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Schaubilder in Geschichte - Fortgeschritten

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Cartoon-Moderator von Michael Roos, ‚Schaubilder‘ zur Verfügung gestellt von Rouzes / E+ via Getty Images, Liniendiagramm von Duden Learnattack, iStock.com/mrgao

Wie du ein Schaubild erklärst

Schritt-für-Schritt-Anleitung

Aufgabe

Beschreibe und untersuche das folgende Schaubild:

 


Das musst du wissen

Schaubilder dienen dazu, wichtige Zusammenhänge auf einen Blick zu erkennen. Sie enthalten oft bestimmte Zeichen (z. B. Pfeile), Symbole, Bilder, Text oder verschiedene Farben. Oftmals helfen auch Legenden oder Unter- bzw. Überschriften, den Inhalt eines Schaubildes schneller zu erfassen.

Der Aufbau einer Gesellschaft wird z. B. häufig mithilfe von Schaubildern gezeigt.

Schritt 1: Bestimme das Thema des Schaubildes

Zunächst ist es wichtig festzustellen, welches Thema in dem Schaubild dargestellt wird. Hierbei hilft dir die Überschrift. Zusätzlich kannst du dich noch fragen: Was ist dem Bild auf den ersten Blick zu entnehmen? Wie ist es gegliedert bzw. eingeteilt?

Folgende Formulierungen kannst du für den Einstieg in die Beschreibung eines Schaubildes gut verwenden:

Das Schaubild – gibt Auskunft über ... / zeigt ... / veranschaulicht ... / stellt ... dar

In unserem Beispiel kann das dann so klingen:

Das Schaubild zeigt den Aufbau der Gesellschaft im alten Ägypten.

Schritt 2: Beschreibe Aufbau und Inhalt des Schaubildes

Sieh dir nun an, welche Bestandteile (Pfeile, Formen, Figuren ...) das Schaubild hat. Überlege, wofür bestimmte Formen, Farben usw. stehen und ob es vielleicht einen Zusammenhang zwischen dem Thema und der Form des Schaubildes gibt.

Beispiel:

In Form einer Pyramide, die auch als Symbol für das alte Ägypten gedeutet werden kann, wird in dem Schaubild die ägyptische Gesellschaft dargestellt. Sie besteht aus dem Pharao allein an der Spitze und mehreren immer größer werdenden anderen Schichten darunter (z. B. Wesir, Beamte, Arbeiter).
Die eingezeichneten Pfeile und deren Beschriftung zeigen, wie sich die verschiedenen Schichten zueinander verhalten und welche Aufgaben die einzelnen Personengruppen haben.

Schritt 3: Gib eine Schlussfolgerung und Wertung an

Überlege jetzt, wie die einzelnen Bestandteile miteinander verknüpft sind und welche Bedeutung sich daraus ableiten lässt. Du kannst dich fragen: Wie sind die einzelnen Bestandteile angeordnet und warum? Welche Informationen lassen sich den Beschriftungen, Pfeilen etc. entnehmen? Was bedeutet das? Fasse dann noch zusammen, was du anhand des Schaubildes über das Thema erfahren hast. Gern kannst du nun deine eigene Meinung einbringen.

Folgende Formulierungen sind hierfür hilfreich:
Aus dem Schaubild geht hervor, dass ... / Es fällt auf, dass ... / Überraschend ist, dass ...

Beispiel:

Aus dem Schaubild geht hervor, dass an der Spitze der ägyptischen Gesellschaft der Pharao steht. Er allein hat die größte Macht und bestimmt „von oben“ über die anderen Personengruppen. Die Breite der Schichten darunter gibt Auskunft über die Anzahl der Menschen, die der jeweiligen Schicht angehören, z. B. gibt es viel mehr Kaufleute und Bauern als Schreiber und Beamte. Die unteren Schichten erweisen den Schichten „über ihnen“ Dienste, werden von diesen versorgt und überwacht. Im Gegenzug stehen sie unter dem Schutz der jeweils höheren Schicht. Die Priester gehören zu derselben Schicht wie die Beamten und Schreiber. Allerdings befinden sie sich außerhalb der Pyramide, weil sie nicht dem Wesir untergeordnet waren.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die ägyptische Gesellschaft eine in verschiedene Schichten aufgebaute Ordnung war, in der Befehle stets von oben nach unten gegeben wurden und von der jeweils niedrigeren Schicht ausgeführt werden mussten.

