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Andere Bezeichnung:  Lautangleichung

 

Über das Wort „Assimilation“

Genus, Betonung:  die Assimilation
Plural:  die Assimilationen
Abkürzung:  Ass.
Herkunft:  von lat. assimulātiō/assimilātiō Ähnlichmachung  (zu assimulāre/assimilāre ähnlich machen; von similis ähnlich)

 

Definition

„Assimilation“ ist eine Art der Lautveränderung in Wörtern. Unter „Assimilation“ versteht man den Vorgang, dass zwei (meist benachbarte) Laute im selben Wort oder in benachbarten Wörtern einander ähnlicher oder völlig gleich gemacht werden.

Erläuterungen:  
• Die Assimilation wird in der Grammatik mit Lautregeln beschrieben. Diese sind in jeder Sprache verschieden, aber immer durch die Möglichkeiten der Artikulation (Artikulationsorgane, Artikulationssteuerung im Gehirn) bestimmt. Die im lateinischen gültigen Assimilationsregeln findest du weiter unten.
• Das Gegenteil von Assimilation ist Dissimilation (= Entähnlichung / Verschiedenmachung von Sprachlauten).

 

Allgemeine Funktionsweise

 

(1)  Zweck

Die Assimilation benachbarter Laute bewirkt, dass die Lautkombination leichter ausgesprochen werden kann. Je ähnlicher sich benachbarte Laute sind, desto weniger Energie benötigen die Zunge und die anderen Sprechorgane, sich von einem Laut auf den nächsten umzustellen. (Wenn nicht unmittelbar benachbarte Laute assimiliert werden, wird nur die Sprechsteuerung durch das Gehirn erleichtert.)
 

(2)  Betroffene Laute

Die assimilierten Laute stehen im Lateinischen immer unmittelbar nebeneinander (in anderen Sprachen auch durch andere Laute getrennt), und entweder im selben Wort oder vor und nach der Wortgrenze von benachbarten Wörtern. Bei der Assimilation zweier Laute kann entweder der erste an den zweiten angeglichen werden oder umgekehrt oder jeder von beiden wird dem anderen ein Stück ähnlicher. Im Lateinischen wird bei Konsonanten fast ausnahmslos der erste Laut an den zweiten assimiliert, bei Vokalen kommen beide Richtungen vor.
 

(3)  Betroffene Eigenschaften der Laute

Wenn die Laute nicht gleich, sondern nur ähnlicher gemacht werden, bedeutet das, dass nur bestimmte Eigenschaften der Laute gleich gemacht werden, während andere verschieden bleiben. Im Lateinischen kann die Assimilation folgende Eigenschaften der Laute betreffen (vergleiche die Tabelle unter Lautsystem!): Stimmzustand, Artikulationsart und Artikulationsstelle. 

(3a)  Ein einziges Merkmal wird assimiliert

• Stimmzustand (stimmhaft, stimmlos):
  ÷ *scrīb-tus  >  scrīp-tus geschrieben (von scrīb-ere schreiben)
Das b übernimmt von dem folgenden t den Stimmzustand „stimmlos“ und wird dadurch zum p. Die Laute b und p sind fast gleich; sie unterscheiden sich nur im Stimmzustand, da b stimmhaft und p stimmlos ist; die Artikulationsart (Plosiv = Verschlusslaut) und die Artikulationsstelle (Labial = Lippenlaut) beider Laute sind gleich.

• Artikulationsart (Plosiv = Verschlusslaut, Frikativ = Reibelaut, Nasal = Nasenlaut usw.):
  ÷ *teg-mentum mit g = [g]  >  teg-mentum mit g = [ŋ] (also gesprochen wie „teng-mentum“) Decke, Dach (von teg-ere bedecken)
Das g übernimmt von dem folgenden m die Artikulationsart „Nasal“ und wird dadurch zum [ŋ], geschrieben g. Die Laute g = [g] und g = [ŋ] sind fast gleich; sie unterscheiden sich nur in der Artikulationsart, da g = [g] Plosiv (= Verschlusslaut) und g = [ŋ] Nasal ist; der Stimmzustand (stimmhaft) und die Artikulationsstelle (Velar = Hintergaumenlaut) beider Laute sind gleich. (Da den Römern ein eigenständiges Zeichen für [ŋ] fehlte, benutzten sie dafür je nach Fall die Zeichen g oder n, die für Laute stehen, die dem [ŋ] sehr ähnlich sind.)

