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Biografisches

  • * 28. August 1749 in Frankfurt am Main
  • † 22. März 1832 in Weimar
  • Studium der Rechtswissenschaft in Leipzig und Straßburg
  • ab 1775 am Weimarer Hof
  • ab 1794 Freundschaft mit Friedrich Schiller

Goethes Werk nimmt in der deutschen Literaturgeschichte eine herausragende Stellung ein. Goethe, der auch als Naturforscher hervortrat, prägte literarhistorische Epochen und hatte von seiner Lebenszeit bis in die Gegenwart enorme Wirkung auf die Literatur. Auch seine Persönlichkeit regte zu künstlerischen Bearbeitungen an, im 20. Jahrhundert u. a. Thomas Mann und Peter Hacks.

Lebensstationen und Schaffensphasen

Goethes Entwicklung lässt sich in sieben Phasen einteilen.

  • Nach seinen Jugendjahren in Frankfurt studierte Goethe 1765–68 in Leipzig. In Straßburg legte er 1770/71 das juristische Abschlussexamen ab und promovierte zum Lizenziaten der Rechte.
  • 1771–75 war Goethe als Rechtsanwalt in Frankfurt tätig. Daneben schrieb er als Rezensent für die Frankfurter gelehrten Anzeigen. Während eines Praktikums am Reichskammergericht in Wetzlar (1772) verliebte er sich in Charlotte Buff. Die unerfüllte Liebe regte ihn zu seinem ersten Roman, Die Leiden des jungen Werthers (1774), an. Außerdem begann er Gedichte zu schreiben (Wanderers Sturmlied, Prometheus), was er zeitlebens fortsetzte, und verfasste das Schauspiel Götz von Berlichingen (1773). In dieser Phase gilt Goethe als einer der Hauptvertreter des Sturm und Drang.
  • Das Jahr 1775 brachte Goethe auf Einladung des Herzogs Karl August erstmals nach Weimar, wo er schnell politische Karriere machte: 1776 wurde er zunächst Geheimer Legationsrat, 1779 Geheimer Rat, 1782 schließlich Leiter der Finanzkammer. 1782 wurde er durch Kaiser Joseph II. geadelt. Eine geistgeprägte Liebe verband Goethe mit der unglücklich verheirateten Hofdame Charlotte von Stein. Immer mehr rückten neben der politischen und juristischen Arbeit auch naturwissenschaftliche Interessen in den Vordergrund. Goethe entdeckte 1784 beim Menschen den Zwischenkieferknochen und befasste sich mit der Metamorphose der Pflanzen.
  • Als Flucht aus den beengten Weimarer Verhältnissen kann man Goethes Italienreise von September 1786 bis Mitte 1788 ansehen. In Italien traf er viele Künstler, Theoretiker und Schriftsteller, darunter Johann Heinrich Wilhelm Tischbein und Karl Philipp Moritz. Die Beschäftigung mit der antiken Kunst und Literatur fand ihren Niederschlag in der Gedichtsammlung Römische Elegien (1788–90).
  • Nach Weimar zurückgekehrt, ging Goethe eine Verbindung mit Christiane Vulpius ein, die er 1806 heiratete. Das bedeutendste künstlerische Ereignis für Goethe war die Freundschaft mit Schiller, der als Professor für Geschichte nach Weimar berufen worden war. In der Zusammenarbeit mit Schiller (ab 1794) entwickelte sich ein Stil, der als Weimarer Klassik zur literaturhistorischen Epochenbezeichnung wurde. In diese Zeit fallen u. a. Wilhelm Meisters Lehrjahre (1795/96), die Balladen (1797) und die Arbeit an dem Faust-Drama.
  • Nach Schillers Tod (1805) kam mit den Frühromantikern (u. a. Friedrich und August Wilhelm Schlegel) ein neues Kunstverständnis auf, mit dem sich Goethe nur teilweise (Bedeutung des Mittelalters und der Volkspoesie) anfreunden konnte. Die „Auseinandersetzung mit der romantischen Ästhetik“ kam u. a. in dem Roman Die Wahlverwandtschaften (1809) zum Ausdruck. Daneben beendete Goethe Faust I (1808).
  • Als Goethe an dem Gedichtzyklus West-östlicher Divan (1814–19) arbeitete, verliebte er sich in Marianne von Willemer. Nach dem Tod seiner Frau Christiane (1816) ging er 1823 noch einmal eine leidenschaftliche Beziehung ein, und zwar zu der jungen Ulrike von Levetzow. In die Altersperiode fällt der Abschluss seiner Hauptwerke Wilhelm Meisters Wanderjahre (1821–29), Faust II (1832) und der letzte Teil seiner Autobiografie Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit (posthum 1833), deren erste drei Teile 1811 bis 1814 erschienen waren. Wenig später, am 22. 3. 1832, starb Goethe in Weimar.

