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Historische Zusammenhänge

Goethes Italienreise (1786) und sein Studium der Antike lässt sich als Beginn der Weimarer Klassik benennen, Schillers Tod als das Ende. Man kann die Klassik allerdings auch als die Zeit der intensiven zehnjährigen Zusammenarbeit zwischen den beiden Dichtern Goethe und Schiller bestimmen (1795-1805). In dieser Zeit formulierten sie ihre poetischen Visionen von menschlich mustergültigen, überzeitlichen Wertvorstellungen. Die gedankliche Auseinandersetzung mit Literatur und Philosophie rangierte eindeutig vor der geistigen Auseinandersetzung mit Politik und Staat. Die Ereignisse in Frankreich (Revolution 1789) führten in Deutschland zu keiner vergleichbaren Bewegung.

    Statue von Goethe und Schiller

      Gegen Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte sich die politisch bedeutungslose Residenzstadt des Herzogtums Weimar mit Goethe, Schiller, Wieland u. a. zum kulturellen Mittelpunkt Deutschlands, wo für mehrere Jahrzehnte die intellektuellen Debatten geführt wurden. Klassik und Romantik galten, im Zusammenhang mit dem Idealismus Kants, als nie wieder erreichter Höhepunkt deutscher Geistesgeschichte. Typisch für die Weimarer Klassik waren:

      • die Förderung durch einen Fürstenhof (Mäzenatentum),
      • der Bezug zur Antike; die Werke der Antike wurden (neu) entdeckt. In ihr sah man die Harmonie von Geist und Körper und entsprechend das Vorbild für eine Wiedergeburt abendländischer Größe. Angeregt wurden die Dichter durch den Kunsttheoretiker J. J. Winckelmann, der die antike Kunst (Einfachheit, Proportion, Harmonie) wiederentdeckte und zum allein gültigen Vorbild erklärte. Das Mittel, um die Menschen zur Humanität und Harmonie (Menschlichkeit, Toleranz, Maß, Vollendung, Übereinstimmung von Geist und Gefühl) auszubilden, sei die Kunst. Die dichterischen Bearbeitungen antiker Stoffe waren Neuschöpfungen aus dem Geist der Humanität (Beispiele: Goethe, Iphigenie auf Tauris; Schiller, Der Ring des Polykrates).

      Kunstauffassung: Autonomie der Kunst

      Die Kunst hatte ihren Zweck in sich selbst; dies stand im Gegensatz zur Kunstauffassung der Aufklärung; die Kunst sollte keine Affekte hervorrufen oder Lehren vermitteln; sie wurde vielmehr zur Vermittlerin einer höheren Ordnung, löste den Menschen aus dem Natürlichen und Triebhaften und machte ihm seine höhere Bestimmung bewusst.

      Kennzeichen der Epoche

      Ein Leitgedanke der Aufklärung, die Autonomie des Menschen, blieb weiterhin wirksam, ebenso wie Menschenwürde, Selbstbestimmung und Toleranz: Jeder Mensch trägt die natürlichen Anlagen zur sittlichen Selbstbestimmung in sich selbst und kann zur vollen Entfaltung aller moralischen, intellektuellen und kreativen Möglichkeiten kommen. Das Ideal der Humanität erfüllte sich im Gegensatz zum Sturm und Drang nur dadurch, dass der Einzelne sich eingebunden fühlt in die Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft und dem Sittengesetz. Humanität blieb eine Forderung, nach deren Verwirklichung zu streben war. Die Vertreter der Klassik propagierten ein humanes Weltbürgertum (vgl. Aufklärung); nationalistisch-engstirnige Denkweisen wurden abgelehnt. So galt das Interesse des klassischen Goethe u. a. der Weisheit und Mystik des Orients (vgl. die Liedersammlung West-östlicher Divan, 1814/19).