Wie du ein Verfassungsschema interpretierst

Schritt-für-Schritt-Anleitung

Aufgabe

Interpretiere das Verfassungsschema.

 


Verfassung der USA:

Die Parlamente von 12 der 13 Einzelstaaten der USA erarbeiteten einen Verfassungsentwurf. Dieser wurde von allen Einzelstaaten im September des Jahres 1787 angenommen. Die Verfassung der USA ist die älteste heute noch geltende Verfassung der Welt. Im Lauf der Zeit wurden 27 Zusätze hinzugefügt.

Wahlrecht:

  • 1789: 10 Prozent der männlichen Erwachsenen (ab 21 Jahren) dürfen wählen
  • 1830: Wahlrecht auch für besitzlose Männer
  • bis 1870: nur eingeschränktes Wahlrecht für Indianer und Farbige
  • 1920: Wahlrecht auch für Frauen
  • 1971: Wahlrecht ab 18 Jahren

Das musst du wissen

Ein Verfassungsschema ist ein Schaubild, das in Form einer Grafik veranschaulicht, wie ein Staat organisiert ist und wie das Zusammenspiel der Verfassungsorgane (Staatsorgane) funktioniert. Die Beziehungen zwischen den Verfassungsorganen und ihre Aufgaben werden durch unterschiedliche Farben, Kästchen und Pfeile symbolisiert. So kann die man die umfangreichen und komplizierten Gesetzestexte, aus denen eine Verfassung besteht, einfach und übersichtlich darstellen. 

Trotzdem wirken Verfassungsschemata oft auf den ersten Blick kompliziert. Doch wenn du Schritt für Schritt vorgehst und dich bei der Interpretation an eine bestimmte Reihenfolge hältst, bekommst du einen guten Überblick über die Organisation eines Staates.

Schritt 1: Beschreibe die Rahmenbedingungen

Alle Informationen rund um die Verfassung bilden deine Einleitung. Nenne zuerst den Staat, für den die Verfassung gilt. Wichtig ist auch, wann die Verfassung verabschiedet wurde und wie lange sie gültig war. Vielleicht ist sie heute noch in Kraft. Beschreibe möglichst auch kurz die politische Situation, in der die Verfassung entstanden ist.

Folgende Fragen können dir helfen:

  • Für welchen Staat gilt die Verfassung?
  • Wann und durch wen wurde die Verfassung verabschiedet?
  • Wann trat sie in Kraft? Wann wurde sie also gültig?
  • Wie waren die historischen Umstände ihrer Entstehung?
  • Wie lang war die Verfassung gültig oder gilt sie immer noch?

Beispiel:

Das Schaubild zeigt die Verfassung der USA. Zwischen Mai und September 1787 formulierten die Vertreter von 12 der 13 Mitgliedsstaaten einen Verfassungsentwurf. Dieser entstand im Zuge des Unabhängigkeitskriegs der USA gegen England. Im September 1787 wurde die Verfassung beschlossen (verabschiedet). Im Laufe der Zeit wurden 27 Zusatzartikel ergänzt.

Schritt 2: Analysiere und interpretiere das Verfassungsschema

Im nächsten Schritt schaust du dir an, wie das Schaubild aufgebaut ist (Analyse). Die erste Frage ist: Welche Symbole (z. B. Rechtecke, Pfeile) enthält das Schaubild und was sollen sie darstellen?

Die verschiedenen Gewalten im Staat sind oft durch Rechtecke oder Kreise dargestellt. Pfeile zeigen an, welche Beziehungen zwischen den einzelnen Verfassungsorganen bestehen. Beschreibe die Aufgaben der Verfassungsorgane und wie sie miteinander in Verbindung stehen (Interpretation).

Nachdem du die Einzelinformationen analysiert und interpretiert hast, leitest du am Ende die Staatsform ab.

