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Wie du ein historisches Gemälde deutest

Schritt-für-Schritt-Anleitung

Aufgabe

Interpretiere das historische Gemälde.

 John Gast American Progress
GAST: AMERICAN PROGRESS. /n'American Progress.' An allegorical respresentation of Manifest Destiny. Chromolithograph after the painting by John Gast, c1873.

 

Der New Yorker Verleger George A. Crofutt gab das Gemälde 1872 bei John Gast in Auftrag. Crofutt war Verleger und gab Reiseführer heraus. John Gasts „American Progress“ wollte er in seinem „Trans-Continental Tourist's Guide“ abdrucken. Das Motiv wurde später oft nachgedruckt und war weit verbreitet.

Das musst du wissen

Für Historiker gehören Malereien neben schriftlichen Quellen zu den wichtigsten Quellenarten. Sie dokumentieren historische Ereignisse und Entwicklungen, verdeutlichen gesellschaftliche Wertvorstellungen oder geben Auskunft über die Alltagskultur.

Malereien finden wir bereits in den Höhlen der Steinzeit. Aber auch in Büchern, auf Vasen und anderen Alltagsgegenständen finden wir diese vielfältige Quellengattung.

Bis zur Erfindung der Fotografie waren Zeichnungen und Malereien die einzige Möglichkeit, geschichtliche Ereignisse bildhaft darzustellen. Im 19. Jahrhundert waren Historiengemälde sehr beliebt. Sie stellten oft geschichtliche Ereignisse aus viel früheren Zeiten dar. In diesem Fall sagt das Gemälde oft mehr über seine Entstehungszeit und ihre Wertvorstellungen als über das dargestellte Ereignis aus. Eine Sonderform der Malerei sind Herrscherbilder.

Malereien sind wie „Fenster in die Vergangenheit“ – sie zeigen nur einen Ausschnitt, vermitteln eine ganz bestimmte Perspektive. Sie zeigen oft nicht, wie es wirklich gewesen ist.

Schritt 1: Beschreibe die formalen Merkmale

Beginne deine Interpretation mit der Beschreibung der formalen Merkmale. Meistens findest du die wichtigsten Informationen hierzu in der Bildunterschrift. Verweise auch auf Informationen, die fehlen.

Nenne:

  • den Titel des Gemäldes
  • den Maler
  • Entstehungszeit und Entstehungsort
  • den Auftraggeber und den Anlass für den Auftrag
  • die Adressaten
  • das Thema des Gemäldes

Beispiel:

John Gast malte das Bild „American Progress“ 1872 im Auftrag von George A. Crofutt. Crofutt war Verleger in New York und gab Reiseführer heraus. Gasts „American Progress“ wollte er in seinem „Trans-Continental Tourist’s Guide“ abdrucken. Vom Titel des Bildes kann man auf das Thema schließen: Der Fortschritt in den USA. Das Bild wurde als Nachdruck oft verkauft, daher war das Motiv wahrscheinlich sehr bekannt.

Schritt 2: Ordne das Gemälde in den historischen Kontext ein

Damit du das Gemälde richtig deuten kannst, musst du es in den historischen Kontext einordnen. Beziehe hier dein Vorwissen ein. Je mehr du über die Ereignisse und Entwicklungen der Epoche weißt, die der Maler abgebildet hat, desto interessanter wird die Interpretation.

Beispiel:

1872, als John Craft „American Progress“ malte, war in Nordamerika die Kolonisierung des Westens schon weit fortgeschritten. 1865 hatten die Nordstaaten den Sezessionskrieg gewonnen und den Süden wieder in die USA eingegliedert. Die Sklaverei wurde verboten und 1866 verabschiedete der Kongress den „Civil Rights Act“, der allen Amerikanern Bürgerrechte zusicherte – außer den Indianern.

Die Industrialisierung nahm in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rasant an Fahrt auf, die Eisenbahn wurde ausgebaut und der Aufstieg der USA zur Wirtschaftsmacht begann. 

Schritt 3: Beschreibe das Gemälde

Die genaue Beschreibung der Bildelemente ist die Grundlage für ihre anschließende Deutung. Betrachte das Bild ganz genau und beschreibe möglichst viele Einzelheiten.

Achte dabei vor allem auf:

  • alle abgebildeten Personen, Tiere und Gegenstände und darauf, wie sie dargestellt sind (Mimik, Gestik, Haltung, Kleidung, Proportionen/Anordnung)
  • gestalterische Elemente wie Farben, Lichtverhältnisse, Perspektive, Schriftelemente, Vordergrund/Hintergrund
  • eine nachvollziehbare Reihenfolge bei der Wiedergabe deiner Beobachtungen

Beispiel:

Das Zentrum des Gemäldes bildet eine Frau mit langen blonden Haaren, die von einem goldenen Stern geschmückt werden. In der rechten Hand hält sie ein Buch, mit der linken das Ende einer Stromleitung, die sich hinter ihr schon bis zu dem Fluss und der Stadt am Horizont erstreckt. Die Frau blickt mit ruhigem, ernstem Blick in die Richtung, in die sie sich bewegt: in Richtung des linken Bildrands, also nach Westen. Die leicht nach vorn geneigte Körperhaltung und das im Wind wehende weiße Gewand unterstreichen die Dynamik der Darstellung. Die Gestalt scheint zu schweben, ihre Füße berühren den Boden kaum. Sie ist überproportional groß, alle anderen abgebildeten Menschen wirken dagegen winzig. 

Unten im Bild bewegen sich Männer mit Pferd und Ochsen ebenfalls in Richtung des linken Bildrands. Die Gruppe mit Pferd trägt Arbeitsgeräte und Waffen. Dahinter pflügen zwei Männer mit einem von Ochsen gezogenen Pflug ein eingezäuntes Feld, an dessen Rand eine Hütte steht. Ein Bär und ein Hirsch springen vor ihnen davon, fast so, als wollten sie aus dem Bild hinausspringen. In der Bildmitte und im Hintergrund sieht man verschiedene Transportmittel: Reiter, Pferdewagen, Kutschen und Eisenbahnen, die sich alle nach links, in westliche Richtung bewegen.

Am linken oberen Bildrand erstreckt sich eine Gebirgskette bis an die Küste, dunkle Wolken stehen über den Bergen am Himmel. Eine Büffelherde und eine Gruppe Indianer laufen auf den Rand des Bildes zu. Man erkennt sie an ihrem Federschmuck.

Die Mitte und der rechte Teil des Bildes sind in viel helleren Farben gestaltet als der linke Teil. Dort sieht man dunkle Wolken am Horizont über den Bergen, der Himmel rechts dagegen ist aufgelockert und wirkt freundlich.

