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Begriff

Das Wort Barock lässt sich herleiten von dem portugiesischen Begriff barucca (Fachausdruck für eine Perle von unregelmäßiger, schiefer Form). Im 18. und 19. Jh. wurde das Adjektiv barock oft in abwertender Bedeutung verwendet (schwülstig, grotesk, bizarr). Als Epochen- und Stilbegriff setzte sich das Wort zunächst in der Kunstgeschichte durch. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Begriff auch von der deutschen Literaturwissenschaft übernommen. Er bezeichnet

  • den Zeitraum zwischen Reformationszeit/Renaissance und Aufklärung,
  • einen Stil, der durch bestimmte Merkmale gekennzeichnet ist, z. B. eine Sprache, die stark auf rhetorische Wirkung bezogen ist (Bildlichkeit, Artistik und Ästhetisierung der Form).

Historischer Hintergrund und Lebensgefühl der Zeit

Das prägende Ereignis der Zeit war der Dreißigjährige Krieg mit Hungersnöten und Epidemien. Daneben gab es weitere kriegerische Auseinandersetzungen: die Hegemonialkriege Ludwigs XIV., die Schwedenkriege und die Türkenkriege.

Der Dreißigjährige Krieg, dessen Ursprung in den religiösen Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten zu suchen ist, machte die religiöse Zerrissenheit Mitteleuropas deutlich, die abnehmende Bedeutung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und das Schwinden übernationaler Konfessionsbindungen. Gewinner dieses Säkularisationsprozesses waren die Landesherren, Verlierer der Kaiser. Die Selbstständigkeit der etwa 300 kleinen Landesherrschaften, damit eine Zersplitterung der Macht in Mitteleuropa, wurde im Westfälischen Frieden 1648 bestätigt. Schroffe Gegensätze kennzeichneten das Zeitalter:

  • Der Gegenreformation und den Hexenverfolgungen standen bedeutende Entdeckungen in den Naturwissenschaften und in der Mathematik gegenüber (Kopernikus, Galilei, Leibniz, Newton).
  • Das Elend weiter Bevölkerungsschichten korrespondierte mit den prunkvollen aristokratischen Repräsentationsweisen. Vorbild für die Höfe der absolutistisch regierenden weltlichen und geistigen Fürsten war die aufwändige Prachtentfaltung des französischen „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV.

Die Grunderfahrungen von Gewalt, Elend und Not begründeten das antithetische Lebensgefühl der Zeit zwischen vanitas (Gefühl der Leere und Nutzlosigkeit) und carpe diem (nutze und genieße den Tag). Damit wurde der (mittelalterliche) Dualismus von Jenseitigem (Vergänglichkeitsbewusstsein und Todesangst) und Diesseitigem (Lebenslust und Weltbejahung) wiederbelebt. Es herrschte auf der einen Seite das Bewusstsein vor, dass der Mensch und die irdische Prachtentfaltung vergänglich sind und alles irdische Streben nutzlos ist (vanitas). Daher gab allein die Hinwendung auf das Jenseits dem Leben einen Sinn. Neben diesem Gefühl des memento mori (denke daran, dass du sterben musst) zeigte sich die Gier nach Lebensgenuss und Sinnenfreude (carpe diem).

Das Weltbild wurde noch von der einheitlichen Idee des christlichen Glaubens geformt:

  • Gott und Welt wurden als ein geordnetes Ganzes verstanden.
  • Leitbegriff blieb die (religiös begründete) Ordnung; auch der gesellschaftliche Aufbau in Stände und die Herrschaft des absoluten Monarchen wurden als gottgegeben angesehen.

Selbstverständnis der Barock-Dichter und Dichtungstheorie

Die politische und konfessionelle Spaltung des Reiches schlug sich auch im literarischen Bereich nieder und führte zu einer weitgehend getrennten Entwicklung

  • von protestantischer Literatur (z. B. Martin Opitz, Andreas Gryphius, die Sprachgesellschaften mit dem Ziel der literarischen Erneuerung, religiöse Erbauungsliteratur),
  • von katholischer Literatur (Fortsetzung europäischer katholischer Traditionen, Literatur im Dienste der katholischen Reformbewegung, Predigtliteratur).

Die Dichter des Barock waren insbesondere durch virtuose Kunstfertigkeit und ihr Selbstverständnis als humanistisch gebildete Gelehrte (in aller Regel mit Universitätsausbildung) gekennzeichnet. Es ging für sie nicht darum, innere Gefühle des eigenen Ich auszudrücken. Alles gehörte einem Typ an, die Themen der Dichtung waren festgelegt und wurden immer wieder variiert; sie zielten auf Wirkung: Durch eine angemessene Wahl der Gattung und der Stilebene sollte das jeweilige Publikum (die niederen Volksschichten/die Angehörigen der mittleren und der höfischen Gruppierungen) erreicht werden. So entstanden neben Texten für ein literarisch vorgebildetes Publikum auch volkstümliche Texte für die breite Masse.

Die Dichtungstheorie wurde niedergelegt in Poetiken. Nach antiker und humanistischer Auffassung war die Poetik ein Teil der Rhetorik. Dichtung wurde als Rede in Versform verstanden. Durch die virtuose Gestaltung sollte sie den Zuhörer bzw. Leser erfreuen (delectare), sie sollte ihm durch ihre Aussage nützlich sein (prodesse) und ihn zu einer Handlung oder Einsicht bewegen (movere).