Werke der Sturm-und-Drang-Phase

Auch wenn sich Goethe immer an vorhandene ästhetische Theorien anschloss (u. a. die Schriften von Karl Philipp Moritz), so gelten doch die Werke des jungen Goethe als mustergültig für die Sturm-und-Drang-Epoche. Die 1774 entstandene Hymne Prometheus bündelte die zentralen Aspekte der neuen Sturm-und-Drang-Ästhetik: Unter Anrufung des Halbgottes Prometheus – griechischer Mythologie zufolge ein Titan, der Menschen aus Ton bilden und beseelen kann, um ihnen schließlich vom Olymp das Feuer zu bringen, weshalb Zeus ihn straft – wird das Schöpfertum des Künstlers verherrlicht und ein radikales Bekenntnis zum Diesseits abgelegt.

Hier sitz’ ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sei:
Zu leiden, zu weinen,
Zu genießen und zu freuen sich –
Und dein nicht zu achten,
Wie ich!

In der Hochschätzung des Individuellen war aber auch bereits die Tendenz zur Vereinzelung angelegt. Diesen Aspekt behandelte Goethe in dem Briefroman Die Leiden des jungen Werthers (1774, Neufassung 1787), der zum weltliterarischen Ruhm des jungen Künstlers führte.
Der Roman handelt vordergründig von einer tragischen Liebesgeschichte, in der zwei Menschen nicht zueinanderfinden. Eigentlich geht es jedoch um das Scheitern des Individuums, das versucht, sich durch die Erfahrung von Natur und Liebe aus den fatalen bürgerlichen Verhältnissen zu befreien. Da diese Befreiung eine Flucht aus der Wirklichkeit in die Innerlichkeit ist und in die gesellschaftliche Isolation des Künstlers führt, bleibt Werther am Ende nur der Freitod.
Eine ähnliche Problematik behandelt das Schauspiel Götz von Berlichingen (1773), das sich schon formal, indem es die Einheit von Ort und Zeit missachtet, als Werk des Sturm und Drang ausweist. Es thematisiert die Fehde zwischen dem Ritter Götz von Berlichingen und dem Bischof von Bamberg. Der von aufständischen Bauern zu ihrem Anführer gewählte Götz wird nach zahlreichen Intrigen und Verrat gefangen genommen und stirbt im Gefängnis mit den Worten: „Himmlische Luft – Freiheit! Freiheit!“ Götz verkörpert historisch zwar noch das alte Rittertum und ständische Ideale wie Treue und Redlichkeit. Im Gegensatz dazu steht jedoch die neue Zeit, die vom Verfall der alten Tugenden geprägt ist und von Goethe kritisch beleuchtet wird. Die letzten Worte deuten die Hauptaussage des Stückes an. Auch im Götz scheitert das Freiheit beanspruchende Individuum.

Begründer der Klassik

Goethes klassische Zeit beginnt mit der Rückkehr von der Italienreise und ist geprägt von der fruchtbaren Freundschaft mit Schiller. Zu Goethes klassischen Werken zählen die Stücke Iphigenie auf Tauris (1787) und Torquato Tasso (1790), die Lyriksammlung Römische Elegien (1795), der Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre (1795/96), der nach Schillers Tod (1805) entstandene Roman Die Wahlverwandtschaften (1809), der bereits romantische Einflüsse zeigt, und Faust. Der Tragödie erster Teil (1808).
Goethes und Schillers ästhetische Vorstellungen orientierten sich an der griechischen Antike; sie kreisten um Begriffe wie Maß, Harmonie und Geschlossenheit. Unter Klassizität verstand Goethe aber nicht nur den Bezug auf antike Vorbilder: Das klassische Kunstwerk ist vielmehr symbolisch, d. h., es stellt das Allgemeingültige, das frei ist von den Interessen des Subjekts oder der Zeit, im Besonderen dar. Die Kunst wird damit zum Vermittler einer höheren Ordnung. Die Frage, ob der Künstler unbeeinflusst von den sozialen und moralischen Zuständen seiner Zeit ist oder ob er auf sie Rücksicht nehmen muss, formulierte Goethe in dem Drama Torquato Tasso: Zwar ist der Künstler von seinem Mäzen abhängig, andererseits scheint erst diese Förderung die Möglichkeit zu bieten, sich frei zu entwickeln.
Das Stück Iphigenie auf Tauris setzte das klassische Humanitätsideal um, indem die Priesterin Iphigenie die Götter, die zunächst dem Schicksal der Menschen gleichgültig gegenüberstehen, zur Menschlichkeit bekehren kann.