Schritt 4: Deute die Bildelemente

Bei diesem Arbeitsschritt geht es darum, die zentralen Bildelemente zu deuten. Lies dir deine Beschreibung nochmals genau durch und erkläre dann, warum der Maler welche Bildelemente wie dargestellt hat. Kannst du Symbole erkennen? Beachte immer auch den Titel des Gemäldes. Er kann dir Hinweise auf die Bedeutung einzelner Bildelemente geben. Beziehe dein Hintergrundwissen ein und leite am Ende eine zentrale Bildaussage ab.

Hinweis: Vielleicht möchte dein Lehrer, dass du Beschreibung und Deutung gleich in einem Schritt zusammenfügst.

Beispiel

Die weibliche, überproportional große Figur im Zentrum des Bildes stellt die Columbia dar. Diese Figur war im 19. Jahrhundert ein nationales Symbol. Sie personifizierte die USA. Das Buch, das die Columbia in der Hand trägt, steht für Wissen und Erkenntnis. Den Stern auf ihrer Stirn kann man als Zeichen der Erleuchtung deuten. Columbia trägt den Fortschritt und die Zivilisation in westliche Richtung. Dafür stehen die Stromleitung, die Eisenbahn und die Stadt im Hintergrund.

Die Farbgestaltung unterstreicht diese Aussage: In der rechten Bildhälfte sind Landschaft und Horizont hell, der linke Bildrand wirkt düster. Noch reicht das Licht, das Columbia mit sich bringt, nicht bis hierher. Auch die Natur erscheint in der linken Bildhälfte, im „Wilden Westen“, noch unberührt und wild. Rechts, im Osten dagegen, ist die Landschaft kultiviert und bebaut. 

Als zentrale Bildaussage kann man zusammenfassen: Der amerikanische Fortschritt und die „Zivilisation“ breiteten sich immer weiter nach Westen aus. „American Progress“ wirkt wie eine bildliche Darstellung der Idee des „Manifest Destiny“  der Vorstellung, dass die Ausbreitung der USA bis zum Pazifik vom Schicksal bestimmt sei. Durch die Darstellung der Columbia wirkt die Kolonisierung des Westens und die Vertreibung der Indianer sogar wie ein göttlicher Auftrag.

 

Schritt 5: Beurteile das Gemälde

Am Ende rundest du deine Interpretation mit der Beurteilung des Gemäldes ab. Das bedeutet: Du leitest aus deiner Deutung ab, welche Absicht der Maler verfolgte und welche Gefühle, Gedanken und Assoziationen er beim Betrachter hervorrufen wollte. Zum Schluss bewertest du das Gemälde aus heutiger Perspektive, vor dem Hintergrund deiner Kenntnisse über die dargestellte Situation.

Folgende Fragen helfen dir dabei:

  • Welche Absicht verfolgte der Künstler?
  • Welche Wirkung wollte er beim zeitgenössischen Betrachter hervorrufen?
  • Welche Erkenntnisse bietet uns die Malerei über die politischen und sozialen Verhältnisse der Entstehungszeit?
  • Gibt die Malerei den historischen Sachverhalt angemessen wieder?
  • Wie lässt sich das Bild aus heutiger Sicht bewerten?

Tipp: Vergleiche die Malerei mit anderen Quellen aus der Zeit. Überprüfe, ob sie mit der Aussage des Bildes übereinstimmen oder die dargestellte Situation ganz anders bewerten.

Beispiel:

John Gast wollte mit dem Bild „American Progress“ die enorme Fortschrittsgewalt der USA darstellen. Der Betrachter sollte sie bewundern und beeindruckt sein. Das Gemälde zeigt das überhöhte Selbstverständnis der weißen Einwanderer und Siedler im 19. Jahrhundert und ihre Vorstellung, einen göttlichen Auftrag zu erfüllen. Der Umgang mit den Indianern wird in diesem Bild nicht thematisiert. Es wird ausgeblendet, dass die Entwicklung der USA mit der gewaltsamen Verdrängung der Ureinwohner verbunden war.

Das Motiv wirkt wie eine bildhafte Darstellung der Idee des „Manifest Destiny“. Die historische Situation wird dabei verklärt. 

Wie du ein Herrscherbild analysierst

Schritt-für-Schritt-Anleitung

Aufgabe

Interpretiere das Herrscherbild.

Ludwig XIV
Ludwig XIV_7.454885552_Everett Collection_Shutterstock

Ludwig XIV. Gemälde von Hyacinthe Rigaud, 1701/1702 (Öl auf Leinwand, Größe: 194 cm x 277 cm).
Das Gemälde ist in der Werkstatt des königlichen Hofmalers Hyacinthe Rigaud entstanden.
Auftraggeber war Ludwig XIV. (1643-1715), König von Frankreich von 1643 bis 1715.

Das musst du wissen

Herrscherbilder sind eine besondere Form der Bildquelle. Wir erfahren durch sie, welche Stellung der Herrscher hatte und welchen Herrschaftsanspruch er für sich erhob. Interessant ist auch, welche künstlerischen Mittel der Herrscher einsetzen ließ, um sich in Szene zu setzen.

Ein Herrscherbild musste keine naturgetreue Darstellung sein. Wichtig war, dass es den Wünschen des Auftraggebers entsprach. Es sollte seine Macht, Würde und Einzigartigkeit hervorheben. Manchmal musste der Künstler dafür die Realität ein bisschen verfälschen. 

Wenn wir die Einzelheiten eines Herrscherbildes deuten können, wird das Gemälde zu einem „Botschafter“ aus der Vergangenheit und erzählt uns viel über den Herrscher und seine Zeit. 

Tipp: Halte deine ersten spontanen Eindrücke fest, bevor du mit der Analyse des Bildes beginnst. Am Ende kannst du sie mit deinen Untersuchungsergebnissen vergleichen und wirst vielleicht erstaunt sein, wie viel ein einziges Bild über die Vergangenheit mitteilt.

Schritt 1: Beschreibe die formalen Merkmale

Zuerst beschreibst du alle formalen Merkmale. Mithilfe der Bildlegende beantwortest du folgende Fragen zur Entstehung des Gemäldes:

  • Welchen Titel hat das Bild?
  • Wann ist das Bild entstanden?
  • Wo ist das Bild entstanden?
  • Wer hat das Bild gemalt?
  • Wer hat das Bild in Auftrag gegeben?
  • Eventuell: Gibt es Auffälligkeiten (z. B. die Größe des Bildes)?

Es kann natürlich vorkommen, dass du mithilfe der Bildlegende nicht alle diese Fragen beantworten kannst. Manchmal kennt man die Entstehungszeit eines Bildes auch nicht genau.