  • Die wichtigste und einflussreichste Poetik war das Buch von der Teutschen Poeterey von Martin Opitz (1624): Poesie wird für lehrbar gehalten als Kunst der guten Rede, die ihrerseits von der Rhetorik abhängt. In der Poetik werden Gattung und Form normativ festgelegt und Themen für die Gestaltung vorgegeben, z. B. die Vergänglichkeit des Irdischen.
  • Martin Opitz wollte die lateinische Dichtungslehre auf die deutsche Sprache übertragen; dies zeigte das Bemühen um eine eigenständige deutsche Kunstrichtung und Literatursprache.

Sprache und Stil

Aufgrund der intendierten Wirkung der Kunst (Bezüge zur Rhetorik, vgl. oben) sind die folgenden sprachlichen und stilistischen Kriterien besonders hervorzuheben:

  • Vielfalt von Gedanken-, Klang- und Wortfiguren zum Schmuck der Dichtung,
  • Bildlichkeit als besonderes Merkmal barocker Dichtung; üppige Metaphorik, Allegorie (von griech.: anders, bildlich reden); dabei wird ein Begriff durch ein gedanklich fassbares Bild veranschaulicht, z. B.: Vergänglichkeit = Sanduhr,
  • Wiederholung/Aufzählung ähnlicher Motive,
  • artifizieller Charakter von Aufbau und Form; wirkungsvolle ästhetische Virtuosität; Schema der Antithetik und der Hyperbolik (Übertreibung).

Bevorzugte Textarten

Drama

Das Barock war die Epoche des großen europäischen Dramas. Im 17. Jh. entstanden herausragende Dramen der Weltliteratur. Kristallisationszentren des europäischen Theaters waren große Höfe bzw. Hauptstädte:

England: W. Shakespeare - Elisabeth I.
Spanien: P. Calderón de la Barca - Philipp IV.
Frankreich: P. Corneille/J. Racine/Molière - Ludwig XIV.

Das Illusionstheater kam dem Lebensgefühl der Zeit entgegen. In den großen deutschen Städten (wie München und Hamburg) entstanden Theaterbauten. Das barocke Trauerspiel (wichtigster Vertreter war Andreas Gryphius) soltel den Zuschauer erschüttern und betroffen machen. In den Poetiken der Barockzeit wurde gefordert, dass in einer Tragödie nur eine Person höheren Standes im Mittelpunkt stehen darf, weil der tragische Fall eines Helden umso intensiver empfunden wird, je höher dessen sozialer Rang ist. Die Komödien handelten ausschließlich vom Leben niederer Stände (Ständeklausel); ihre Vertreter wurden (im Vergleich mit den aristokratischen Kontrastfiguren, die die Normen der Gesellschaft verkörpern) als komische Typen lächerlich gemacht.

Roman

Der bis heute bekannteste Roman dieser Zeit ist Der Abentheuerliche Simplicissimus; der Verfasser Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen gehörte nicht zur üblichen Zunft der gelehrten Barockpoeten. Der Autodidakt, der eigene Erfahrungen im Dreißigjährigen Krieg verarbeitete, stellte anschaulich Sprache und Leben der unterschiedlichen Volksschichten dar. Die Handlung des Romans führt Simplizius durch die unterschiedlichen Lebensstationen bis zur Selbsterkenntnis und Erkenntnis Gottes. Der Roman thematisiert die barocke Antithetik (Gedanken an Tod/Vergänglichkeit, Buße/Askese und Lebensgier/Genusssucht/Verschwendung)

Lyrik

Das Sonett kam ebenso wie das Epigramm (kurzes Sinngedicht; zwei durch Reime gebundene Alexandriner), den ästhetischen Formerwartungen des Barock in besonderer Weise entgegen. Die Klarheit der Komposition eignete sich besonders zur Formulierung von Heilswahrheiten. Formale Kennzeichen:

  • 14-zeiliges Gedicht, das sich aus zwei Vierzeilern (Quartetten) und zwei Dreizeilern (Terzetten) zusammensetzt, die jeweils gereimt sind. Die Quartette und Terzette stehen inhaltlich-argumentativ im Verhältnis von Erwartung und Erfüllung, von Spannung und Entspannung, von Voraussetzung und Folgerung, von Behauptung und Beweis,
  • Zweigliedrigkeit der Verszeile (Alexandriner: jambischer sechsfüßiger Vers mit der Zäsur nach der dritten Hebung),
  • barocke Stilfiguren: Antithese, Anapher, Akkumulation (Häufung), Chiasmus (Kreuzstellung).

Das Gedicht verkörperte ein Grundgefühl der Epoche: Memento mori. Für Andreas Gryphius (1616-1664) war alles Irdische nichtig und vergänglich; nur der Gedanke an die Ewigkeit und die Erlösung nach dem Tod bot dem Menschen Ziel und Hoffnung.

Auswahl wichtiger Autoren und Werke

Martin Opitz (1597-1639): Buch von der Teutschen Poeterey

Paul Gerhardt (1607-1676): Kirchenlieder

Andreas Gryphius (1616-1664): Leo Armenius (Tragödie), Sonette

Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (1621-1676): Der Abentheuerliche Simplicissimus

Johann Christian Günther (1695-1723): Studentenlieder


Schlagworte

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