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  • Aufgabe 1

    Dauer: 1 Stunde 56 Punkte
    schwer

    Lies den folgenden Anfang der Erzählung „Immensee“ von Theodor Storm genau durch. Charakterisiere den „Alten“.

    Immensee
    An einem Spätherbstnachmittage ging ein alter, wohlgekleideter Mann langsam die Straße hinab. Er schien von einem Spaziergange nach Hause zurückzukehren; denn seine Schnallenschuhe, die einer vorübergegangenen Mode angehörten, waren bestäubt. Den langen Rohrstock mit goldenem Knopf trug er unter dem Arm; mit seinen dunklen Augen, in welche sich die ganze verlorene Jugend gerettet zu haben schien und welche eigentümlich von den schneeweißen Haaren abstachen, sah er ruhig umher oder in die Stadt hinab, welche im Abendsonnendufte vor ihm lag. – Er schien fast ein Fremder; denn von den Vorübergehenden grüßten ihn nur wenige, obgleich mancher unwillkürlich in diese ernsten Augen zu sehen gezwungen wurde. Endlich stand er vor einem hohen Giebelhause still, sah noch einmal in die Stadt hinaus und trat dann in die Hausdiele. Bei dem Schall der Türglocke wurde drinnen in der Stube von einem Guckfenster, welches nach der Diele hinausging, der grüne Vorhang weggeschoben und das Gesicht einer alten Frau dahinter sichtbar. Der Mann winkte ihr mit seinem Rohrstock. „Noch kein Licht!“, sagte er in einem etwas südlichen Akzent; und die Haushälterin ließ den Vorhang wieder fallen. Der Alte ging nun über die weite Hausdiele, dann durch einen Pesel [= „gute Stube“ in Bauernhäusern], wo große Eichschränke mit Porzellanvasen an den Wänden standen; durch die gegenüberstehende Tür trat er in einen kleinen Flur, von wo aus eine enge Treppe zu den oberen Zimmern des Hinterhauses führte. Er stieg sie langsam hinauf, schloss oben eine Tür auf und trat dann in ein mäßig großes Zimmer. Hier war es heimlich und still; die eine Wand war fast mit Repositorien [= Aktenschränke] und Bücherschränken bedeckt; an der andern hingen Bilder von Menschen und Gegenden; vor einem Tische mit grüner Decke, auf dem einzelne aufgeschlagene Bücher umherlagen, stand ein schwerfälliger Lehnstuhl mit rotem Sammetkissen. – Nachdem der Alte Hut und Stock in die Ecke gestellt hatte, setzte er sich in den Lehnstuhl und schien mit gefalteten Händen von seinem Spaziergange auszuruhen. – Wie er so saß, wurde es allmählich dunkler; endlich fiel ein Mondstrahl durch die Fensterscheiben auf die Gemälde an der Wand, und wie der helle Streif langsam weiterrückte, folgten die Augen des Mannes unwillkürlich. Nun trat er über ein kleines Bild in schlichtem, schwarzem Rahmen. „Elisabeth!“, sagte der Alte leise; und wie er das Wort gesprochen, war die Zeit verwandelt – er war in seiner Jugend.

    Quelle: Storm, Theodor: Immensee, https://de.wikisource.org/wiki/Immensee, Letzter Zugriff am:10.05.2021

Punkteverteilung

In der Einleitung ...

  • ist der Zusammenhang zwischen der Figur und dem Text hergestellt.

 

6

Im Hauptteil ...

  • sind die äußeren Merkmale beschrieben.

 

6

  • sind die Lebensumstände der Figur beschrieben.

6

  • sind die Charaktereigenschaften, Verhaltensweisen, persönlichen Eigenarten und das Denken der Figur beschrieben.

6

  • ist das Verhalten der Figur gegenüber anderen beschrieben.

6

Im Schluss ...

  • sind die persönlichen Eindrücke von der Figur zusammengefasst und bewertet.

 

6

Die Charakterisierung ...

  • steht im Präsens.

 

5

  • ist als zusammenhängender Text verfasst.

5

  • ist in Einleitung, Hauptteil und Schluss gegliedert.

5

  • enthält Textstellen als Belege.

5