Beispiel

Der Titel des Ölgemäldes ist: Ludwig XIV.  Es wurde im Jahr 1701 oder 1702 von dem Künstler Hyacinthe Rigaud im Auftrag des französischen Königs Ludwig XIV. gemalt. Das Gemälde ist sehr groß: fast 2,80 Meter hoch und rund 1,90 Meter breit.

Schritt 2: Beschreibe den Bildinhalt

Untersuche jetzt das Gemälde genau und beschreibe alle Einzelheiten, die du wahrnimmst. Beginne am besten mit dem Vordergrund und beschreibe den Herrscher. Achte dann darauf, in welcher Umgebung der Herrscher dargestellt ist. Oft sind im Hintergrund wichtige Details versteckt.

Folgende Fragen können bei der Beschreibung helfen:

  • In welcher Haltung/Pose ist der Herrscher dargestellt?
  • Wie blickt er den Betrachter an?
  • Wie ist er gekleidet?
  • Was trägt er bei sich?
  • Welche weiteren Personen, Gegenstände und Symbole erkennst du auf dem Bild?

Beispiel

In der Bildmitte ist ein prächtig gekleideter Mann mit langem, dunklen und lockigem Haar zu sehen: Ludwig XIV., König von Frankreich. Er steht in aufrechter Haltung auf einem Podest und blickt den Betrachter des Bildes direkt an. Ein Bein ist nach vorne ausgestellt. Unter dem großen, sehr langen Mantel trägt Ludwig XIV. weiße Strumpfhosen und Schuhe mit rotem Absatz. Der Mantel ist außen blau und mit goldenen Lilien verziert, die Innenseite ist weiß. Über dem Mantel ist eine goldene Kette zu sehen.

Die rechte Hand hat er auf einen Stab gestützt, die linke Hand in die Hüfte gesteckt. An der linken Seite trägt er ein Schwert, dessen Spitze im Mantel verschwindet. Zu seiner Rechten liegen eine Krone und ein Stab auf einem Hocker. Dahinter ist eine große Säule mit einem Relief am Sockel. Über dem Mann wölbt sich ein roter Vorhang, an dem eine goldfarbene Kordel befestigt ist.

Schritt 3: Deute den Bildinhalt

Nun geht es darum, die dargestellte(n) Person(en), Gegenstände und Symbole zu deuten und herauszufinden, was sie dem Betrachter sagen sollten. Folgende Fragen können dir dabei helfen:

  • Welche Wirkung wird durch die Pose des Herrschers erzielt (Blickrichtung, Körperhaltung, Gestik, Kleidung)?
  • Welche Herrschaftssymbole sind abgebildet und was bedeuten sie?
  • Aus welchem Anlass wurde das Bild in Auftrag gegeben?
  • Welche künstlerischen Mittel wurden zu welchem Zweck eingesetzt (Farben, Perspektive, Größe, verwendetes Material)?

Tipp:  Beziehe hier alle deine Kenntnisse über die Entstehungszeit des Gemäldes ein. Manchmal brauchst du Zusatzinformationen.

Beispiel

Auf dem Bild ist König Ludwig XIV. zu sehen. Er herrschte von 1643 bis zu seinem Tod 1715 in Frankreich. Seine Kleidung wirkt sehr elegant und kostbar. Der dunkelblaue Mantel hat ein Innenfutter aus weißem Hermelinpelz. Der Pelz war damals sehr teuer und demonstrierte großen Reichtum. Außen ist der Mantel mit goldenen Lilien bestickt, dem Zeichen der Herrscherfamilien der Bourbonen. Schuhe mit rotem Absatz durften nur vom König oder wenigen hohen Adligen getragen werden.

Der König trägt auf dem Gemälde die Herrschaftsinsignien bei sich, die Zeichen königlicher Macht: Das Zepter, auf dem die rechte Hand des Königs ruht, war ein Zeichen für die militärische Macht. Das Schwert sollte das Schwert Karls des Großen darstellen. Damit stellte sich Ludwig in die Tradition des mächtigen Königs des Mittelalters. Ludwig trägt auf dem Bild außerdem einen Orden an einer Kette, der ein Zeichen für geistige Größe darstellte. Auf dem Hocker rechts neben dem König sieht man einen Richterstab. Er symbolisierte die Gerechtigkeit des Königs. Die Krone daneben war das Symbol für die Einigkeit seines Reiches. Die Reliefs auf der Säule im Hintergrund stehen ebenfalls für Gerechtigkeit.

Der rote Stoff, der wie ein Baldachin über dem König drapiert ist, war auch sehr teuer. Die Farbe wurde aus seltenen Purpurschnecken gewonnen und ist ein Zeichen von großem Reichtum. 

Die Farbgestaltung des Bildes insgesamt ist leuchtend und hell. Das strahlende Weiß des Mantels zieht den Blick des Betrachters geradezu an. Das Gesicht, das von den schwarzen Haaren umrahmt wird, wirkt auch hell, als würde ein Sonnenstrahl darauf fallen.

Schritt 4: Erschließe die Bildaussage

Am Ende führst du alle deine Erkenntnisse zusammen und formulierst ein Fazit. Hier unterscheidest du zwei Perspektiven. Du zeigst, dass du erkennst, welche Wirkung das Bild auf die Mitmenschen des Herrschers (Zeitgenossen) haben sollte. Dabei ist es wichtig, den Herrschaftsanspruch des Herrschers in die Betrachtungen einzubeziehen.

Dann erklärst du, wie das Bild heute auf uns wirkt. Hier beziehst du dein Wissen über die Herrschaftsform und die Zeit mit ein: All das, was die Zeitgenossen nicht wussten, wir heute aber schon.

Fragen, die helfen können:

  • Welche Wirkung sollte das Bild beim Betrachter erzielen?
  • Mit welchen Mitteln sollte dies erreicht werden?
  • Welchen Herrschaftsanspruch kann man ableiten?

Tipp: Hier ist es interessant, andere (Bild-)Quellen zum Vergleich heranzuziehen. Dann kannst du besser beurteilen, was die Absicht des Künstlers bzw. des Auftraggebers war.

Beispiel

König Ludwig XIV. wollte verdeutlichen, dass er allein der unantastbare Herrscher ist, der über allen Menschen steht und die größte Macht besitzt. Die verwendeten Symbole, die Farbgebung, aber auch die Größe des Bildes strahlen Macht und Reichtum aus.

Das Bild spiegelt die Herrschaftsform Ludwigs XIV. wider: Er war ein absolutistischer Herrscher, der allein alle Macht im Staat hatte.

Wie du Fotos interpretierst

Schritt-für-Schritt-Anleitung

Aufgabe

Interpretiere das Foto.

ullstein bild, Bild-Nr. 04873532
ullstein bild, Bild-Nr. 04873532

Berliner Mauer, Fotografie (s/w), 26. Mai 1962.