Folgende Fragen können dir helfen:

  • Wer darf wählen und wer nicht?
  • Wer wird für welchen Zeitraum gewählt?
  • Wer ist das Staatsoberhaupt und welche Aufgaben hat es?
  • Welche staatlichen Teilgewalten gibt es und welche Aufgaben haben sie?
  • Welche Beziehungen gibt es zwischen den Teilgewalten?
  • Um welche Staatsform handelt es sich?

Beispiel:

Das Oval links unten symbolisiert die wahlberechtigte Bevölkerung der USA. Im Jahr 1789 hatten 10 Prozent der männlichen Erwachsenen das Wahlrecht. Ob man wählen durfte, hing vom Besitz ab. Ab 1830 durften auch Männer ohne Besitz wählen. Allerdings gab es bis zum Jahr 1870 Einschränkungen des Wahlrechts für Indianer und Farbige. Frauen dürfen in den USA seit 1920 wählen. Im Jahr 1971 wurde das Wahlalter von 21 auf 18 Jahre herabgesetzt.

Die drei großen gelben Rechtecke symbolisieren die drei staatlichen Teilgewalten: die Legislative (gesetzgebende Gewalt), die Exekutive (ausführende Gewalt) und die Judikative (Rechtsprechung). Die Legislative ist in den USA der Kongress. Er besteht aus zwei „Häusern“: dem Repräsentantenhaus und dem Senat. Die Abgeordneten im Repräsentantenhaus werden von der Bevölkerung für zwei Jahre gewählt. Den Senat bilden Vertreter der Einzelstaaten, sie werden für sechs Jahre gewählt.

Der Kongress beschließt Gesetze. Ein Gesetz wird nur gültig, wenn beide Häuser, also Senat und Repräsentantenhaus, zustimmen. Der Kongress kontrolliert außerdem den Präsidenten.

Der Präsident steht an der Spitze der Exekutive. Er wird nicht vom Kongress gewählt, sondern von einem besonderen Wahlgremium: Die Bevölkerung wählt Wahlmänner, die alle vier Jahre den Präsidenten wählen. Der Präsident ist zugleich Staatsoberhaupt und Chef der Regierung. Er verfügt über ein aufschiebendes Veto. Das heißt, er kann einen Gesetzentwurf, den ihm der Kongress vorlegt, ablehnen. Dann muss der Entwurf innerhalb einer bestimmten Zeit neu verhandelt werden. Der Präsident hat den Oberbefehl über die Streitkräfte und er ernennt die Bundesbeamten sowie die Richter des Obersten Gerichtshofs. Zur Exekutive gehören neben der Regierung auch die Bundesbeamten, darunter auch die Polizei.

Die Gerichte bilden die Judikative. Ihre Aufgabe ist es, Recht zu sprechen und die Regierung zu kontrollieren. Die Gerichte müssen also darauf achten, dass auch die Regierung sich an die Gesetze hält.

Im Schaubild sind die Beziehungen der einzelnen staatlichen Organe und ihre Aufgaben mit orangefarbenen Pfeilen dargestellt. Legislative, Exekutive und Judikative kontrollieren sich gegenseitig. Dieses Prinzip der „checks and balances“ soll verhindern, dass eine Teilgewalt zu viel Macht bekommt oder ihre Macht missbraucht.

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind eine parlamentarische Republik.

Schritt 3: Beurteile die Verfassung

Den Schluss deiner Interpretation bildet die Beurteilung. Unterteile Schritt drei am besten in zwei Teilschritte. Zuerst beurteilst du den Inhalt der Verfassung aus heutiger Sicht. Die Leitfrage (das Beurteilungskriterium) ist: Wie demokratisch ist die Verfassung? Also: Wie viel Mitbestimmungsrechte gibt sie der Bevölkerung? Manchmal bekommst du im Unterricht oder in der Klassenarbeit auch eine andere Leitfrage. Zum Beispiel: Welche Stellung haben der Präsident und das Parlament?

Am Schluss kannst du dann noch das Schaubild, also die grafische Darstellung, bewerten. Hier kannst du notieren, welche Informationen evtl. fehlen und Zusatzinformationen ergänzen.

