes Verständnis für das Stellenwertsystem

Machen Sie häufiger solche Beobachtungen und hat Ihr Kind trotz häufigen Übens starke Schwierigkeiten im Mathematikunterricht, könnte eine Rechenschwäche vorliegen.

Was kann man gegen eine Rechenschwäche tun?

Wie das Lesen ist die Beherrschung grundlegender mathematischer Fähigkeiten eine Kulturtechnik. Wer Mathematik nicht versteht, kann auch in vielen anderen Fächern den Anschluss verlieren.

Manchmal helfen zusätzliche Übungen: Es können aber nicht alle Eltern gleich gut Mathematik erklären. Oft nehmen es sich Eltern auch zu sehr zu Herzen, wenn beim Kind trotz aller Bemühungen nicht unmittelbar große Erfolge eintreten. Dann kann die nötige Ruhe und Geduld fehlen, sich auf die Schwierigkeiten des Kindes, aber auch auf seine Gedanken zu mathematischen Problemen einzulassen.

Bevor Frust entsteht oder sogar die Beziehung Schaden nimmt, ist es eine gute Idee, z.B. die Großeltern oder andere Verwandte, Freunde und Bekannte einzubeziehen.

Wichtig sind auch gute Absprachen mit der Lehrkraft, die Mathematik unterrichtet. Wer genau weiß, was in der Schule erwartet wird und was nicht, kann am besten helfen. Umgekehrt hilft es Lehrerinnen und Lehrern, wenn sie wissen, wie ein Kind in der häuslichen Übungssituation zurechtkommt.

Rahmenbedingungen für die Übungen zu Hause:

  • Mit dem Kind zusammen die richtige Tageszeit für die Übungseinheiten finden.
  • Übungsroutinen entwickeln ist wichtig. Daher immer die gleiche Uhrzeit zum Üben wählen.
  • Kurze Lerneinheiten zwischen 10 und 15 Minuten pro Tag wählen.
  • Das Wochenende sollte Freizeit bleiben.
  • Loben nicht vergessen – es sollten keine negativen Erfahrungen entstehen.
  • Rechtzeitig abbrechen – Lernfrust macht Erfolge sehr schnell zunichte.
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Wenn die Übungen zu Hause nicht funktionieren, sollten unbedingt professionelle Lerntherapeuten und -therapeutinnen kontaktiert werden.

Eine professionelle Unterstützung von auf Mathelernschwächen spezialisierten Therapeuten ist für die Behandlung und Entwicklung des Kindes sehr wichtig. Diese Experten bringen die besonderen psychologischen und didaktischen Fähigkeiten mit, um Kinder mit einer Rechenschwäche beim Lernen zu unterstützen.

Jede seriöse Lerntherapie beginnt mit einer umfassenden Diagnose. Hierbei werden der Entwicklungsstand und die allgemeinen kognitiven Fähigkeiten des Kindes überprüft. Auch werden Informationen zur Vorgeschichte und zum Lernumfeld erhoben. Natürlich wird der Lernstand in der Mathematik erfasst. Auf Grundlage der Diagnose wird ein individueller Therapieplan entwickelt, der genau zu den Bedürfnissen des jeweiligen Kindes passt.

Im Verlauf der Therapie sollte die Lehrkraft des Kindes möglichst regelmäßig einbezogen werden.

Weitere Links

Der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e. V. stellt vielfältige Informationen zum Thema Dyskalkulie zur Verfügung. Eine Telefonberatung kann dienstags und mittwochs genutzt werden. Persönliche Beratungsgespräche werden von den Landesverbänden des Legasthenie & Dyskalkulie e. V. angeboten.