Das musst du wissen

Fotografien sind die wichtigste Bildquelle der Zeitgeschichte. Die ersten Fotos entstanden Anfang des 19. Jahrhunderts, Farbfotos gibt es seit Ende des 19. Jahrhunderts.

Fotografien dokumentieren Ereignisse und ermöglichen eine große Annäherung an die Realität.

Doch Vorsicht: Man ist leicht bereit zu glauben, dass Fotos die Realität abbilden und zeigen, wie es wirklich war. Aber stimmt das? Fotografien erwecken den Eindruck von Objektivität. Dabei zeigen sie immer nur einen Ausschnitt des Geschehens, den der Fotograf oft ganz bewusst wählte. Was sich links und rechts davon ereignete, bleibt dem Betrachter verborgen. Manchmal werden Fotomotive inszeniert, um beim Betrachter eine ganz bestimmte Wirkung zu erzielen. Und Fotos können „lügen“: wenn zum Beispiel einzelne Bildelemente wegretuschiert werden.

Schritt 1: Beschreibe die formalen Merkmale

Lasse das Motiv auf dich wirken und nenne dann alle Zusatzinformationen, die du zu der Fotografie bekommst. Dazu gehören Ort und Zeit der Aufnahme, der Name des Fotografen und das Thema des Fotos. Wenn sich das Thema nicht unmittelbar aus dem Motiv erschließt, gibt oft die Bildunterschrift (der Titel) Auskunft. Manchmal ist über die Entstehungsbedingungen der Aufnahme wenig bekannt. Nenne die Informationen, die gegeben sind, und verweise auf das, was fehlt.

Tipp: Halte deinen ersten Eindruck schriftlich fest: Was zeigt das Foto? Wie wirkt es auf Dich? Vergleiche diesen ersten subjektiven Eindruck am Ende mit dem Ergebnis deiner Interpretation.

Folgende Fragen können dir helfen:

  • Wer ist der Fotograf/Auftraggeber?
  • Wann und wo ist das Foto entstanden?
  • Wann, wo und von wem wurde es veröffentlicht?
  • Wer sind die Adressaten?
  • Wie lautet der Titel?
  • Welche Zusatzinformationen bietet die Bildunterschrift?
  • Was ist das Thema des Fotos?
  • Für welchen Zweck entstand das Foto?

Beispiel:

Das Foto mit dem Titel „Berliner Mauer“ ist am 26. Mai 1962 an der Bernauer Straße entstanden. Informationen über den Fotografen oder einen Auftraggeber fehlen. Auch wann und wo das Foto zuerst veröffentlicht wurde, geht aus der Bildunterschrift nicht hervor. Auf den ersten Blick scheint das Thema des Bildes der Bau der Berliner Mauer zu sein. Vielleicht wollte der Fotograf dokumentieren, wie die Ostberliner Bevölkerung „eingemauert“ wurde. Doch das Bild entstand im August 1962, etwa neun Monate nachdem am 13. August 1961 der Ostteil Berlins abgeriegelt wurde und der Mauerbau begann. Ohne Hintergrundinformationen über den historischen Kontext kann man nur Vermutungen darüber anstellen, was genau abgebildet ist, und zu welchem Zweck das Bild veröffentlicht wurde.

Schritt 2: Ordne das Foto in den historischen Kontext ein

Du kannst die Fotografie besser analysieren und deuten, wenn du sie zuerst in den historischen Kontext einordnest. Beziehe hier dein Vorwissen ein oder recherchiere im Internet und erläutere kurz, in welchem historischen Zusammenhang das Ereignis steht, das der Fotograf im Bild festgehalten hat.

Beispiel:

Das Foto entstand am 26. Mai 1962, also etwa neun Monate nachdem die DDR-Regierung am 13. August 1961 mit dem Mauerbau in Berlin begonnen hatte. Die Bevölkerung in Ost und West wurde vom Mauerbau überrascht. Noch am 15. Juni 1961 hatte Walter Ulbricht, der Staats- und Parteichef der DDR, erklärt, dass niemand die Absicht habe, eine Mauer zu errichten. Allerdings waren in den Jahren vor dem Mauerbau viele Menschen aus der DDR in Richtung Westen geflohen. Für die Wirtschaft und Gesellschaft der DDR war das ein großes Problem und die Regierung beschloss, die Grenze abzuriegeln.

Die westlichen Alliierten unternahmen nichts gegen den Mauerbau, der viele Familien trennte. Bei manchen Berlinern machte sich ohnmächtige Wut breit. Am 26. Mai 1962 riss ein Sprengstoffanschlag in Berlin-Wedding ein großes Loch in die Mauer. Bauarbeiter mauerten das Loch in der Mauer noch am selben Tag wieder zu. Dass es Westberliner Polizisten waren, die 1962 die Mauer sprengen wollten, wurde erst 1992 bekannt.

Schritt 3: Beschreibe das Fotomotiv

Betrachte die Fotografie genau und beschreibe alles, was du siehst. Deine Beschreibung ist die Grundlage für die anschließende Interpretation.

Achte dabei vor allem darauf,

  • was das Foto zeigt (Personen, Gegenstände, Gebäude …),
  • welche Gestaltungsmittel eingesetzt werden (Perspektive, Größenverhältnisse, Ausschnitt, Farben …),
  • ob das Foto verändert wurde: Wurde etwas wegretuschiert, sind die Bildränder beschnitten, handelt es sich um eine Fotomontage?

Beispiel:

Im Zentrum des Bildes sieht man in der unteren Bildhälfte drei Männer hinter einer großen Lücke in der Mauer. Zwei Bauarbeiter sind dabei, das Loch in der Mauer zuzumauern, hinter ihnen steht ein Mann in Uniform mit Stahlhelm und Gewehr im Anschlag. Er scheint die Arbeiten zu bewachen. In der rechten unteren Ecke des Fotos liegen ein paar Steinbrocken auf der Erde. Am linken Bildrand erkennt man einen vierten Mann. Er trägt ebenfalls Uniform und steht, von der Dreiergruppe abgewandt, unter einem Straßenschild mit der Aufschrift „Bernauer Straße“. Der Mann ist allerdings nur halb im Bild. Den Vordergrund der Fotografie bildet die beschädigte Mauer, im Hintergrund sieht man verschiedene Sperranlagen im Grenzstreifen: Stacheldrahtrollen, kreuzförmig aufgestellte Stahlteile, Holzlatten mit Steinen.

Das Schwarz-Weiß-Foto ist leicht aus Vogelperspektive aufgenommen. Vielleicht stand der Fotograf auf einem Podest auf der Westseite der Mauer, sodass er einen guten Einblick in den Grenzstreifen hatte. Die Mauer und die Grenzsicherungsanlagen bilden parallele Linien. Das Straßenschild steht dazu im rechten Winkel. Die drei Männer sind zwar das Zentrum des Bildes, doch durch die Perspektive wirken sie klein zwischen Mauer und Absperrungen. 