• Artikulationsstelle (Labial = Lippenlaut, Dental = Zahnlaut, Palatal = Vordergaumenlaut usw.):
  ÷ *in-pōnere  >  im-pōnere  darauflegen
​Das n übernimmt von dem folgenden p die Artikulationsstelle „Labial“ und wird dadurch zum m. Die Laute n und m sind fast gleich; sie unterscheiden sich nur in der Artikulationsstelle, da n Dental und m Labial ist; der Stimmzustand (stimmhaft) und die Artikulationsart (Nasal) beider Laute sind gleich.

(3b)  Zwei Merkmale werden assimiliert

Eine Assimilation in zwei Merkmalen, die keine Totalassimilation ist, kommt im Lateinischen nur in wenigen Einzelfällen vor, z.B.:
• Stimmzustand + Artikulationsart
  ÷ *sop-nus  >  som-nus  Schlaf (zu sop-or Tiefschlaf)

(3c)  Alle Merkmale werden assimiliert (Totalassimilation)

Eine Assimilation in allen Merkmalen (soweit sie nicht schon gleich sind) führt zu einem Doppellaut aus zwei gleichen Lauten, die als ein einziger langer Laut gesprochen werden. Dieser Fall ist im Lateinischen bei Konsonanten sehr häufig.
  ÷ *ob-currere  >  oc-currere  entgegenlaufen
  ÷ *ad-ferre  >  af-ferre  herbeitragen
  ÷ *ced-sit  >  ces-sit  er ging weg  (zu cēdere weggehen)
  ÷ *sup-mus  >  sum-mus  der höchste (zu sup-erus oben befindlich)
  ÷ *sub-rogāre  >  sur-rogāre  nachwählen
  ÷ *vel-se  >  vel-le  wollen
 

Verhinderte Assimilation

Verschiedene Gründe können eine erwartbare Assimilation verhindern:
 

(1)  Assimilationslaut fehlt

In manchen Fällen steht der gewünschte Assimilationslaut nicht zur Verfügung. Im Lateinischen wird in diesen Fällen der erste Laut der Lautkombination getilgt und zum Erhalt der Silbenlänge der vorausgehende Vokal gedehnt (zur Silbenlänge siehe Silbe > Regeln der Silbenquantität). 

(1a)  s + stimmhafter Konsonant

Die Assimilation des s unterbleibt, da das erwartbare Ergebnis, ein stimmhaftes s, im lateinischen Lautsystem nicht vorgesehen ist. Statt einer Totalassimilation entschieden sich die Römer für die Tilgung des s:
  ÷ *dis-gerere  >  dī-gerere  einteilen
  ÷ *dis-vellere  >  dī-vellere  zerreißen

(1b)  Nasal + stimmloser Frikativ

Die Kombination „Nasalkonsonant + stimmloser Frikativ (= Reibelaut)“ war im Lateinischen (wie z.B. auch im Griechischen) unerwünscht. Da die Nasalkonsonanten aber im lateinischen Lautsystem nur stimmhaft vorkommen und kein stimmloses Gegenstück haben und umgekehrt die Frikative nur stimmlos vorkommen, wurde als einfachste Lösung der Nasalkonsonant beseitigt. Trotzdem wurde der Nasalkonsonant weiterhin geschrieben, um anzuzeigen, dass der vorausgehende Vokal zum Nasalvokal geworden war.
  ÷ *in-ferre  >  īn-ferre    hineintragen 
     (Das Lautschriftzeichen ĩ bezeichnet ein nasaliertes i.)
  ÷ *man-sit  >  mān-sit    er blieb  
     (Das Lautschriftzeichen ã bezeichnet ein nasaliertes a.)
  ÷ *iunc-tus  >  iūnc-tus    verbunden 
     (Das Lautschriftzeichen ũ bezeichnet ein nasaliertes u. Vor stimmlosem
     Konsonanten wurde c ausgesprochen wie [x] = deutsches ch wie in Dach.)
 

(2)  Assimilationsergebnis undeutlich

Wenn bei der Assimilation ein Ergebnis herauskäme, bei dem einer der zusammengefügten Teile nicht mehr deutlich erkennbar wäre oder eine Verwechslungsgefahr bestände, wird in manchen Fällen auf die Assimilation verzichtet. Wenn die betroffene Lautkombination zu schwer sprechbar erscheint, kann ein Übergangslaut eingefügt oder auf eine Nebenform ausgewichen werden.