Lebenslanges Schaffen an Wilhelm Meister und Faust

Schon der Titel des 1777 begonnenen und 1795/96 fertiggestellten ersten Teils des Wilhelm-Meister-Romans (Lehrjahre) kündigt eine Fortsetzung an. Goethe arbeitete den zweiten Teil mit dem Titel Wilhelm Meisters Wanderjahre oder Die Entsagenden in einem oft unterbrochenen Schaffensprozess aus und beendete den Roman 1829.
Der Wilhelm Meister stellt die Bemühungen anhand der Figur Wilhelm Meister dar, aus der engen bürgerlichen Erwerbswelt auszubrechen und „mich selbst, ganz wie ich da bin, auszubilden“. Dabei sind v. a. die Begegnungen mit der Kunst und dem Theater bedeutsam für die Ausbildung seiner Persönlichkeit. Wilhelm Meister durchläuft einen Prozess der Selbstfindung und Sozialisation, der ihn zum einen von der falschen Hinwendung zum Theater befreit und zum anderen von einem abgründigen Weltverlust und Weltschmerz, dem Versinken in die Innenwelt und der Melancholie. Heilung und Glück Wilhelm Meisters liegen darin, dass er die Welt als antwortendes Gegenbild erfahren lernt. So glückt ihm die Selbstverwirklichung in der Gesellschaft. Dieser Bildungs- und Entwicklungsroman bestimmte Maßgeblich seine Gattung bis ins 20. Jahrhundert. Wilhelm Meisters Wanderjahre gilt aufgrund seiner offenen Form mit Fragmentcharakter als Beginn des modernen Romans.

Die Beschäftigung mit dem Faust reicht bis in die frühen 1770er-Jahre zurück. Schon in Frankfurt entstanden einige Faust-Szenen, die Goethe mit nach Weimar brachte. Sie wurden dort vorgelesen, aber Goethe vernichtete sie später. Dieser sog. Urfaust ist heute nur noch in einer Abschrift erhalten. Für eine Ausgabe seiner gesammelten Schriften veröffentlichte Goethe 1790 den umgearbeiteten Entwurf als Faust. Ein Fragment. Zwischen 1797 und 1806 wurde Faust. Der Tragödie erster Teil vollendet; er erschien 1808. In einer zweiten Arbeitsphase zwischen 1825 und 1831 stellte Goethe den zweiten Teil fertig.

Beide Teile handeln von dem mittelalterlichen Gelehrten Heinrich Faust, der wegen seines rastlosen und unstillbaren Erkenntnisdrangs einen Bund mit dem Teufel eingeht. Dieser Bund zeigt die Maßlosigkeit des menschlichen Strebens, die Welt rücksichtslos ergreifen und besitzen zu wollen. In seiner Erlösung steckt zugleich die Erkenntnis, dass das „strebende Bemühen“ in der Suche nach dem, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, die Bestimmung und zugleich das Schicksal der Menschen ist.
Die Vielfalt der Formen und Versmaße, die Goethe verwendete, entspricht der Fülle der Themen, Motive, Stimmungen und Lebensbereiche, die im zweiten Teil angesprochen werden. Goethe selbst brachte gegenüber seinem Vertrauten Carl Friedrich Zelter zum Ausdruck, dass das Faust-Drama „alles zusammen ein offenbares Rätsel bleibe“, das „die Menschen fort und fort ergötze und ihnen zu schaffen mache“ (Brief vom 1. 6. 1831). Bis heute hält die Auseinandersetzung mit dem Faust an. Sie reichte von heftiger Kritik, etwa bei den Autoren der Romantik, des Jungen Deutschland und des Vormärz, bis zur völligen Begeisterung, etwa bei Gerhart Hauptmann, und sogar zur Vereinnahmung als Nationalmythos durch die Nationalsozialisten.

Der Naturwissenschaftler

Mit seinen vielfältigen und jahrzehntelangen naturwissenschaftlichen Beobachtungen zielte Goethe auf die Zusammenfassung empirischer, geistiger und künstlerischer Bereiche. Seine Entdeckung des menschlichen Zwischenkieferknochens 1784, der die oberen Schneidezähne trägt, war eine epochale Leistung für die Abstammungslehre: Mit dieser Entdeckung war eindeutig geklärt, dass der Mensch biologisch zu den Säugetieren zu zählen ist. Damit war ihm auch eine einmalige Sonderstellung im Reich der Natur genommen: Der Mensch hatte bis dahin – gemäß der christlichen Lehre – ausschließlich als das Ebenbild Gottes gegolten.


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