Schritt 4: Interpretiere das Motiv

Lies nun deine Beschreibung noch einmal genau durch und erkläre die Bedeutung der einzelnen Bildelemente. Beziehe dein Hintergrundwissen ein und deute das Motiv im historischen Kontext (Interpretation). Leite am Ende eine zentrale Bildaussage ab.

Beispiel:

Das Foto zeigt zwei Ostberliner Maurer, die am 26. Mai 1962 die Mauer an der Bernauer Straße instand setzen. An diesem Tag hatte ein Sprengstoffanschlag ein großes Loch in die Mauer gerissen. Die Steinbrocken, die auf die Westseite fielen, wurden offenbar noch nicht weggeräumt. Die beiden Bauarbeiter wirken in ihre Arbeit vertieft und scheinen weder vom Fotografen noch von dem Grenzsoldaten in ihrem Rücken Notiz zu nehmen. Der Soldat richtet seine Waffe auf die Bauarbeiter. Offenbar befürchtete man, die Maurer könnten durch das Loch in den Westen fliehen. Vermutlich waren noch weitere Grenzsoldaten in der Nähe, die – wie der Uniformierte am linken Bildrand – die Arbeiten aus einiger Entfernung bewachten.

Die Sperranlagen im Hintergrund zeigen, dass die Grenze zwischen Ost- und Westberlin nicht aus der Betonmauer bestand. Ein breiter Streifen mit verschiedenen Sicherungsanlagen sollte die Menschen an der Flucht von Ost nach West hindern.

Das Motiv verdeutlicht den Umgang des DDR-Regimes mit seinen Bürgern. Offiziell wurde die Mauer in der DDR als „antifaschistischer Schutzwall“ bezeichnet, der die Bevölkerung vor den Einflüssen des Westens schützen sollte. Doch offenbar musste das Regime seine Bürger mit Waffengewalt an einer möglichen Flucht hindern. Das Foto zeigt zudem die Dimension der Grenzsicherungsanlagen. Bei einer Flucht hätte man mehrere Sperren überwinden müssen. Der Fotograf wählte seinen Bildausschnitt so, dass die Sicherungsanlagen wie ein nicht enden wollender Wall erscheinen. Die Menschen wirken dazwischen fast verloren.

Schritt 5: Beurteile das Foto

Beurteilen bedeutet hier, dass du erläuterst, welche Wirkungsabsicht mit dem Foto bzw. seiner Veröffentlichung verbunden war. Da du den Fotografen nicht befragen kannst, musst du seine Intention aus dem Motiv und den Gestaltungsmitteln ableiten.

Verweise auch darauf, was das Foto nicht zeigt, und stelle begründet dar, ob das Bild die historischen Ereignisse verfälscht widerspiegelt.

Tipp: Du kannst zum Abschluss auch die Bildunterschrift bewerten. Nimm begründet Stellung, ob du sie für passend oder unpassend hältst, und mache gegebenenfalls einen Gegenvorschlag.

Folgende Fragen können dir helfen:

  • Welche Wirkung soll beim Betrachter erzielt werden?
  • Welche Intention verfolgte der Fotograf/Auftraggeber/Verleger?
  • Spiegelt das Foto die historische Realität wider?
  • Welche Fragen über die historischen Ereignisse oder die porträtierten Personen bleiben offen?

Beispiel:

Das Foto wurde von der Westseite der Mauer aufgenommen. Der Fotograf wollte vielleicht einfach einen Moment der Zeitgeschichte im Bild festhalten. Vielleicht hatte er auch die Absicht zu zeigen, wie die DDR mit ihren Bürgern umging. Das Foto spiegelt die historische Realität wider und macht deutlich, was die Mauer für die Bevölkerung bedeutete. Die stark gesicherte Grenze wirkt unüberwindlich. Der Betrachter erkennt, dass der „Arbeiter- und Bauernstaat“ DDR seinen Arbeitern offenbar misstraute und glaubte, sie mit Gewalt am Verlassen des Landes hindern zu müssen. Eine Armee sollte ja das Land und seine Bürger schützen und sie nicht bedrohen.

Für die Einwohner Ostberlins könnte das Fotomotiv eine Warnung gewesen sein. Allerdings ist ungewiss, ob das Bild und auch der Sprengstoffanschlag selbst in der DDR bekannt wurden. Auch ob das Foto in der Bundesrepublik veröffentlicht wurde, wissen wir nicht. Was das Bild nicht zeigt: wie die Soldaten bei einem Fluchtversuch der Arbeiter reagiert hätten. Das ganze Ausmaß der Mauer und Sperranlagen kann man sich nur vorstellen. Welche Folgen der Sprengstoffanschlag in Ost und West hatte und wie viel Aufmerksamkeit er erregte, lässt sich ohne Zusatzinformationen ebenfalls nicht erschließen.

Das Foto wird manchmal unter dem Titel „Mauerbau in Berlin 1961“ veröffentlicht. Auf dem ersten Blick könnte man meinen, das Bild sei im August 1961 aufgenommen worden. Doch wenn man die Lücke in der Mauer genau ansieht, erkennt man, dass dies nicht sein kann: Die Steine rechts und links der Lücke sehen anders aus. Außerdem waren im August 1961 die Sperranlagen im Hintergrund noch nicht ausgebaut.

 

 

Wie du Wahlplakate analysierst

Schritt-für-Schritt-Anleitung

Aufgabe

Interpretiere das Wahlplakat.

Frauen! Gleiche Rechte – Gleiche Pflichten. Wählt sozialdemokratisch!
Wahlplakat der SPD zur Wahl der Weimarer Nationalversammlung am 19. Januar 1919
© Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung

Das musst du wissen

Vor jeder Wahl kämpfen die politischen Parteien im Fernsehen, im Internet und auf der Straße um Aufmerksamkeit und um die Stimmen der Wähler. Wahlplakate spielen dabei eine wichtige Rolle. Sicher sind sie dir schon einmal aufgefallen, da sie schon Wochen vor dem Wahlsonntag überall in der Stadt und an Straßenrändern für die Parteien und ihre Kandidaten werben.

Plakate sollen informieren, doch vor allem sollen sie auffallen und lange im Gedächtnis bleiben. Ein originelles Bild dient oft als „Eyecatcher“, die Ziele einer Partei werden in kurzen, „plakativen“ Slogans zusammengefasst. Für ihre Wahlwerbung nutzen die Parteien verschiedene Strategien, die vor allem auf emotionaler Ebene wirken: Sie wecken zum Beispiel Hoffnungen und machen Versprechungen. Sie versuchen Ängste vor dem politischen Gegner zu schüren und Feindbilder aufzubauen. Oder sie werben einfach mit einem sympathischen, vertrauenerweckenden Gesicht für ihre Kandidaten.