(2a)  ab + Konsonant
  ÷ ab-cēdere weggehen kann nicht assimiliert werden,
     da das erwartbare Assimilationsergebnis ac-cēdere schon vorhanden ist
     als Zusammensetzung aus ad + cēdere in der Bedeutung herankommen.
     Es wird auf die Nebenform abs- ausgewichen:  abs-cēdere .
     Dagegen wird sub-cēdere nachfolgen zu suc-cēdere assimiliert, da hier
     keine Verwechslungsmöglichkeit besteht.

(2b)  m + t,  ms
Die erwartbaren Assimilationsergebnisse wären:  
• m + t  >  *nt
• m + s  >  *ns  (wobei das n nur als Nasalierung des vorausgehenden Vokals gesprochen würde; siehe (1b))
Wenn das m Stammauslaut ist, wäre der Stamm des Wortes nach der Assimilation nicht mehr deutlich genug erkennbar. Da aber die Lautkombinationen mt und ms dem Römer zu schwer sprechbar erschienen, wurde der Übergangslaut p eingefügt:
  ÷ *m-tus genommen (von sūmere nehmen) wird nicht zu *n-tus assimiliert, 
     sondern erweitert zu  m-p-tus.
  ÷ *m-sit er nahm (von sūmere nehmen) wird nicht zu *n-sit  assimiliert, 
     sondern erweitert zu  m-p-sit.
  ÷ *contem-tus verachtet (von contem-n-ere verachten) wird nicht zu *conten-tus assimiliert,
     da dieses schon als Partizip von contendere anspannen und continēre zusammenhalten
     vorhanden ist; stattdessen wird es erweitert zu  contem-p-tus.

 

ASSIMILATION BEI KONSONANTEN

In fast allen Fällen wird der erste Konsonant an den zweiten assimiliert.
Beachte:  Bei Zusammensetzungen mit Präpositionen wird die Assimilation in den Texten oft nicht geschrieben, obwohl sie gesprochen wurde (= etymologische Schreibweise = Schreibung nach der Herkunft). Z.B.:
  ÷ oft geschrieben:  ad-ferre (statt af-ferre)  herbeibringen  (immer gesprochen: )
 

(A)  Plosiv + t/s

Ein Plosiv (= Verschlusslaut) vor t oder s wird stimmlos (wenn er es noch nicht ist).
Die Kombination ts wird totalassimiliert zu ss (siehe (E) d/t + Konsonant).
  ÷ cap-tus:  p ist schon stimmlos  (von cap-ere fangen)
  ÷ *scrīb-tus  >  scrīp-tus  (von scrīb-ere schreiben)
  ÷ *ad-trahere  >  at-trahere  anziehen
  ÷ *scrīb-sit  >  scrīp-sit  (von scrīb-ere schreiben
  ÷ *excut-sit  >  excus-sit  (von excut-ere abschütteln)
  ÷ *ced-sit  >  *cet-sit  >  ces-sit  (von cēd-ere weggehen)
Beachte:  Bei Zusammensetzungen mit ob und sub wird die Assimilation zwar gesprochen, aber nicht geschrieben:
  ÷ sub-trahere [sup'trahɛrɛ] wegziehen
  ÷ ob-tinēre  einnehmen
 

(B)  Plosiv + Nasal

Ein Plosiv (= Verschlusslaut) vor Nasal wird zum Nasal, behält aber seine Artikulationsstelle.
  ÷ *sup-mus  >  sum-mus  der höchste (zu sup-erus oben befindlich)
  ÷ sub-mittere  >  sum-mittere  zu Hilfe schicken
  ÷ ad-mittere  (>  am-mittere)  zulassen
     Bei ad wird die Assimilation meist nicht geschrieben.  
  ÷ *sec-mentum  >  seg-mentum mit g = [ŋ] (also gesprochen 
​     wie „seng-mentum“) Abschnitt  (von sec-āre schneiden)
  ÷ *teg-mentum mit g = [g]  >  teg-mentum mit g = [ŋ] (also gesprochen
     wie „teng-mentum“) Decke, Dach  (von teg-ere bedecken)
  ÷ *sop-nus  >  som-nus  Schlaf  (zu sop-or Tiefschlaf)
  ÷ *Sab-nium  >  Sam-nium  Samnium (Landschaft nordöstlich von Neapel;
     zu Sabīnī Sabiner)
     Bei sub, ob und ab wird die Assimilation nicht geschrieben:
     ÷ sub-nectere  unten anknüpfen
  ÷ ad-nuere  >  an-nuere  zunicken
  ÷ *sec-num  >  g-num mit g = [ŋ] (gesprochen wie „siengnum“) 
     Zeichen  (ursprünglich: Einschnitt; von sec-āre schneiden)
  ÷ *reg-num mit g = [g]  >  g-num mit g = [ŋ] (gesprochen wie „reengnum“)
     Königreich  (von reg-ere regieren)
 