Folgende Fragen können dir helfen:

  • Haben alle Menschen die gleichen Rechte? Wenn ja, wodurch ist das gewährleistet?
  • Wer wurde von der demokratischen Mitbestimmung ausgeschlossen?
  • Besteht die Gefahr, dass ein Verfassungsorgan zu viel Macht bekommt?
  • Ist das Schaubild unvollständig? Wenn ja, welche Informationen fehlen?

Beispiel:

Die Verfassung der USA greift die Ideen der Aufklärung auf. Das Grundprinzip ist die Gewaltenteilung: Alle drei Teilgewalten sind unabhängig und kontrollieren sich gegenseitig. Jedoch durften zu Beginn nur wenige Amerikaner wählen. Die meisten Männer und alle Frauen waren vom Wahlrecht ausgeschlossen. Auch die Indianer und Farbige wurden noch lange Zeit vom Wahlrecht ausgeschlossen. Die Demokratie war damit noch eingeschränkt.

Dennoch war die Verfassung für die damalige Zeit sehr modern. 1787 wurden noch viele europäische Staaten von einem absolutistischen Herrscher regiert. In den USA dagegen gab es keine Monarchie mehr. Die Verfassung sollte Machtmissbrauch verhindern.

Der Präsident hat in den USA aber eine sehr starke Stellung. Anders als in der Bundesrepublik ist er zugleich Staatsoberhaupt und Chef der Regierung. In Deutschland ist der Bundespräsident das Staatsoberhaupt und der Bundeskanzler Chef der Regierung. 

Das Schaubild selbst sagt nichts darüber aus, wer wählen durfte. Dafür braucht man Zusatzinformationen. Außerdem fehlt ein Pfeil, der die Kontrollfunktion des obersten Gerichts gegenüber dem Präsidenten verdeutlicht. Das ist verwirrend, da man nicht weiß, wer hier wen kontrolliert.

Wie du Statistiken auswertest und interpretierst

Schritt-für-Schritt-Anleitung

Aufgabe

Interpretiere die Statistiken M1 und M2

M1 Das Wachstum deutscher Großstädte

 

Bevölkerung im Jahr

1875                            1910

Wachstum in %
Berlin 966.859 2.071.257 114,2 %
Leipzig 127.387 589.850 363,0 %
München 193.024 596.467 209,0 %
Essen  54.790 194.653 437,8 %

Zitiert nach: Gerd Hohorst, Jürgen Kocka, Gerhard A. Ritter (Hg.), Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch. Materialien zur Statistik des Kaiserreichs 1870-1914, München (C. H.  Beck), S. 45.

M2 Bevölkerung im Deutschen Reich

Jahr                               Bevölkerung (in Tausend)
1871 41.010
1910 64.926

Zitiert nach: Jürgen Reulecke, Geschichte der Urbanisierung, Frankfurt (Suhrkamp) 1985, S. 202.

 

Das musst du wissen

Statistiken zu den unterschiedlichsten Themen begegnen dir im Alltag und in den Medien auf Schritt und Tritt: Mal geht es um die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen, mal um das Wirtschaftswachstum, mal um Medaillen bei Olympia oder um Wahlergebnisse. Doch was ist eigentlich eine Statistik? Kurz gesagt: Eine Statistik ist eine Zusammenstellung von Zahlen und Daten zu einem bestimmten Ereignis. Aus diesem Datenmaterial kann man Aussagen über historische, politische oder wirtschaftliche Entwicklungen ableiten.

Statistiken sind eine Sonderform der historischen Quelle. Sie sind eine Mischung aus Quelle und Darstellung. Eine Statistik basiert zwar auf gesichertem Zahlen- und Datenmaterial. Doch haben Wissenschaftler diese Daten ausgewählt, in einen bestimmten Zusammenhang gesetzt und dadurch schon gedeutet.

Statistiken können dir in verschiedenen Darstellungsformen begegnen. Aus dem Mathematikunterricht kennst du Diagramme und Verlaufskurven. Im Geschichtsunterricht begegnen dir häufig auch Tabellen mit Zahlen.