Plakate sind seit der Erfindung des Buchdrucks im 16. Jahrhundert ein Mittel der politischen Auseinandersetzung. Die große Zeit der politischen Plakate begann jedoch in der Weimarer Republik.

Wahlplakate sind eine wichtige historische Quelle, aus der du Rückschlüsse auf Stimmungen in der Bevölkerung und politische Grundhaltungen ihrer Zeit ziehen kannst.

Schritt 1: Beschreibe die formalen Merkmale

Nenne zuerst den Urheber (Auftraggeber) des Plakats, den Anlass der Veröffentlichung und das Thema. Der Anlass der Veröffentlichung ist wegweisend für deine Interpretation. Du erfährst ihn oft aus der Bildunterschrift oder kannst ihn aus dem Plakatmotiv ableiten.

Tipp

Halte deinen ersten spontanen Eindruck fest, bevor du mit der Beschreibung der formalen Merkmale beginnst. Wie wirkt das Plakat auf dich? Welche Gefühle löst das Motiv bei dir aus? Am Ende kannst du diesen ersten Eindruck mit der Intention des Urhebers vergleichen.

Folgende Fragen können dir helfen:

  • Wer ist der Auftraggeber?
  • Wann erschien das Plakat?
  • Aus welchem Anlass erschien das Plakat?
  • Welches Thema behandelt das Plakat?
Beispiel

Das Plakat ist ein Wahlplakat der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands von 1919. Die SPD wirbt mit dem Slogan „Gleiche Rechte – Gleiche Pflichten“ vor allem um die Stimmen der Frauen bei der Wahl zur Weimarer Nationalversammlung am 19. Januar 1919. Thema ist die Gleichberechtigung von Männern und Frauen.

Schritt 2: Ordne das Plakat in den historischen Kontext ein

Du kannst das Plakat besser beschreiben und interpretieren, wenn du es zuerst in den historischen Zusammenhang einordnest. Bezieh dein Vorwissen ein und erkläre, auf welche politischen und gesellschaftlichen Ereignisse oder Konflikte das Motiv anspielt.

Beispiel

Am 19. Januar 1919 wurde die verfassunggebende Nationalversammlung der Weimarer Republik gewählt. Zum ersten Mal durften bei dieser Wahl auch die deutschen Frauen wählen. Das war ein großer Sieg für alle, die jahrelang für das Frauenwahlrecht gekämpft hatten. Die SPD hatte es 1891 als erste Partei in ihr Programm aufgenommen. Doch in der SPD wie in der Gesellschaft insgesamt hatten Anfang des 20. Jahrhunderts die Männer das Sagen. Frauen, die sich für Gleichberechtigung einsetzten, mussten sich gegen viele Vorurteile wehren: Als „natürlicher“ Platz der Frau galten das Haus und die Familie. Politik und Bildung waren „Männersache“. Im Ersten Weltkrieg brachen die traditionellen Geschlechterrollen dann ein Stück weit auf. Da so viele Männer an der Front waren, mussten Frauen die Männer in Männerberufen und auch zu Hause ersetzen. Das stärkte das Selbstbewusstsein vieler Frauen.

Als 1919 die Weimarer Republik gegründet wurde, bekamen Frauen endlich „dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“ wie die Männer (Art. 109 der Weimarer Verfassung). Bei der Wahl im Januar 1919 warben alle demokratischen Parteien intensiv um die Stimmen der ca. 20 Millionen Wählerinnen.

Schritt 3: Beschreibe das Plakat

Beschreibe nun alle Bild- und Textelemente des Wahlplakats genau. Überleg dir eine sinnvolle Reihenfolge: z. B. vom Vorder- zum Hintergrund, vom Bild zum Text. Achte auf Farben, Symbole und darauf, wie die einzelnen Gegenstände und Personen zueinander in Beziehung gesetzt werden.

Folgende Fragen können dir helfen:

  • Welche Personen sind abgebildet?
  • Wie sind sie dargestellt (Haltung, Gesichtsausdruck)?
  • Welche Gegenstände und Symbole sind abgebildet?
  • Welche Gestaltungsmittel werden eingesetzt (Farbgebung, Größenverhältnisse, Perspektive, Verhältnis Bild/Text)?
Beispiel

Im Zentrum des Plakats sieht man einen Mann und eine Frau in alltäglicher Kleidung, die ernst und entschlossen geradeaus blicken. Die beiden scheinen direkt auf den Betrachter zuzugehen, der Mann einen Schritt voraus. Einen Arm hat er um die Hüfte der Frau gelegt, eine Hand ist zur Faust geballt. Die Frau stützt einen Arm in die Seite, den anderen reckt sie weit nach oben. Sie hält eine Fahnenstange und schwenkt eine riesige rote Fahne. Darauf steht links oben in weißen Buchstaben das Wort: „Frauen!“

Das gezeichnete Bildmotiv nimmt etwa zwei Drittel des Plakats ein. Im unteren Drittel steht in schwarzen Druckbuchstaben: „Gleiche Rechte – Gleiche Pflichten“. Darunter, größer und in roter Schreibschrift, sticht der Aufruf „Wählt sozialdemokratisch!“ ins Auge. Ganz unten wird die Partei genannt, die hier um Wählerstimmen wirbt: „Sozialdemokratische Partei Deutschlands“.

Die Farbe Rot dominiert das Plakat. Der Zeichner setzt zudem Hell-Dunkel-Kontraste ein: Die Kleidung des Paares hebt sich wirkungsvoll vom Rot der Fahne und vom weißen Hintergrund ab. Es wirkt, als würden die beiden Personen von der Sonne angestrahlt: Ihre linke Gesichtshälfte ist hell, die rechte Gesichtshälfte dunkel. Die Figur des Mannes wirft einen Schatten. An dessen Ende steht in kleinen Buchstaben der Name des Künstlers, der das Wahlplakat für die SPD entwarf: „Kirchbach“.

Schritt 4: Interpretiere das Plakatmotiv

Lies nun deine Beschreibung noch mal aufmerksam durch und leite die Bedeutung der zentralen Bild- und Textelemente ab. Dazu musst du den historischen Kontext einbeziehen. Erkläre, wie das Plakatmotiv auf einen Wähler oder eine Wählerin des Jahres 1919 wohl wirkte und welche Zielgruppe das Motiv ansprechen sollte.

Beispiel

Die Körperhaltung und der Blick des Paares drücken Dynamik, Entschlossenheit und Selbstbewusstsein aus. Vorwärtsgewandt und aufrecht gehen sie in eine Zukunft und wollen gemeinsam politische Verantwortung übernehmen.