(C)  b + Plosiv/Frikativ/r  (einschließlich sub-ob-)

Wenn sub- oder ob- vor dentalem Plosiv (= Verschlusslaut) oder Frikativ (= Reibelaut) steht, wird nur der Stimmzustand des b assimiliert, die Assimilation wird jedoch nicht geschrieben. Vor anderen Plosiven oder Frikativen wird das b totalassimiliert.
  ÷ sub-trahere [sup'trahɛrɛ]  wegziehen
  ÷ ob-servāre  beobachten
  ÷ *ob-pōnere  >  op-pōnere  entgegenstellen
  ÷ *sub-cēdere  >  suc-cēdere  nachfolgen 
  ÷ *ob-ferre  >  of-ferre  anbieten

Das b von sub kann an folgendes r totalassimiliert werden:
  ÷ *sub-ripere  >  sur-ripere  heimlich wegnehmen, entwenden  (von rapere rauben)

In anderen Zusammensetzungen und Ableitungen mit b + Konsonant (siehe (A) Plosiv + t/s):
  ÷ *scrīb-tus  >  scrīp-tus  (von scrīb-ere schreiben)
  ÷ *scrīb-sit  >  scrīp-sit  (von scrīb-ere schreiben)
 

(D)  ab- + Konsonant

Vor stimmlosen Plosiven (= stimmlose Verschlusslaute: p, t, c, qu) wird ab- ersetzt durch die Variante abs-, gesprochen [aps] (siehe „Verhinderte Assimilation (2a)“):
  ÷ abs-trahere  wegziehen
  ÷ abs-cēdere  weggehen
Dabei wird jedoch in der Kombination bsp = [psp] das erste b = [p] getilgt (Dissimilation):
  ÷ *abs-portāre  >  as-portāre  wegbringen

Vor anderen Konsonanten steht im Normalfall ab:
  ÷ ab-dūcere  wegführen
  ÷ ab-luere  abwaschen

Jedoch wird vor Labialen (einschließlich des labiovelaren v = [w]) das labiale b getilgt (Dissimilation) mit Ersatzdehnung des vorausgehenden Vokals:
  ÷ *ab-fuit  >  ā-fuit  er war abwesend  (zu ab-esse abwesend sein)
  ÷ *ab-mittere  >  ā-mittere  verlieren
  ÷ *ab-vertere  >  ā-vertere  abwenden
 

(E)  d/t + Konsonant  (einschließlich ad-)

Das d/t bleibt nur vor Halbvokalen (i = [j] und v = [w]) erhalten. An alle anderen Konsonanten wird es totalassimiliert.
  ÷ *ad-pōnere  >  ap-pōnere  hinlegen
  ÷ *ad-ferre  >  af-ferre  herbeibringen
  ÷ *ad-ligāre  >  al-ligāre  anbinden

In anderen Zusammensetzungen und Ableitungen mit d/t + Konsonant:
  ÷ quid-piam  >  quip-piam  irgendetwas
  ÷ *ced-sit  >  ces-sit  er ging weg (von cēd-ere weggehen)
  ÷ *excut-sit  >  excus-sit  (von excut-ere abschütteln)
  ÷ *sed-la  >  sel-la  Stuhl  (von sed-ēre sitzen)
 

(F)  s/x/ns + Konsonant  (einschließlich dis-ex-, trāns-)

x (= cs) und ns werden vor Konsonant wie s behandelt. Von trāns- kommt neben der assimilierten Form (trā-) bei fast allen Wörtern auch die unveränderte Form vor; viele jüngere Wörter haben nur die unveränderte Form.