Schritt 1: Nenne die formalen Merkmale der Statistik

Verschaffe dir zuerst einen Überblick über das Zahlenmaterial und das Thema der Statistik. Nenne den Zeitraum und den geografischen Raum, auf den sich die Daten beziehen. Beachte auch, wo und wann die Daten veröffentlicht wurden und in welcher Form.

Folgende Fragen können dir helfen:

  • Was ist das Thema der Statistik?
  • Wann und wo wurde die Statistik veröffentlicht?
  • Welche Darstellungsform liegt vor (z. B. Tabelle, Diagramm, Verlaufskurve)?

Beispiel:

Das Thema der Statistik M1 ist das Wachstum deutscher Großstädte zwischen 1875 und 1910. Die Zahlen wurden in Form einer Tabelle veröffentlicht und stammen aus einem wissenschaftlichen Buch über die Sozialgeschichte des Deutschen Kaiserreichs. Wann das Buch erschienen ist, ist nicht angegeben.

M2 zeigt die Entwicklung der Gesamtbevölkerung im Kaiserreich zwischen 1871 und 1910. Die Zahlen stammen aus einem Werk über die Geschichte der Urbanisierung (Verstädterung), das 1985 erschienen ist.

Schritt 2: Ordne die Statistik in den historischen Kontext ein

Erkläre nun kurz, auf welches historische Ereignis oder auf welche Epoche sich die Statistik bezieht. Achte auf das Thema sowie auf die Jahresangaben in der Statistik und beziehe dein Hintergrundwissen ein.

Beispiel:

Die Statistiken beschreiben das Wachstum deutscher Städte und das Bevölkerungswachstum im Kaiserreich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Diese Zeit war eine Hochphase der Industrialisierung, die in Deutschland Mitte des 19. Jahrhunderts begann.

Schritt 3: Analysiere die Statistik

Untersuche nun das Zahlenmaterial genau (Analyse). Nenne alle Einzelinformationen, die dir die Statistik bietet, und setze sie zueinander in Bezug. Achte dabei auf besonders auffällige Werte.

Folgende Fragen können dir helfen:

  • Auf welchen Zeitraum oder Zeitpunkt beziehen sich die Daten?
  • Um welches Gebiet geht es?
  • In welcher Einheit/Größe sind die Zahlen angegeben?
  • Welche Einzelinformationen kannst du der Statistik entnehmen?
  • Gibt es auffällige Zahlen (extreme Werte, plötzliche Sprünge)?

Beispiel:

Die Statistik M1 vergleicht die Einwohnerzahl der Städte Berlin, Leipzig, München und Essen in den Jahren 1875 und 1910. Die absoluten Zahlen geben Auskunft darüber, wie viele Menschen tatsächlich in den Städten wohnten, die Prozentangaben zeigen, wie stark die einzelnen Städte gewachsen sind.

Berlin hatte im Jahr 1875 knapp eine Million Einwohner. 1910 waren es mehr als doppelt so viele: Mehr als 2 Millionen Menschen wohnten in der Hauptstadt des Deutschen Kaiserreichs. Auch Leipzig und München waren mit 127.387 bzw. 193.024 Einwohnern 1875 schon Großstädte. Die Bevölkerung von Leipzig wuchs bis 1910 um über 363 Prozent auf über 589.000 Einwohner an. München war 1910 mit rund 596.000 Einwohnern ungefähr gleich groß wie Leipzig. Die bayerische Hauptstadt war aber nicht ganz so stark gewachsen: Die Bevölkerung wuchs um 200 Prozent. Das größte Wachstum zeigt Essen im untersuchten Zeitraum. Hatte die Stadt im Ruhrgebiet im Jahr 1875 noch knapp 55.000 Einwohner, waren es 1910 mehr als 194.000. Die Bevölkerung von Essen nahm um 437,8 Prozent zu. 

 Aus M2 geht hervor, dass auch die Gesamtbevölkerung im Deutschen Kaiserreich in dieser Zeit stark zunahm: von ca. 41 Millionen im Jahr 1871 auf fast 65 Millionen im Jahr 1910. Das ist ein Anstieg um das 1,5-fache.