Rot ist die Farbe der Arbeiterbewegung und die rote Fahne ein Erkennungszeichen sozialistischer und kommunistischer Bewegungen. Die Frau hält die rote Fahne wie ein Siegeszeichen hoch: Der lange Kampf um politische Gleichberechtigung ist endlich gewonnen. Die Körperhaltung des Mannes drückt Solidarität aus: Er unterstützte den Kampf der Frauen für das Frauenwahlrecht und für Gleichberechtigung.

Der Schriftzug „Frauen!“ verweist direkt auf die Zielgruppe des Plakats. Die SPD fordert die Frauen mit einem großen Ausrufezeichen dazu auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. „Gleiche Rechte – Gleiche Pflichten“ kann man als Hinweis verstehen, dass Wählen nicht nur ein Recht, sondern auch Bürgerpflicht ist. Der Slogan könnte aber auch als Versprechen gelesen werden: Die SPD sorgt dafür, dass Frauen gemeinsam mit den Männern politische Verantwortung übernehmen und die Zukunft der Republik mitgestalten können. Die SPD präsentiert sich als die Partei, die sich für die Gleichberechtigung der selbstbewussten Frau einsetzt. An sie und an alle Männer, die die Frauen solidarisch unterstützen, richtet sich der Appell: „Wählt sozialdemokratisch!“

Schritt 5: Beurteile das Plakat

Fasse zum Schluss die Gesamtaussage noch noch einmal zusammen und erkläre, wie die gestalterischen Mittel die Botschaft des Plakats unterstreichen. Vergleiche die Aussage des Plakats mit der politischen Situation der Zeit. Dann erkennst du, ob zum Beispiel Hoffnungen geweckt oder ob Ängste erzeugt werden, um vor dem politischen Gegner zu warnen.

Tipp

Wenn du das Plakat mit den Wahlplakaten anderer Parteien zum gleichen Thema vergleichst, bekommst du ein gutes Bild der gesellschaftlichen Stimmung zur Zeit der Veröffentlichung.

Folgende Fragen können dir helfen:

  • Welche Wirkung wird mit welchen gestalterischen Mitteln erzeugt?
  • Wie ist der Charakter des Plakats (z. B. aggressiv, appellativ, satirisch ...)?
  • Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Plakatmotiv und der gesellschaftlichen und politischen Situation Situation der Zeit?
Beispiel

Das SPD-Plakat zeigt die Frau als selbstbewusste und kämpferische Kameradin des Mannes. Sie will gleiche Rechte und ist bereit ist, gleiche Pflichten zu erfüllen. In einer Zeit, in der viele Deutsche der Meinung waren, Frauen sollten sich aus der Politik heraushalten und sich um Familie und Haushalt kümmern, wirkt dieses Frauenbild sehr modern. Viele Frauen wünschten sich vermutlich, ebenso selbstbewusst und kämpferisch auftreten zu können wie die Frau auf dem Plakat. Die Lebensrealität sah aber oft ganz anders aus: Vor allem Arbeiterfrauen waren sehr belastet durch die Arbeit in der Fabrik und in der Familie. Betrachtet man das Motiv, denkt man an positive Begriffe wie Stärke, Selbstbewusstsein, Solidarität. Der Wähler sollte sich mit den dargestellten Personen identifizieren können. Schrift und Bild zusammen bilden einen starken Appell und wecken Hoffnung.

Aus den Wahlplakaten, die zu Beginn der Weimarer Republik das Frauenwahlrecht und die Rolle der Frau thematisierten, erfährt man viel über das Frauenbild der Zeit. Parteien des linken Spektrums (sozialdemokratische und sozialistische Parteien) zeigten die Frau als Kämpferin. Parteien des rechten Spektrums (konservative und nationalistische Parteien) präsentierten einen anderen Frauentyp: mütterlich, pazifistisch, familienorientiert, aber auch schutzbedürftig.

Wie du Karikaturen analysierst

Schritt-für-Schritt-Anleitung

Aufgabe

Interpretiere die Karikatur.

 

Unbekannter Zeichner (Initialen: M.P.): Troisordres, Der dritte Stand
Unbekannter Zeichner (Initialen: M.P.): Troisordres, Der dritte Stand, „A faut esperer q’eu.s jeu la finira bentot“, 1789, The History Collection / Alamy Stock Photo

By M. P. (Bibliothèque nationale de France) [Public domain], via Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Troisordres.jpg​​​

„Man muss hoffen, dass dieses Spiel bald ein Ende hat.“ Karikatur, anonymer Zeichner, 1789.

Hinweise:

Auf dem Säbel steht (auf Französisch): gerötet vom Blut.

Auf der Hacke steht: mit Tränen getränkt.

Auf den Zetteln werden u. a. Steuern, Dienste und Abgaben genannt.

Rebhühner und Hasen: verweisen auf das Jagdverbot des dritten Standes.

Unten rechts stehen die Anfangsbuchstaben des Zeichners und seine Herkunft: vom Land.

Das musst du wissen

Karikaturen sind ganz besondere Bildquellen. Der Zeichner (Karikaturist) kritisiert die gesellschaftliche oder politische Situation, indem er menschliche Verhaltensweisen, Regeln oder Vorschriften verzerrt und übertrieben darstellt und sie damit lächerlich macht. Karikaturen beziehen sich immer auf reale Ereignisse oder Personen. Sie vermitteln dir einen guten Eindruck davon, wie die Zeitgenossen politische Ereignisse bewertet haben oder was sie von bestimmten Personen dachten. Wie bei vielen Quellenarten, gibt die Karikatur die Sichtweise einer Person wieder.

Um die Karikatur zu entschlüsseln, musst du alle Bildelemente genau analysieren und deuten. Dein Wissen über die Entstehungszeit ist dabei sehr wichtig.

Schritt 1 – Beschreibe die formalen Merkmale

Nenne zunächst alle Informationen, die in der Bildlegende angegeben sind. Manchmal findest du in der Karikatur selbst Schriftelemente, die Hinweise auf den Zeichner oder den Entstehungsort geben. Verweise auch auf fehlende Informationen.

Folgende Fragen können dir helfen:

  • Wer war der Zeichner?
  • Welchen Titel hat die Karikatur?
  • Wann und wo ist die Karikatur entstanden?
  • Auf welches historische Ereignis bezieht sich der Zeichner?

Beispiel:

Die Karikatur mit dem Titel „Man muss hoffen, dass dies Spiel bald ein Ende hat“ entstand 1789, im Jahr der Französischen Revolution. Die Karikatur ist wohl in Frankreich entstanden, sie enthält französische Schriftelemente. Der Name des Zeichners ist unbekannt. Am unteren Bildrand erkennt man nur die Anfangsbuchstaben: M. P.