Vor f werden sie totalassimiliert:
  ÷ *dis-ferre  >  dif-ferre  auseinandertragen
  ÷ *ex-ferre  >  ef-ferre  hinaustragen
  ÷ trāns-ferre  > (trāf-ferre > ff nach Langvokal gekürzt:) trā-ferre  hinübertragen

Vor anderem stimmlosem Konsonanten bleiben sie erhalten:
  ÷ dis-pōnere  getrennt aufstellen
  ÷ ex-pōnere  aussetzen
  ÷ trāns-pōnere  hinübersetzen

Vor stimmhaftem Konsonanten werden sie getilgt mit Dehnung des vorausgehenden Vokals (siehe „Verhinderte Assimilation (1a)“):
  ÷ *dis-dūcere  >  dī-dūcere  auseinanderziehen
  ÷ *ex-dūcere  >  ē-dūcere  herausführen
  ÷ trāns-dūcere  >  trā-dūcere  hinüberführen
  ÷ *dis-vellere  >  dī-vellere  zerreißen
  ÷ *ex-vellere  >  ē-vellere  ausreißen
  ÷ trāns-vehere  >  trā-vehere  hinüberbefördern

Lediglich vor dem Halbvokal i = [j] kann dis- erhalten bleiben:
  ÷ dis-iungere oder dī-iungere  trennen  (aber nur:  ē-iūrāre abschwören)

In anderen Zusammensetzungen und Ableitungen mit s/x + Konsonant:
  ÷ *is-dem  >  ī-dem  derselbe
  ÷ *sex-decem  >  sē-decim  sechzehn
 

(G)  n + Konsonant/Vokal  (einschließlich con-in-)

Das Präfix con- war ursprünglich identisch mit der Präposition cum (mit): Beide lauteten com. In Zusammensetzung wurde der Auslaut m jedoch zu n uminterpretiert, sodass nun für in- und con- fast immer dieselben Assimilationsregeln gelten.

Vor Plosiven (= Verschlusslauten) wird die Artikulationsstelle des n assimiliert:
  ÷ *in-pōnere  >  im-pōnere  daraufsetzen
  ÷ *con-pōnere  >  com-pōnere  zusammensetzen
  ÷ con-dūcere  zusammenführen (unverändert, da sowohl n als auch d Dentale sind)
  ÷ *con-gerere mit n = [n]  >  con-gerere mit n = [ŋ]  zusammentragen

Vor Frikativen (= Reibelauten) wird n getilgt mit Dehnung und Nasalierung des vorausgehenden Vokals (siehe „Verhinderte Assimilation (1b)“):
  ÷ *in-ferre  >  īn-ferre    hineintragen 
     (Das Lautschriftzeichen ĩ bezeichnet ein nasaliertes i.)
  ÷ *con-serere  >  cōn-serere    zusammenfügen 
     (Das Lautschriftzeichen õ bezeichnet ein nasaliertes o.)
Dieselbe Regel wird meist für con vor n angewandt:
  ÷ con-nectāre  oder meist  cō-nectāre   zusammenknüpfen

Vor Nasalen und Liquiden wird n totalassimiliert:
  ÷ *in-mittere  >  im-mittere  hineinschicken
  ÷ *con-lābī  >  col-lābī  zusammenbrechen
  ÷ *con-rumpere  >  cor-rumpere  verderben

Vor Halbvokalen (i = [j] und v = [w]) bleibt n erhalten:
 ÷ con-iungere  verbinden

Vor Vokalen (und h) bleibt n gewöhnlich erhalten, aber con- wird verkürzt zu co-:
  ÷ *in-īre  hineingehen  (1.Sg.Präs. in-eō)
  ÷ *con-īre  >  co-īre  zusammenkommen  (1.Sg.Präs. co-eō)
  ÷ *con-alēscere  >  co-alēscere  zusammenwachsen
  ÷ *con-haerēre  >  co-haere  zusammenhängen

In anderen Zusammensetzungen und Ableitungen mit n + Konsonant:
  ÷ *man-sit  >  mān-sit    er blieb  (siehe „Verhinderte Assimilation (1b)“)
  ÷ *asen-lus  >  asel-lus  Eselchen  (von asin-us Esel)
 

(H)  m + Konsonant/Vokal  (einschließlich circum-)

circum- bleibt vor Konsonant und Vokal gewöhnlich unverändert. Nur in der Zusammensetzung mit īre gehen und deren Ableitungen kann das m ausfallen:
  ÷ circum-īre  oder  circure  herumgehen  (1.Sg.Präs. circu(m)-eō)
  ÷ circum-itus / circu-itus (Gen. -itūs) m.  Umlauf

