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Historische Zusammenhänge

Nicht wenige prominente Exilautoren sahen in der sowjetischen Besatzungszone und ab 1949 in der DDR jenen Teil Deutschlands, in dem durch einen konsequenten Antifaschismus jedes Aufleben nationalsozialistischer Denkweisen und Aktivitäten verhindert wurde. Sie hegten die Hoffnung, am Aufbau eines neuen Deutschland mitwirken zu können und wurden mit offenen Armen aufgenommen und großzügig gefördert, z. B. Alfred Döblin, Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger, Bertolt Brecht, Anna Seghers.

Literatur als Instrument der gesellschaftlichen Entwicklung

Mit der Gründung der DDR im Jahre 1949 begann die kulturelle Einheit der nach dem Krieg zunächst im antifaschistischen Geist arbeitenden deutschen Schriftsteller schnell zu zerfallen. Obwohl es am Anfang eine Vielfalt von Schreibweisen gab, sorgte die Staatsführung der DDR schnell dafür, dass Kontrollorgane die künstlerische Produktion im Land überwachten. Otto Grotewohl, Ministerpräsident der DDR, erklärte 1950 die Schriftsteller zu „Kampfgenossen der Regierung“. Das hieß, dass sich die Kunst den politischen Zielsetzungen unterordnen musste; auch die Literatur galt demnach als Instrument beim Aufbau des Sozialismus, sie hatte bei der „antifaschistisch demokratischen Neuordnung“ mitzuwirken. Die Orientierung an der staatlichen Doktrin des Sozialistischen Realismus wurde für das gesamte Kunstschaffen verbindlich.

In der Aufbauphase führte die befohlene gesellschaftliche Funktion der Literatur auch zu schönfärberischer Preislyrik auf Lenin und Stalin sowie auf die Ideale des Arbeiter- und Bauern-Staates und zu einseitig-polemischer Agitation gegenüber der Bundesrepublik. Thematisch blieb die kritisch-konsequente Auseinandersetzung mit dem Faschismus von großer Bedeutung. Hervorragendes Beispiel ist der Buchenwald-Roman von Bruno Apitz Nackt unter Wölfen (1958).

Mit Bertolt Brecht hatte die DDR einen Schriftsteller von internationalem Rang. Vor allem durch die Modellaufführungen seiner Stücke mit dem Berliner Ensemble setzte er neue Impulse für das Theater und erprobte seine Vorstellungen von seiner Theorie des Epischen Theaters. In der Bundesrepublik setzte erst im Verlauf der 1960er-Jahre eine allgemeine und positive Rezeption Brechts ein.

Zwischen Tauwetter und Eiszeit

Die ständigen Schwankungen in der Literaturpolitik der DDR waren für viele Schriftsteller irritierend. So bewegte sich die Politik zwischen Tauwetterphasen (z. B. 1953, nach dem Volksaufstand und dem Tod Stalins; 1971, nach dem Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker) und Eiszeit (z. B. 1965, nach den Aufständen in Polen und Ungarn; 1976, nach der Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann). Erich Loest ist das Beispiel für einen Regimekritiker; er wurde 1957 verhaftet und (unter dem Vorwurf konterrevolutionärer Gruppenbildung) zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Schriftsteller, die versuchten, sich den Schwierigkeiten mit der Zensur und den Dogmen des Sozialistischen Realismus zu entziehen, setzen sich dem Argwohn des Regimes aus (z. B. Rainer und Sarah Kirsch, Karl Mickel, Volker Braun, Kurt Bartsch). Fortschrittsskeptische Autoren wie Günter Kunert galten als Provokateure und wurden entsprechend angefeindet. Der Liedermacher Wolf Biermann erhielt Auftrittsverbot (1964). Manche Texte wurden im Westen veröffentlicht, z. B. Reiner Kunze, Sensible Wege; der Autor wurde dafür mit Veröffentlichungsverbot in der DDR bestraft. Um direkte Kontakte mit Westverlagen zu unterbinden, richtete man in Ost-Berlin ein „Büro für Urheberrechte“ ein.

Die Ablösung Ulbrichts durch Honecker markierte eine erneute Wende in der Entwicklung der Literatur und brachte eine kritische Diskussion in Gang, die jedoch nie zur Kritik am sozialistischen System selbst wurde. Es gab kaum einen DDR-Autor von Rang, der sich nicht zu den Zielen des Sozialismus (im Hinblick auf eine Umgestaltung der Eigentumsverhältnisse) bekannte, aber nicht gleichzeitig für eine Humanisierung und Demokratisierung bestimmter Zusammenhänge eintrat. Wichtigstes Beispiel aus dieser Phase ist Ulrich Plenzdorfs Die neuen Leiden des jungen W. In den 1970er-Jahren änderte sich für nicht wenige DDR-Autoren die Marktsituation. Nach dem Grundlagenvertrag mit der Bundesrepublik (1972) erhielt die DDR weltweit politische Anerkennung. Die Parole „Wandel durch Annäherung“ ermöglichte es nicht wenigen Schriftstellern der DDR, auf dem Buchmarkt der Bundesrepublik bekannt zu werden. Auch wenn die Werke in der Regel sozialistischen Anliegen dienten, wurden sie aufgrund ihrer Qualität im Westen schnell wahrgenommen (z. B. Werke von Christa Wolf und Stefan Heym).

Ausbürgerung und freiwillige Übersiedlung

Mit der Ausbürgerung Wolf Biermanns, dem während einer Konzertreise in der Bundesrepublik 1976 die Staatsbürgerschaft der DDR entzogen wurde, fand die liberale Phase ein schroffes Ende. Zwölf namhafte Schriftsteller der DDR protestierten daraufhin mit einem (in der westdeutschen Presse publizierten) Schreiben gegen diesen Akt staatlicher Willkür und erklärten sich mit Biermann solidarisch. Die Proteste zeigen keine Wirkung, sondern riefen eher eine härtere Gangart der Staatsführung auf den Plan: Publikationsverbote, Hausarrest, Verhaftung, Bespitzelung. Bis zum Ende der DDR übersiedelten mehr als 100 Schriftsteller in die Bundesrepublik, darunter bekannte Autoren wie Günter Kunert, Reiner Kunze, Jurek Becker, Wolfgang Schädlich, Erich Loest.

Auch nach 1976 entstanden in der DDR bedeutende literarische Werke (z. B. von Christa Wolf, Irmtraut Morgner, Stefan Heym). Der Widerspruch zwischen den sozialistischen Idealen und der Realität wurde von jungen Literaten weiterhin ausgesprochen. Von ihnen intendierte Veränderungen im System blieben Utopie, bis zum Ende der DDR (3. Oktober 1990) änderte sich die Haltung der Staatsführung nicht mehr.

Auswahl wichtiger Autoren und Werke

Bertolt Brecht (1898-1956): Gedichtband Buckower Elegien

Stefan Heym (1913-2001): Der Fall Glasenapp; Auf Sand gebaut

Heiner Müller (1929-1995): Der Lohndrücker; Gedichte und Hörspiele

Christa Wolf (1929 -2011): Der geteilte Himmel; Kindheitsmuster; Kassandra; Macht der Engel

Reiner Kunze (geb. 1933): Die wunderbaren Jahre; Gedichte

Ulrich Plenzdorf (1934-2007): Die neuen Leiden des jungen W.

Sarah Kirsch (1935-2013): Gedichte

Volker Braun (geb. 1939): Gedichte


Schlagworte

  • #Brecht
  • #Sozialistischer Realismus