      • Der Mensch vermag als Vernunftwesen sein Handeln aus freiem Willen heraus zu gestalten, Triebe und Neigungen zu unterwerfen und nach allgemeingültigen Prinzipien auszurichten. Das Gutsein wird so zu einer individuellen Leistung. Der Mensch ist von höheren Mächten abhängig; es gibt ein vom einzelnen Menschen unabhängiges Moralgesetz.
      • Im Gegensatz zur Sturm-und-Drang-Bewegung, in der die schrankenlose Selbstentfaltung des Individuums und die schöpferische Freiheit vertreten wurde, wuchs das Bedürfnis nach Gesetz, Maß und Regel. Als Prinzipien galten das organische Wachstum sowie Ausgleich und Harmonie. In der Weimarer Klassik fanden insgesamt wichtige Strömungen der Geistes- und Kulturgeschichte zusammen, z. B. die Vorstellungen von antiker Kunst (Renaissance), von Humanismus, von aufgeklärtem Bewusstsein, von der Autonomie des Subjekts und seiner Gefühle.
      • Die Weimarer Klassik entwickelte ein strenges Ethos der Form; hinter den Einzelerscheinungen wurde das Allgemeingültige, Wesentliche, das Typische der Formen gesucht. Im 18. Jh. entwickelte sich die Sprache zu einer differenzierten Literatursprache, an deren Erweiterung alle bedeutenden Autoren dieser Zeit ihren Anteil hatten. Mit dieser Kunst-Sprache war ein bestimmter Sprachgebrauch verbunden. Die Wirklichkeit wurde nicht naturalistisch wiedergegeben, umgangssprachliche Wendungen und dialektale Ausdrücke schieden aus, ebenso individueller oder ironischer Ausdruck.

      Bevorzugte Literaturgattungen

      Lyrik

      Beispiele für die Lyrik der Weimarer Klassik sind die philosophischen Gedichte Schillers, in denen kunsttheoretische Überlegungen formuliert werden; Goethes klassische Lyrik zeigt sich (im Gegensatz zum Sturm und Drang) ausgeglichen und vergeistigt; es wird Idealtypisches zum Ausdruck gebracht. Antike Formen wie Hymne, Elegie und Ode finden Verwendung, ebenso antike Metren wie Distichon und Hexameter. Mit der eher volkstümlichen Form der Ballade wollten Goethe und Schiller ihr idealistisches Kunstverständnis volkstümlich vermitteln.

      Drama

      Die Stoffe entstammen in der Regel der Geschichte (z. B. Schiller: Wilhelm Tell) oder der griechischen Mythologie (z. B. Goethe: Iphigenie auf Tauris). Thematisch geht es um klassische Ideale wie Freiheit oder Humanität. Prosaentwürfe aus der Zeit des Sturm und Drang wurden zum Teil in Verse umgeschrieben (vgl. z. B. Goethes Arbeit an den Dramen Faust und Iphigenie auf Tauris). Die stilisierenden Tendenzen zeigten sich vor allem in einer gebundenen typisierenden Sprache (Versmaß der deutschen Klassik ist der Blankvers. Typisch ist auch die geschlossene Form des klassischen Dramas.)

      BEISPIEL Goethes Drama Iphigenie auf Tauris: Iphigenie fühlt sich bei ihren Entscheidungen der „Stimme der Wahrheit und der Menschlichkeit“ verpflichtet.

      Roman

      Der Bildungsroman stellte die geistig-seelische Entwicklung einer Person in der Auseinandersetzung mit der Welt dar. Dabei war das Bildungsideal der Humanität maßgebend.

      Auswahl wichtiger Autoren und Werke

      Johann Wolfgang Goethe (1749-1832): Faust I und II; Iphigenie auf Tauris; Wilhelm Meisters Lehrjahre; Dichtung und Wahrheit, Balladen/Gedichte, z. B. Der Zauberlehrling; Das Göttliche

      Friedrich Schiller (1759-1805): Wallenstein; Maria Stuart; Wilhelm Tell, Balladen/Gedichte, z. B. Die Bürgschaft; Der Ring des Polykrates


      Schlagworte

      • #Goethe
      • #Schiller