In anderen Zusammensetzungen und Ableitungen mit m + Konsonant:

Vor Plosiven (= Verschlusslauten) und Frikativen (= Reibelauten) wird meist die Artikulationsstelle des m assimiliert:
  ÷ *eum-dem  >  eun-dem  denselben  (von īdem derselbe)
  ÷ *hum-c  >  hun-c [huŋk]  diesen  (von hic dieser)
  ÷ num-quam  >  nun-quam ['nuŋkwam]  niemals
  ÷ *interim-secus  >  *intrin-secus  > (n + Frikativ wie (G):) intrīn-secus   innerlich

Wenn das m als Stammauslaut unverändert bleiben soll, wird statt Assimilation der Übergangslaut p eingefügt (siehe „Verhinderte Assimilation (2b)“):
  ÷ *m-tus  >  m-p-tus  genommen  (von sūmere nehmen)
  ÷ *m-sit  >  m-p-sit  er nahm  (von sūmere nehmen)
  ÷ hiem-s  >  hiem-p-s  Winter  (das p wird meist nicht geschrieben)
  ÷ *contem-tus  >  contem-p-tus  verachtet  (von contem-n-ere verachten)
     zur Unterscheidung von conten-tus (Partizip von contendere anspannen 
     und continēre zusammenhalten)
  ÷ *exem-lum  >  exem-p-lum  Beispiel  (von ex-im-ere herausnehmen)

 

(I)  l/r + Konsonant

Trifft ein Liquid (= l oder r) auf nachfolgenden Liquid oder s, wird totalassimiliert. Dabei wird das s „rückwärts“ assimiliert: Der zweite Konsonant gleicht sich an den ersten an.
  ÷ *inter-legere  >  intel-legere  verstehen
  ÷ *puer-la  >  puel-la  Mädchen  (von puer Junge)
  ÷ *vel-se  >  vel-le  wollen
  ÷ *fer-se  >  fer-re  tragen
(Die ursprüngliche Infinitivendung -se ist noch sichtbar in es-se seinvocāv-is-se gerufen haben; zwischen Vokalen wurde s > r:  *vocā-se  >  vocā-re  rufen,  siehe Lautregeln.)

Die Assimilation unterbleibt jedoch in vielen Fällen:
÷ inter-linere  dazwischen ausradieren
÷ fer-s  du trägst  (Auslautposition)
÷ pul-sus  geschlagen  (zu pellere schlagen)

 

ASSIMILATION BEI VOKALEN

 

(1)  zwei Vokale innerhalb einer Silbe

Stehen zwei Vokale zusammen in einer einzigen Silbe, spricht man von einem Diphthong.
Ursprünglich gab es im Lateinischen vier Diphthonge mit i:  ai, ei, oi, ui.
Später trat eine Assimilation ein, die das i ein Stück in Richtung der offenen Vokale a und o „herunterzog“, sodass hier das i zu e wurde:
• *ai  >  ae, gesprochen [ae̯], also wie a + e, nicht wie ä!
• *oi  >  oe, gesprochen [ɔe̯], also wie o + e, nicht wie ö!
 

(2)  zwei Vokale in benachbarten Silben

Bei dem Verb īre gehen und dem Pronomen is dieser wurden ursprünglich alle Formen von einem einheitlichen Stamm i- gebildet. Ähnlich wie in (1) zog ein nachfolgendes a/ā und o/ō das i zu e herunter. Durch eine spätere Lautentwicklung wurden dann in unbetonten Endsilben alle kurzen o zu u.
÷ *i-ant  >  e-ant  sie mögen gehen
÷ *i-āmos  >  *e-āmos  >  e-āmus  wir mögen gehen
÷ *i-ont  >  *e-ont  >  e-unt  sie gehen
÷ *i-ō  >  e-ō  ich gehe  
   (formgleich mit Abl.Sg.m./n. von is: durch ihn/es)
÷ *i-am  >  e-am  sie  (Akk.Sg.f.)
   (formgleich mit Konjunktiv von īreich möge gehen)
÷ *i-ārom  >  *e-ārom  >  eārum  von ihnen  (Gen.Pl.f.)
÷ *i-om  >  *e-om  >  e-um  ihn
÷ *i-ōs  >  e-ōs  sie  (Akk.Pl.m.)