Schritt 2 – Beschreibe die Karikatur

Die genaue Beschreibung bildet die Grundlage für deine anschließende Deutung. Betrachte dazu die Karikatur ganz genau und beschreibe möglichst viele Einzelheiten.

Folgende Fragen können dir helfen:

  • Welche Personen (und/oder Tiere) sind abgebildet?
  • Wie sind die abgebildeten Personen dargestellt  (Mimik/Gestik, Haltung, Kleidung)?
  • Welche Gegenstände sind abgebildet? Haben sie symbolische Bedeutung?
  • Welche Gestaltungsmittel setzt der Zeichner ein (z. B. Proportionen/Größenverhältnisse, Farben, Perspektive, Schrift)?

Tipp: Vielleicht möchte dein Lehrer, dass du Beschreibung und Deutung gleich in einem Schritt zusammenfügst. Dann ist es hilfreich, wenn du bei der Beschreibung zuerst Notizen machst.

Beispiel:

Auf der Karikatur sind drei Personen zu sehen. Ein alter Mann mit ärmlicher, zerrissener Kleidung und bedrücktem Gesichtsausdruck steht tief gebeugt und stützt sich auf eine Hacke. Aus seinen Hosentaschen hängen Zettel, darauf sind Steuern und Dienste notiert. Auf dem Stiel der Hacke steht in französischer Sprache „mit Tränen getränkt“. Auf dem Rücken des alten Mannes sitzen zwei prächtig gekleidete Männer, beide mit Perücke. Der Mann vorne trägt eine Kette mit einem Kreuz und hält sich an der Schulter des alten Mannes fest. Hinter ihm sitzt ein Mann mit Hut und großem Federbusch. Er trägt einen Säbel mit der Aufschrift „gerötet vom Blut“. Die beiden Männer sitzen aufrecht und haben einen frohen, zufriedenen Gesichtsausdruck. Am unteren Bildrand picken Rebhühner Körner und Hasen knabbern an einem Kohlkopf.

Schritt 3 – Deute und erkläre alle Bildelemente

Erkläre nun die Bedeutung der Bildelemente, sodass du am Ende die Aussage der Karikatur auf den Punkt bringen kannst. Lies deine Beschreibung nochmals aufmerksam durch und leite die Bedeutung der Elemente ab. Welche Symbole erkennst du? Beziehe hier dein Wissen über die historische Epoche ein. Teilweise werden bestimmte Personen oder Länder immer wieder mit den gleichen Merkmalen abgebildet. Merke sie dir für künftige Interpretationen.

Beispiel:

Die drei abgebildeten Personen symbolisieren die drei Stände der französischen Gesellschaft. Der alte, gebeugte Mann steht für den dritten Stand. Die Hacke und seine ärmliche Kleidung deuten darauf hin, dass er Bauer ist. Unter den hohen Steuern, Abgaben und Frondienste, die auf den Zetteln notiert sind, litt der dritte Stand sehr. Vor allem für die Bauern waren sie eine große Last. Die Person steht gebückt, was ihre Not deutlich zum Ausdruck bringt. Die Karikatur zeigt auch, wer diese Not verursacht hat: die Vertreter des ersten und des zweiten Standes. Sie sitzen auf dem Rücken des Bauern und profitieren von seiner Mühe und Arbeit. Der lila gekleidete Mann vorne trägt eine Kette mit Kreuz, das Zeichen für den Klerus. Hinter ihm sitzt ein Adliger. Dies erkennt man an seiner Kleidung und dem Säbel mit der Aufschrift (französisch): „von Blut gerötet“. Der Säbel ist das Merkmal des Adels und Symbol für Unterdrückung und Tyrannei. Beide Personen sitzen ganz aufrecht auf dem Rücken des Bauern und blicken mit zufriedenem Gesichtsausdruck nach vorne. Sie scheinen sich sehr wohl zu fühlen. Was für eine schwere Last sie sind, nehmen sie nicht wahr oder es ist ihnen gleichgültig.

Die Tiere am unteren Bildrand  verschlimmern die Not des Bauern. Sie fressen ihm das Getreide und Gemüse weg. Damit macht der Zeichner das Jagdverbot des dritten Standes zum Thema. Nur der Adel durfte jagen, die Bauern konnten nichts gegen wilde Tiere machen, die ihnen die Ernte zerstörten.

Die Karikatur verdeutlicht die Lage des dritten Standes vor der Französischen Revolution. Die Angehörigen des ersten und zweiten Standes ließen es sich auf Kosten des dritten Standes gutgehen. Klerus und Adel werden, bildlich gesprochen, vom dritten Stand „getragen“

Schritt 4 – Bewerte die Karikatur

Der letzte Arbeitsschritt besteht aus zwei Teilen: Zuerst erläuterst du, welche Wirkung der Karikaturist hervorrufen wollte. Das gelingt dir umso besser, je mehr du über die Entstehungszeit weißt. Dann kannst du zum Schluss aus deiner heutigen Sicht bewerten, ob der Karikaturist den historischen Sachverhalt angemessen und treffend darstellt.

Folgende Fragen helfen dir:

  • Welche Wirkungsabsicht (Intention) verfolgte der Zeichner?
  • Welche politische Position nahm er ein? Für wen ergriff er Partei?
  • Welche Personen, Gruppierungen oder Zustände kritisierte er?
  • Gibt die Karikatur den historischen Sachverhalt angemessen wieder?

Tipp: Du kannst die Karikatur besser bewerten, wenn du andere Quellen zum selben Thema auswertest (weitere Karikaturen, Gemälde, schriftliche Quellen).

Beispiel:

Der Karikaturist ergreift Partei für den dritten Stand. Er möchte auf das Elend und die Not der Bauern aufmerksam machen. Außerdem will er darüber aufklären, wer für die schlimme Lage und die Unterdrückung des dritten Standes verantwortlich ist: Adel und Klerus.

Die Karikatur gibt daher den historischen Sachverhalt treffend wieder: Vor der Französischen Revolution trug der dritte Stand die ganze Last im Staat. Vor allem die Bauern litten unter hohen Steuern, Abgaben und Frondiensten sowie der Willkürherrschaft des Adels. Der erste und der zweite Stand waren von Steuern und Abgaben befreit und genoss Privilegien. Dazu gehörte das Jagdprivileg.

Vielleicht wollte der Zeichner bereits eine Lösung andeuten: Der alte Bauer könnte sich aufrichten. Dann würden der Geistliche und der Adlige von seinem Rücken fallen. Wenn sich der dritte Stand erheben würde, könnte er die Unterdrückung beenden. 

Wie du eine Flugschrift analysierst

Cartoon-Moderator von Michael Roos, © Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Herbert Boswank, Foto ‘Frau mit Flyer’ zur Verfügung gestellt von Diego Cervo / EyeEm via Getty Images, iStock.com/mrgao