Schritt 4: Interpretiere die Statistik

Jetzt geht es darum, die Ergebnisse deiner Analyse zu deuten und im historischen Zusammenhang zu erklären (Interpretation). Prüfe, ob du eine Entwicklung aus dem Zahlenmaterial ableiten kannst, und erkläre sie. Hier musst du dein Hintergrundwissen einbeziehen.

Beispiel:

Die Statistik M1 zeigt das enorme Wachstum der deutschen Städte in der Hochphase der Industrialisierung, eine Erklärung für diesen Prozess kann man aus der Entwicklung der Gesamtbevölkerung (M2) ableiten.

Das starke Bevölkerungswachstum im Kaiserreich (M2) hängt mit der Industrialisierung zusammen, die ab ca. 1840 in Deutschland einsetzte. Der technische Fortschritt führte zu Verbesserungen in der Landwirtschaft.  Moderne Anbaumethoden und der Einsatz von Maschinen führten zu steigender Produktion. Mehr Menschen konnten dadurch besser ernährt werden. Die Fortschritte in Wissenschaft und Technik führten auch zu besserer medizinischer Versorgung, sodass die Lebenserwartung stieg.

Die vielen Menschen brauchten Arbeit, die sie in den Städten fanden. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Hochphase der Industrialisierung: Eisenbahnlinien wurden gebaut, Kohleförderung in großem Stil ermöglichte die Produktion von Stahl, viele Maschinenfabriken entstanden. Die vier in M1 untersuchten Städte waren industrielle Zentren, die viele Menschen anzogen.

Die Stadt Essen im Ruhrgebiet wuchs besonders stark. Dort wurden schon im Mittelalter Kohlevorkommen entdeckt. Aber erst die Erfindung der Dampfmaschine erlaubte die Förderung von großen Mengen des Rohstoffs. Die Region entwickelte sich zu einem Zentrum des Bergbaus und der Stahlindustrie.

Leipzig war im 19. Jahrhundert ein Verkehrsknotenpunkt und ein Handelszentrum. Es gab hier eine große Messe. Außerdem zog die Maschinen- und Textilindustrie viele Arbeiter an. München hatte auch eine führende Stellung im Maschinen- und vor allem im Eisenbahnbau. Berlin war als Hauptstadt des Kaiserreichs zudem kulturelles, politisches und wissenschaftliches Zentrum.

Schritt 5: Beurteile die Statistik

Zum Schluss beurteilst du den Aussagewert der Statistik. Zeige auf, welche Informationen fehlen. Kannst du aus den Daten Rückschlüsse auf gesellschaftliche Entwicklungen ziehen? Dann erkläre sie.

Folgende Fragen können dir helfen:

  • Ist die Quelle der Daten vertrauenswürdig?
  • Worüber gibt die Statistik keine Auskunft?
  • Ist die Darstellung übersichtlich?
  • Besteht die Gefahr der Manipulation oder Verfälschung (vor allem bei Diagrammen und Kurven)?
  • Welche weiteren Statistiken oder Informationen braucht man, um  gut über das Thema informiert zu sein?

Beispiel:

Die beiden Statistiken M1 und M2 wurden in wissenschaftlicher Sekundärliteratur veröffentlicht. Man kann also davon ausgehen, dass die Zahlen vertrauenswürdig sind.

Beide Statistiken beleuchten nur einen kleinen Ausschnitt einer Entwicklung. Ein besseres Bild über die Bevölkerungsentwicklung zur Zeit der Industrialisierung würde entstehen, wenn man auch Daten von der Anfangszeit der Industrialisierung und der vorindustriellen Zeit zur Verfügung hätte. Für eine allgemeine Aussage über das Städtewachstum wäre es gut, mehr Städte miteinander zu vergleichen.

Die Statistiken sagen nichts darüber aus, wodurch das starke Wachstum der Städte bzw. der Gesamtbevölkerung ausgelöst wurde. Zudem geben sie keine Auskunft über die Bevölkerungsentwicklung auf dem Land. Dass die Stadtbevölkerung so schnell und so stark zunahm, brachte viele Probleme mit sich (z. B. Wohnungsnot, schlechte hygienische Bedingungen). Um diese zu erklären, müsste man Statistiken oder schriftliche Quellen zur Wohnsituation und zur Versorgung der Menschen in den Städten hinzuziehen.